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Urlaub: Türkei-Reisen werden für Touristen immer mehr zum Risiko

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Türkei-Reisen werden für Touristen immer mehr zum Risiko

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    Türkei-Reisen, hier: Istanbul, enden oft anders als erwartet.
    Türkei-Reisen, hier: Istanbul, enden oft anders als erwartet. Foto: Sedat Suna, dpa

    Urlauber mit Ziel Türkei können sich ihrer Ferien derzeit nicht sicher sein. So wurde ein Ehepaar aus Hamburg im Alter von 63 und 55 Jahren am 9. August auf einem Istanbuler Flughafen in Polizeigewahrsam genommen und verhört. Wie der Sohn im Gespräch mit unserer Redaktion erklärt, seien sie nach zwölf Stunden Verhör vom Flughafen zum Untersuchungsgericht gebracht worden.

    In dem Transport waren weitere etwa 25 Personen gewesen, die aus dem Polizeigewahrsam im Flughafen dem Untersuchungsrichter vorgeführt werden sollten. Unter ihnen, so berichteten die Eltern ihrem Sohn telefonisch, europäische Urlauber und türkische Staatsbürger aus der Gülen-Bewegung, die mit dem Flugzeug nach Europa hatten ausreisen wollen. Das Ehepaar lebt seit 25 Jahren in Hamburg und besitzt die türkische Staatsbürgerschaft. Beide wurden am folgenden Tag auf freien Fuß gesetzt, eine Ausreisesperre besteht nicht.

    62 Deutsche befinden sich in der Türkei in Haft

    Auch die Zahl der Deutschen, die in der Türkei verhört und an der Heimreise gehindert werden, steigt. Auf Anfrage unserer Redaktion gab das Auswärtige Amt jetzt Zahlen bekannt. Demnach befinden sich derzeit 62 Deutsche in Haft, gegen weitere 38 deutsche Staatsbürger bestehen Ausreisesperren. Dies sind Mindestangaben, denn nicht jeder, der an der Grenze oder im Land festgehalten wird, schaltet das Konsulat ein. Auch Doppelstaatler sind in dieser Statistik nicht enthalten, da die türkischen Behörden nicht verpflichtet sind, diese für die konsularische Betreuung zu melden.

    Die Öffentlichkeit in Deutschland erhält nur von wenigen dieser Fälle Kenntnis. Gelangen Informationen an deutsche Nachrichtenagenturen oder Redaktionen, bitten viele der Betroffenen aus Angst vor polizeilichen Repressalien um Stillschweigen. So in dem Fall eines Urlaubers aus Bayern, der seit Anfang August mit einer Ausreisesperre in der Türkei festgehalten wird. Nach Berichten von NDR, WDR und Süddeutsche Zeitung nahm die Polizei in Antalya zeitgleich den Touristen Osman B. in Gewahrsam. Er sitzt seither in U-Haft. Ende Juli erwischte es den Bremer Sozialarbeiter Özgür C., der verhört wurde, auf freien Fuß kam, jedoch eine Ausreisesperre erhielt. Er durfte am 13. August wieder nach Deutschland zurück.

    Die drei sind deutsche Staatsbürger kurdischer Herkunft. Die Polizei legte ihnen jeweils türkeikritische Äußerungen auf Facebook zur Last, die zum Teil bis zu vier Jahre zurückreichen. Mahmut Canbay, Intendant des Hamburger Mut!theaters und Deutscher mit kurdischen Wurzeln, wurde ebenfalls am Flughafen festgehalten, verhört und musste anschließend das Land verlassen.

    Gegen kritische Türkei-Urlauber gibt es Drohungen

    Ali Ertan Toprak, CDU-Mitglied und Bundesvorsitzender der Kurdischen Gemeinde Deutschland, sieht eine Kampagne gegen Erdogan-kritische Deutsche und Deutschtürken. Eine große Rolle spielten Denunziationen in Deutschland, zu denen in türkischen Medien seit drei Jahren verstärkt aufgerufen wird. Er selbst erhielt erst vor wenigen Tagen die letzte Drohung auf Deutsch: „Ali, gehst du diesen Sommer in der Türkei Urlaub machen? Wenn ja, wir bereiten dir einen schönen Empfang vor.“ Toprak wünscht sich für die Urheber solcher Drohungen und für die Weitergabe von Daten an türkische Konsulate nicht nur straf-, sondern auch aufenthaltsrechtliche Konsequenzen.

    Die Augsburger Bundestagsabgeordnete Claudia Roth (Grüne) nennt die Vorfälle „Geiselnahmen“ und fordert ein Eingreifen der Bundesregierung. Auch der bayerische Landtagsabgeordnete Cemal Bozoglu ist empört. „Wir sehen vermutlich nur die Spitze des Eisbergs. Die Bundesregierung muss reagieren, sie darf dieser Einschüchterungskampagne auf ihrem eigenen Staatsgebiet nicht einfach weiter zuschauen.“ Eine Verschärfung der Reisehinweise ist derzeit allerdings nicht geplant, wie es aus dem Auswärtigen Amt heißt.

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