Es gibt schönere Ecken als den sogenannten Euref-Campus im Berliner Bezirk Schöneberg. Das „Europäische Energieforum“ – laut Eigenwerbung ein Vorbild für die klimaneutrale, ressourcenschonende und intelligente Stadt von morgen - will konzeptionell in die Zukunft blicken, macht mit seinem architektonischen Einerlei aber wenig Lust darauf. Insofern bot der Campus den passenden Rahmen für das erste Sondierungstreffen von Union und Grünen: Man hat grundsätzlich viel vor, die Aussichten jedoch sind eher trübe. Inhaltlich gibt es noch viel Trennendes zwischen beiden Seiten. Und geht man nach der Mimik der beteiligten Parteivorsitzenden, so wird das mit der Ampel aus SPD, Grünen und FDP wohl eher was als mit der Jamaika-Koalition.
Die Gesichter der Grünen- und Unions-Verhandelnden wirkten düster
Als die Grünen-Vorsitzenden Annalena Baerbock und Robert Habeck mit CDU-Chef Armin Laschet und dem CSU-Vorsitzenden Markus Söder nach rund zweieinhalbstündigen Beratungen vor die Presse traten, wirkten ihre Gesichter jedenfalls noch düsterer als das graue Berliner Wetter. Einzig Markus Söder hatte etwas Spaß, er übernahm die Initiative und regelte die Reihenfolge auf der Bühne. „Ich gehe nach außen“, gab der Bayer vor, und damit ergab sich der Rest der Aufstellung. Übrigens kein unwichtiges Detail, denn in der großen Journalistengruppe war vorher schon spekuliert worden, wer nun wohl wo stehen mag. In Zeiten, in denen über Inhalte Stillschweigen vereinbart wird, können aus solch kleinen Details übergroße Geschichten werden.
Es war Markus Söder, der noch am weitesten Einblick in das gab, was Grüne und Union zu besprechen hatten. Demnach näherte man sich bei vielen wichtigen Themen „gut an“. Söder nannte das Klima, räumte beim wichtigen Punkt Migration hingegen „weiteren Gesprächsbedarf“ ein. Der bayerische Ministerpräsident betonte für die Union das „Interesse, weiter zu reden und weiter im Gespräch zu bleiben“. Armin Laschet sah das ähnlich. Der Aachener sprach von einem „guten Austausch“, bei dem auch Gegensätze offen geworden sein. „Es ist aber nicht so, dass Gegensätze nicht auch überwindbar sind.“
Habeck will die Aufstellung der Union nicht kommentieren
Baerbock erklärte, man habe „konstruktiv und sachlich miteinander gesprochen“. Klar sei, dass Union und Grüne „in gesellschaftspolitischen Bereichen eher weiter auseinander“ stünden. Es gebe aber auch gemeinsame Anliegen, die Spitzenkandidatin nannte die Bereiche Digitalisierung und technologische Transformation. Ob die Indiskretionen im Vorfeld die Gespräche belasteten? Robert Habeck wies das zurück. „Die innere Aufstellung von Parteien werden wir nicht kommentieren“, erklärte er.
Das Treffen markierte gleichzeitig das erste Etappenziel der Sondierungsgespräche. Jede Partei hat jetzt mit jeder gesprochen, bereits am Dienstag begannen bei den Grünen die internen Auswertungen, die mindestens bis auf Mittwoch ausgedehnt werden sollen. Die FDP-Spitze will am Mittwochvormittag beraten, Liberale und Grüne sind zunächst die entscheidenden Akteure. Sie müssen sich unter- und gegebenenfalls auch miteinander darüber verständigen, ob sie für Rot-Grün-Gelb oder für Schwarz-Grün-Gelb spielen wollen.
Die Grünen streben eine Ampel-Koalition mit SPD und FDP an, schließen aber auch ein Bündnis mit Union und FDP nicht aus. FDP-Chef Christian Lindner hingegen hatte schon vor der Bundestagswahl nie einen Hehl daraus gemacht, dass er am liebsten mit der Union eine Regierung bilden würde. Wie das Sondierungsspiel ausgeht, ist noch völlig offen, Festlegungen gibt es bislang keine. Inhaltlich hätten sowohl Jamaika wie auch die Ampel noch große Brocken beiseite zu räumen. Was jedoch die nicht ganz unwichtigen persönlichen Sympathien angeht, deutet der bisherige Verlauf auf leichte Vorteile für SPD, Grünen und FDP.
In der Union rumort es nach dem Wahldebakel
Womöglich wird die Partie ohnehin an anderer Stelle entschieden. Denn in der CDU rumort es weiter, der Druck auf den Vorsitzenden Armin Laschet lässt nicht nach. Aus dem Umfeld des Konrad-Adenauer-Hauses verlautete, dort stehe für ein klärendes Gespräch in größerer Runde noch in dieser Woche organisatorisch alles bereit. Sollte der Mannschaftsführer der CDU jedoch frühzeitig vom Platz gehen, wäre das wohl das Ende von Jamaika. Robert Habeck jedenfalls betonte: „Wir gehen davon aus, dass Armin Laschet als Spitzenkandidat und auch heute als Sprecher der CDU-Seite der gesetzte Kandidat der Union für das Kanzleramt in Deutschland ist, sofern es eine parlamentarische Mehrheit dafür geben sollte.“