Startseite
Icon Pfeil nach unten
Politik
Icon Pfeil nach unten

Debatte: An ihm scheiden sich die Geister: Der talentierte Herr Lindner

Debatte

An ihm scheiden sich die Geister: Der talentierte Herr Lindner

    • |
    Christian Lindner ließ die Jamaika-Verhandlungen platzen.
    Christian Lindner ließ die Jamaika-Verhandlungen platzen. Foto: Bernd von Jutrczenka/dpa

    Ist er ein Held oder ein Hasardeur? Ein politischer Superstar, der erst die FDP rettete und dann heroisch Angela Merkel die Grenzen ihrer Macht aufzeigte, oder ein Schurke, der Politik als Spiel betrachtet und ausschließlich seinen persönlichen Vorteil sucht? Auch über eine Woche nachdem Jamaika geplatzt ist und sich immer klarer der Weg in eine nächste Große Koalition abzeichnet, scheiden sich an Christian Lindner die Geister.

    Die einen feiern ihn, weil er den Mut aufbrachte, dem geballten Druck von CDU, CSU und Grünen zu widerstehen und einen schlechten Deal abzulehnen. Die anderen kritisieren ihn als Angsthasen, der zwar im Wahlkampf vollmundig Mut und Verantwortung einforderte, aber dann, als es darauf ankam, selber kniff und sich vom Acker machte wie schon 2011 als FDP-Generalsekretär.

    Als Kritiker der möglichen GroKo ist er unglaubwürdig

    Dass er in der Beurteilung der Sondierungen zu einem komplett anderen Ergebnis gekommen ist als alle anderen, ist sein gutes Recht. Wer aber den politischen Stillstand anprangert, darf sich nicht beklagen, wenn es durch sein eigenes Verhalten beim Stillstand bleibt.

    Als Kritiker einer möglichen Großen Koalition jedenfalls ist Christian Lindner unglaubwürdig, ist er doch selber der größte Geburtshelfer dieser Koalition. Wenn es wirklich sein Ziel gewesen sein sollte, zusammen mit der CSU und den konservativen Kräften der CDU Angela Merkel zu stürzen, so hat er das Gegenteil erreicht. Merkel sitzt auch nach den Sondierungen fest im Sattel. Ein Eigentor.

    Gleichzeitig wäre Jamaika die einmalige Chance gewesen, die Grünen dauerhaft ins sogenannte bürgerliche Lager zu holen und somit eine rot-rot-grüne Mehrheit auf absehbare Zeit unmöglich zu machen. Diese Chance ist vertan – noch ein Eigentor.

    Lindner widerstand der Verlockung der Macht

    Lindner gibt sich davon allerdings völlig unbeeindruckt. Denn er, der sich im Wahlkampf als junger, cooler, unangepasster Typ inszeniert hat, als eine Art James Dean der Liberalen, hat mit seinem spektakulären Abgang sein Image aufgewertet und seine Marke als Anti-Politiker weiter gestärkt. Den Beifall erhält er, weil er sich angeblich nicht verbiegen ließ, ihm seine Haltung wichtiger war als die öffentliche Meinung und er den Verlockungen der Macht widerstand.

    Tatsächlich aber verstärkt Christian Lindner, obgleich selber ein ebenso selbstbewusster wie machthungriger Politiker, die vorhandenen Reflexe gegen die Politiker und stellt sich moralisch über jene, die tatsächlich bereit sind, Verantwortung zu übernehmen und in schwierigen Zeiten zu regieren. Mehr noch, Lindner simuliert durch sein Verhalten eine Stärke, die er in Wahrheit nicht hat. Er gibt vor, stark zu sein, weil er lieber nicht als falsch regiert, doch er überdeckt damit nur seine Schwäche, weil er im entscheidenden Moment Angst vor der eigenen Courage bekommen hat. Natürlich wäre es für die FDP, die vier Jahre nicht dem Bundestag angehörte und mit einer Vielzahl an unerfahrenen Neulingen zurückgekehrt ist, in einem Bündnis mit CDU, CSU und Grünen schwer geworden, sich zu behaupten. Natürlich ist es bequemer, vier Jahre lang auf der Oppositionsbank alles zu kritisieren, als in einer Koalition schwierige Kompromisse zu schmieden. Und doch macht genau dies das Wesen von Politik aus: Es reicht nicht, es besser zu wissen, man muss es besser machen.

    Das ist Christian Lindner

    Christian Wolfgang Lindner wurde 1979 in Wuppertal geboren.

    Zwischen 2000 und 2009 war er Mitglied im Landtag in Nordrhein-Westfalen. Dort ist er seit 2012 auch wieder vertreten.

    Zwischen 2009 und 2012 war Lindner Mitglied des Deutschen Bundestages.

    2009 bis 2011 war Lindner Generalsekretär der Bundes-FDP.

    Von 1999 bis 2006 studierte Lindner Politikwissenschaft, Staatsrecht und Philosophie in Bonn.

    Während seines Studiums schlug er eine Reserveoffizierslaufbahn bei der Luftwaffe ein.

    Lindner war schon als freiberuflicher Unternehmensberater tätig.

    Auf den Rat seines Vaters hin trat Lindner mit 16 Jahren der FDP bei.

    Lindner ist seit August 2011 mit der Zeit-Journalistin Dagmar Rosenfeld-Lindner verheiratet.

    Nach der Wahl-Schlappe der FDP 2013 wird der inzwischen 34 Jahre alte Christian Lindner im Dezember 2013 zum FDP-Chef gewählt.

    Aber darauf kommt es Christian Linder wohl nicht an. Er hat ein größeres Ziel vor Augen: noch mehr Macht. Eine Regierungsbeteiligung zum jetzigen Zeitpunkt kommt zu früh für ihn, würde ihn und seine FDP zerreiben. Er ist jung, er hat Zeit: Noch eine Große Koalition, noch einmal vier Jahre Merkel, dann, so kalkuliert er, ist der Weg für einen wie ihn frei.

    Wir wollen wissen, was Sie denken: Die Augsburger Allgemeine arbeitet daher mit dem Umfrageinstitut Civey zusammen. Was es mit den Umfragen auf sich hat und warum Sie sich registrieren sollten, lesen Sie hier.

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden