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Wien: Tierschützer gegen Fiaker: Streit um ein lebendes Wahrzeichen Wiens

Wien

Tierschützer gegen Fiaker: Streit um ein lebendes Wahrzeichen Wiens

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    Fiaker sind in Wien schon seit Jahren umstritten. Doch strengere Vorschriften blieben aus.
    Fiaker sind in Wien schon seit Jahren umstritten. Doch strengere Vorschriften blieben aus. Foto: Robert Michael, dpa

    Sich einmal wie ein echter Kaiser fühlen: Im ledergepolsterten Fond eines Zweispänners gemächlich durch die Gassen des Ersten Wiener Bezirks kutschieren, von den Plätzen der Hofburg aus auf den Ring, die von den Habsburgern erbaute Prachtstraße mit der Staatsoper, zum Parlament und dem weltbekannten Burgtheater. Wer vor allem wegen des k. u. k.-Charmes als Tourist oder Urlauberin in die österreichische Hauptstadt kommt, für den oder die ist sie oft ein Muss, die Fahrt mit dem Fiaker.

    Vorne am Kutschbock sitzt dann meist ein echtes „Wiener Original“, der Fiaker eben, standesgemäß gewandet mit schwarzem Gilet, englischer Melone sowie Schnauzbart und erklärt mit dem zugehörigen Wiener Zungenschlag allerlei Wissenswertes über die Geschichte der ehemaligen Habsburger-Metropole. Wer etwas zu feiern hat, eine Hochzeit beispielsweise, bestellt für die Fahrt gerne eine Flasche Champagner dazu. Aneinandergereiht stehen Kutschen und Pferde am Stephansplatz neben dem Dom oder am Michaelerplatz vor der Hofburg – und das bei jedem Wetter.

    Schon seit Jahren gibt es Streit um die Fiaker in Wien

    Die Fiaker sind für die einen ein Wiener Klischee, für die anderen ein Wahrzeichen der Hauptstadt, ebenso wichtig wie Stephansdom, Hofburg und das Schloss Schönbrunn. Nun aber könnten die Pferdekutschen, die seit hunderten Jahren nicht wegzudenken sind aus der Wiener Innenstadt, bald Geschichte sein.

    Freilich: Der Streit um die Fiaker schwelt in Wien schon seit Jahren. Immer wieder kollabieren Pferde im Getümmel von Touristen und dem dichten Verkehr auf der Ringstraße. Oder sie scheuen. Immer wieder kommt es auch zu Unfällen mit Autos. Die Corona-Pandemie setzte auch dem Fiaker-Gewerbe, das in der österreichischen Wirtschaftskammer gemeinsam mit den Taxifahrern organisiert ist, zu: Fahrverbote aufgrund der Corona-Maßnahmen und der Komplettausfall des Städtetourismus bedeuteten für viele Fiaker beinahe den wirtschaftlichen Ruin. Staatliche Hilfen seien meist nicht zum Tragen gekommen, es sei „eine Minute vor zwölf“, klagten zu Beginn der Pandemie Fiaker und Branchenvertreter, die sich zur Initiative „Pro-Fiaker-Kultur“ zusammengeschlossen hatten.

    Gesundheitsminister Johannes Rauch hält Fiaker für aus der Zeit gefallen

    Die Rekordhitze, die der Klimawandel mit sich bringt, veranlasst nun aber vor allem Tierschutz-Organisationen, den Druck für ein Fiaker-Verbot zu erhöhen. Der Verein „Vier Pfoten“ und der „Verein gegen Tierfabriken“ kämpfen seit Jahren dafür: Für die Pferde würden vor allem Hitzetage in der Innenstadt eine enorme Belastung darstellen. Dazu kämen Lärm, Abgase und der enorme Stress, den der Trubel in der Innenstadt für die Tiere bedeute. Vergangene Woche bekamen die Tierschützer gewichtige Unterstützung: Der grüne Gesundheitsminister Johannes Rauch, der auch für den Tierschutz zuständig ist, hält die Fiaker für „ein bisschen aus der Zeit gefallen“. Abseits von der Frage der Hitze, sagte Rauch in einem ORF-Interview, solle man sich „Gedanken machen, nämlich wirklich aus Gründen des Tierschutzes, ob man ein Pferd diesem Stress aussetzen sollte“. Aktuell gilt in Wien ab 35 Grad ein Fahrverbot für Fiaker, eine Debatte über die Absenkung des Limits auf 30 Grad versandete. Die Stadt Wien und der Bund schieben sich in der Fiaker-Frage nur gegenseitig den Ball zu.

    Minimalforderung von Tierschützerin: 30-Grad-Limit für Fiaker

    Für Veronika Weissenböck, Kampagnenleiterin des Vereins „Vier Pfoten“, ist ein 30-Grad-Limit „eine Minimalforderung“. Im Interview mit unserer Redaktion zeichnet sie ein fatales Bild der Lage der rund 300 Wiener Fiaker-Pferde: „Man vergisst häufig, dass die Tiere nicht nur stundenlang entweder auf den Standplätzen stehen müssen, sondern nach ihrem Einsatz vielfach auch kilometerweit im Stadtverkehr heim in ihre Stallungen müssen“, sagt die Tierschützerin.

    Nicht immer würden sie dort wirklich artgerecht gehalten. „Oft leben die Tiere auf recht engem Raum in umgebauten Garagen in den Außenbezirken.“ Zwar seien auf Standplätzen Kontrollen vorgesehen, „doch diese gibt es nur stichprobenartig“, sagt Weissenböck. Sie kritisiert, dass die Tiere vielfach keinen Zugang zu notwendigem Futter wie Heu hätten, „zudem haben sie den ganzen Tag das Zaumzeug im Maul und können deshalb nicht anständig kauen und schlucken“. Zu vier Unfällen sei es allein im vergangenen Jahr gekommen: Im Mai 2021 kollabierte etwa ein Lipizzaner und starb an Ort und Stelle, im August wurde ein zweijähriges Mädchen schwer verletzt, als es aus einer Kutsche fiel und vom Gespann überrollt wurde. „Fiaker in der Innenstadt sind nicht mehr zeitgemäß, wenn, dann gehören sie in den grünnahen Bereich, etwa nach Schönbrunn.“

    Den Vorwurf, sie würden sich nicht um ihre Pferde kümmern, weisen die Fiaker freilich entschieden zurück: Die Pferde seien sowohl an den Lärm als auch an die Hitze gewöhnt, sagte etwa der Kutscher Wolfgang Fasching in einer ORF-Diskussion mit Weissenböck. Er betonte, dass ein Fiaker-Pferd in Wien dem Gesetz nach maximal 18 Tage im Monat arbeiten darf. Pferd und Fahrer seien aufeinander angewiesen: „Wenn es einem meiner Tiere schlecht geht, dann geht es mir auch schlecht.“

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