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Analyse: SPD profitiert nicht von der Schwäche der CSU

Analyse

SPD profitiert nicht von der Schwäche der CSU

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    Andrea Nahles, Bundesvorsitzende der SPD, besuchte das Bundespolizeiaus- und Fortbildungszentrum im fränkischen Bamberg und holte sich in der Polizeikantine ein Tablett mit Essen.
    Andrea Nahles, Bundesvorsitzende der SPD, besuchte das Bundespolizeiaus- und Fortbildungszentrum im fränkischen Bamberg und holte sich in der Polizeikantine ein Tablett mit Essen. Foto: Sven Hoppe, dpa

    Die Chefin kommt. Zwei Tage lang reist die SPD-Vorsitzende Andrea Nahles durch Franken. Sie besucht das Ausbildungszentrum der Bundespolizei in Bamberg, die Siemens AG in Erlangen und ein Mehrgenerationenhaus in Fürth, spricht mit der Bürgermeisterin von Dietfurt im Altmühltal über die Herausforderungen von Kommunen im ländlichen Raum und besichtigt eine Brauerei in Neumarkt in der Oberpfalz. Termine so schön wie das Wetter, gute Bilder sind damit quasi schon garantiert. Und die örtlichen Kandidaten der SPD für die Landtagswahl im Oktober freuen sich über die prominente Unterstützung im Wahlkampf.

    SPD droht bei Landtagswahl in Bayern ein Desaster

    In den internen Gesprächen dürfte es hingegen weniger freundlich zugehen. Denn bei den Landtagswahlen droht der ohnehin wenig erfolgsverwöhnten SPD im weiß-blauen Freistaat ein Desaster. Wenn es schlimm kommt, landet sie hinter der CSU, den Grünen und der AFD nur auf dem vierten Platz. Dabei wären die Voraussetzungen für die Oppositionspartei noch nie so gut gewesen wie in diesem Jahr. Die CSU ist nur noch ein Schatten ihrer selbst, hypernervös und völlig neben der Spur.

    Horst Seehofer, Markus Söder und Alexander Dobrindt reiben sich im Kampf um die Nachfolge an der Spitze der Partei auf, der Noch-Parteichef Seehofer irrlichtert durch Berlin und verstört die eigenen Parteifreunde wie die Schwesterpartei CDU mit seinen unberechenbaren Auftritten, während der Ministerpräsidenten-Novize Söder noch seine Rolle sucht und mal den harten Hund und mal den milden Landesvater gibt.

    Doch die SPD kann davon nicht profitieren. In Bayern nicht – und auch nicht auf Bundesebene, obwohl sie im Gegensatz zur CDU den Personalwechsel an der Parteispitze bereits hinter sich hat und sich nach der überfälligen Klärung der Personalfragen nun um die Programmdebatte kümmern kann. Neue Akzente hat die neue starke Frau, Partei- und Fraktionschefin Andrea Nahles, bislang allerdings noch nicht gesetzt, mit eigenen Themen ist sie nicht aufgefallen. Nicht einmal vom nur mühsam beigelegten Streit um die Zurückweisungen an der deutschen Grenze zwischen CDU-Bundeskanzlerin Angela Merkel und CSU-Innenminister Horst Seehofer konnten die Sozialdemokraten profitieren, mehr schlecht als recht dümpeln die Umfragewerte dahin.

    Wofür steht die SPD eigentlich?

    Da hilft es auch nichts, dass ihr die beiden Parteiflügel noch einmal demonstrativ zur Seite springen. „Andrea Nahles zeigt einen irrsinnigen Einsatz“, sagt Juso-Chef Kevin Kühnert. „Sie nimmt sich wahnsinnig viel Zeit für persönliche Rücksprachen, ruft auch früh morgens oder spät abends noch einmal an.“ Bei der Erneuerung der Partei müssten auch die Mitglieder mitziehen, einige machten es sich zu bequem und warteten auf Erneuerung von oben. „Da hat Nahles eine Motivationsaufgabe“, sagt Kühnert.

    Auch Johannes Kahrs, einer der Sprecher des konservativen Seeheimer Kreises, lobt: Sie halte den Laden zusammen. „Ich bin ja kein Mitglied des Nahles-Fanklubs, aber ehrlicherweise macht sie es großartig“, sagt Kahrs.

    Doch bei aller zur Schau gestellten Harmonie bleibt eben die alte Frage: Wofür steht die SPD eigentlich? Und was unterscheidet sie von den anderen Parteien? Die Minister im Kabinett sind fleißig und solide, arbeiten konsequent die Vereinbarungen des Koalitionsvertrags ab und sorgen auf diese Weise für die Stabilität der Bundesregierung, die zuletzt von der CSU arg infrage gestellt wurde. Aber das ist auf Dauer zu wenig.

    Die Zeiten, in denen die SPD an der Spitze des gesellschaftlichen Fortschritts marschierte und den Willen wie die Entschlossenheit hatte, den sozialen Wandel aktiv zu gestalten, sind längst vorbei. Mehr denn je versteht sich die SPD als Betriebsrat der Nation, als bloßer Reparaturbetrieb, der nur noch die schlimmsten Auswüchse der ökonomischen und sozialen Veränderungen verhindern will.

    Die Themen aber setzen andere. Die AfD bei der Ausländerpolitik, die Grünen bei der Umwelt- und einer linken Asylpolitik, die FDP bei der Wirtschafts- und Finanzpolitik, die Linke als Anti-Hartz-IV-Partei – und die Union hat längst die Sozialpolitik für sich gekapert. Im Gegensatz dazu bietet die SPD von allem ein bisschen was, aber von nichts genug. Sie hat kein Alleinstellungsmerkmal, steht der Union in vielen Punkten näher als der Linkspartei, was ein rot-rot-grünes Bündnis als Alternative zur Großen Koalition praktisch unmöglich macht, den Genossen im bürgerlichen Lager aber keine Stimmen bringt.

    Gelingt Andrea Nahles der Befreiungsschlag? Wenig spricht dafür. Zu sehr verkörpert sie die alte SPD, die sich in den langen Regierungsjahren unter Angela Merkel programmatisch regelrecht ausgezehrt hat. Zu lange schon gehört sie dem Establishment der Partei an, als dass sie glaubhaft für den versprochenen und dringend benötigten Aufbruch und Neuanfang stehen kann. Die schönen Sommerbilder vom Ausflug nach Franken sind bald schon vergessen, spätestens nach den Wahlen in Bayern und Hessen im Oktober dürfte der mühsam erreichte Burgfrieden Geschichte sein. Aber auch das ist nichts Neues bei den Sozialdemokraten. Die Chefs kommen und gehen, ohne dass der Niedergang der Partei aufgehalten wird.

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