Augsburg Stell dir vor, Angela Merkel küsst Nicolas Sarkozy nicht mehr auf die Wange. Joachim Löw entscheidet sich dafür, spätestens nach der Europameisterschaft 2012 als Trainer der deutschen Fußball-Nationalmannschaft hinzuschmeißen, um im Badischen „högschte Ruhe“ zu genießen. Oder der stern-Journalist Hans-Ulrich Jörges schwört bei Anne Will, künftig nie mehr in Talkshows auftreten zu wollen. Mediale Aufgeregtheit wäre die Folge. Warum soll es dann anders sein, wenn Europas erfolgreichste Fernseh-Show einen neuen Moderator sucht und die Spekulationen um Kandidaten fast schon irrwitzige Formen annehmen.
Ein paar Scheite mehr fürs letzte „Lagerfeuer“
Am Samstagabend geht im ZDF ab 19.25 Uhr eine Ära zu Ende. Thomas Gottschalk moderiert in Friedrichshafen zum letzten Mal „Wetten, dass..?“. Deswegen haben die Mainzer noch ein paar Scheite mehr investiert, um zum Abschied des großen Showmasters das sogenannte „Lagerfeuer“ zu entzünden, das angeblich die Familie vor dem Bildschirm versammelt.
Erstmals werden Fernsehzuschauer auch Zeugen des sogenannten „Warm-up“, das ansonsten nur das Publikum in der Halle mitbekommt. Mit einer Mischung aus spielerischer Leichtigkeit und bewährter Routine stimmt Gottschalk hautnah die Fans auf die nachfolgende Show ein.
In einer Art, die ihm so schnell keiner nachmacht. Das weiß auch das ZDF, das sich unheimlich schwer tut mit der Suche nach einem Nachfolger. Seit neun Monaten läuft der Countdown: Gottschalk hatte im Februar dieses Jahres in der Jubiläumssendung zum 30-jährigen Bestehen von „Wetten, dass..?“ in Halle angekündigt, dass er wegen des schweren Unfalls des Wettkandidaten Samuel Koch am 4. Dezember 2010 aufhören werde. Gottschalk erklärte, für ihn liege auf „Wetten, dass..?“ jetzt ein Schatten, der es ihm schwer machen würde, „jemals wieder zu der guten Laune zurückzufinden“, die das Publikum von ihm zu Recht erwarte. Der 23-jährige Student Koch wollte mit Sprungfedern unter den Füßen über ein fahrendes Auto springen, stürzte, verletzte sich an der Wirbelsäule und ist seither vom Hals abwärts gelähmt.
Ein Jahr später steht „Wetten, dass..?“ am Scheideweg. Die Show, der Kritiker oft vorwarfen, rund um die Wetten belanglose Sofa-Plaudereien mit PR-süchtigen Prominenten einzustreuen, hatte zuletzt oft Schwierigkeiten, annähernd 10 Millionen Zuschauer zu erreichen. Teilweise toppte der Sonntags-„Tatort“ den Familienklassiker. In Mainz herrscht offenbar Ratlosigkeit, wie es mit dem Fossil weitergehen soll. Hieß es zunächst, im Dezember sei die Nachfolge geregelt, hat ZDF-Programmdirektor Thomas Bellut die Entscheidung auf Januar verschoben. Was Wunder, dass jeder halbwegs erfahrene TV-Promi, dem zurzeit ein Mikro unter die Nase gehalten wird, dementiert (siehe Info). Auch Johannes B. Kerner hat zwar Nein gesagt, aber das ZDF hätte einen Köder: Den 46-Jährigen, erst vor zweieinhalb Jahren vom ZDF zu Sat.1 abgewandert, könnte zusätzlich die Moderation der Fußball-Champions-League locken, die 2012 von Sat.1 zum ZDF wechselt. Wobei nach Ansicht von Medienexperten dem wuseligen Kerner die Lässigkeit fehlt, die gerade Gottschalks Auftritte ausgezeichnet hat.
"Wetten, dass...?": Wetten, die Deutschland bewegten
Kuhschmatzen: Achim Jehler konnte am 8. Dezember 2007 seine Kühe beim Apfelfressen am Schmatzgeräusch erkennen.
Schwerer Unfall: Am 4. Dezember 2010 kam es in der Live-Sendung zum bisher schwersten Unfall. Der angehende Schauspieler Samuel Koch stürzte beim Sprung mit Stelzen über ein Auto. Er fiel so unglücklich, dass er seitdem von den Schultern ab gelähmt ist. Koch wird noch immer in der Schweiz behandelt. Seine Ärzte schließen eine Genesung nicht aus, die Chancen seien aber gering. Showmaster Thomas Gottschalk brach die Sendung direkt nach dem Unfall ab. Im Februar 2011 gab er dann bekannt, dass er die Sendung nach diesem Unfall nicht weitermoderieren wolle.
Schulterzucken, Fußgeruch und Buntstifte: In der "Wetten, dass..?"-Sendung am 30. April 2011 wurden die Lehrerin Julia Thiele (33) und ihr Freund Malte Poppinga (28) Wettkönige. Thiele konnte allein am Schulterzucken ihres Freundes Musiktitel erkennen. Ob dabei alles mit rechten Dingen zuging? Wenigstens einmal hat er seiner Freundin einen Songtitel ("Pretty Woman") deutlich hörbar zugeraunt - Thomas Gottschalk und das ZDF bemerkten nichts und ließen das durchgehen. Auch davor standen Wettkandidaten immer wieder unter Schummel-Verdacht. Im Oktober 2009 erkannte der 47-jährige Thomas Schuster 23 Frauen mit verbundenen Augen an ihrem Fußgeruch. Der "Stiefel-Schnüffler" weigerte sich aber, sein Können noch einmal in einer ZDF-Show zu beweisen. Ob ein Team von Schmieden 2006 ohne Tricks auf heißen Pferdehufen Spiegeleier briet, bleibt auch so ein Geheimnis. Nur ein Betrug wurde bisher entlarvt: 1988 schlich sich "Titanic"-Redakteur Bernd Fritz in die Sendung ein und behauptete, die Farbe von Buntstiften am Geschmack zu erkennen. In Wirklichkeit linste er unter seiner Augenbinde hindurch.
Hundespielzeug: Der Border-Collie "Rico" verblüffte am 23. Januar 1999 die Zuschauer, weil er 77 Spielzeuge am Namen unterscheiden konnte. Auf Befehl von Frauchen Susanne Baus brachte er den benannten Gegenstand.
Pyramidenfahren: Die Motorrad-Sportgruppe der Berliner Polizei bildete mit 84 Polizisten auf neun Motorrädern eine Pyramide und fuhr so 100 Meter weit. Am 29. Oktober 1994 stellte sie damit einen Weltrekord auf.
Papierboot: Andrea Schager, Andreas Reiser und Monika Schrak falteten am 15. September 1990 in vier Minuten ein Papierboot und paddelten damit in einem Schwimmbecken 50 Meter weit.
Reifenwechsel: Am 21. Februar 1987 gelang es einem Kandidaten, während der Fahrt einen Autoreifen zu wechseln.
Gute Tat: Die dritte Sendung von "Wetten, dass..?" am 16. Mai 1981 veränderte das Leben von Millionen Menschen in Äthiopien. Der Schauspieler Karlheinz Böhm, bis dahin vor allem bekannt aus romantischen "Sissi"-Filmen, wettete, dass nicht "jeder dritte Zuschauer eine Mark, einen Schweizer Franken oder sieben österreichische Schilling für Menschen in der Sahelzone spendet". Es kamen zwar auf Anhieb 1,2 Millionen D-Mark zusammen, dennoch behielt Böhm Recht. Er leistet seitdem mit seiner Stiftung "Menschen für Menschen" Entwicklungshilfe in Äthiopien.
Und so verbindet man „Wetten, dass..?“ eben mit dem 61-jährigen gebürtigen Bamberger, der am 26.September 1987 die Show von ihrem Erfinder Frank Elstner übernommen hatte. 1992 stieg Gottschalk aus, um bei RTL eine Late-Night-Sendung zu moderieren. 1994 aber kehrte er zurück, nachdem sein Nachfolger Wolfgang Lippert beim ZDF gehen musste.
Gottschalk und „Wetten, dass..?“. Das waren viele Gehröcke und Schleifen am Hals und eine Frisur, die allen modischen Wandlungen trotzte. Nie zögerte er, sich selbst zum Kasperl zu machen, wenn er eine Wette verloren hatte. Unvergessen ist sein grüner Kermit-Einteiler, mit dem er im Bodensee baden ging. Dem Affen Zucker geben, das konnte er, so wie die Entertainer Amerikas.
Plan B ist Rentner in Malibu
Die Absagen für «Wetten, dass..?»
«Ich arbeite mit dem ZDF an einer Reihe von neuen Shows, aber »Wetten, dass..?» ist dabei kein Thema.» (Jörg Pilawa)
«RTL, Das Erste und ZDF - drei Sender wären nicht nur für mich einer zu viel. Ich möchte mich weiter auf »Wer wird Millionär?» und meine Gesprächssendung am Sonntagabend konzentrieren.» (Günther Jauch)
«Ich bin für eine Castingshow mit dem Titel »Wir finden einen Moderator - Wetten, dass..?» - und die würde ich gern moderieren.» (Inka Bause)
«Natürlich kitzelt es die Eitelkeit, wenn man bei solch einem bedeutenden Format im Gespräch ist. Aber man muss doch eine gesunde, professionelle Distanz zu sich und seiner Arbeit haben, und ich habe in den letzten Jahren einen Weg eingeschlagen, der von der großen Showbühne eher wegführt.» (Markus Lanz)
«Ich möchte nicht Nachfolgerin von Thomas Gottschalk werden. Das ist der schwerste Job der Welt.» (Barbara Schöneberger)
«Ich spiele gern Sketche, co-moderiere gern ein Event wie den Eurovision Song Contest, aber ich bin keine Rampensau.» (Anke Engelke)
«Ich kann mir schwer vorstellen, dass es ohne Thomas Gottschalk funktioniert. Das Beste wäre, wenn das ZDF »Wetten, dass..?» nicht fortführen würde.» (Bastian Pastewka)
«Ich bin mit Leib und Seele Sportreporter, da hatte ich die große Bühne wie Fußball-Weltmeisterschaft und habe jetzt die Champions League. Das ist meine Welt. Ich hätte übrigens den perfekten Nachfolger für Thomas Gottschalk: Thomas Gottschalk. Er hat ja schon mal aufgehört und wieder angefangen. Es gibt eben bestimmte Leute, die passen wie Faust aufs Gretchen auf eine Sendung. Das ist bei Thomas Gottschalk und »Wetten, dass..?» eben so.» (Johannes B. Kerner)
Ab 23. Januar plaudert er nun im Ersten vor der „Tagesschau“. Sollte das nicht funktionieren, hat Kalifornien-Liebhaber Gottschalk einen Plan B: „Und der heißt Rentner in Malibu.“ Was seinen Nachfolger angeht, hält er sich raus. „Helmut Schmidt würde auf jeden Fall Peer Steinbrück empfehlen.“ Aber bekanntlich hat der SPD-Politiker Steinbrück andere Pläne.
Apropos Gehrock: Am Samstagabend will sich Deutschlands Tommy im Smoking von „Wetten, dass..?“ verabschieden.