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Anschläge: Abschiebung ohne Tabus? - Bayern will Hürden senken

Anschläge

Abschiebung ohne Tabus? - Bayern will Hürden senken

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    Der Attentäter von Ansbach sollte abgeschoben werden. Warum war er noch in Deutschland?
    Der Attentäter von Ansbach sollte abgeschoben werden. Warum war er noch in Deutschland? Foto: Archivbild: Christian Charisius/dpa

    Der Attentäter von Ansbach war ein syrischer Flüchtling, der nach Bulgarien abgeschoben werden sollte. Er war in Deutschland nur noch geduldet. Sein Fall bringt jetzt eine neue Debatte über eine schnellere und strengere Abschiebung von abgelehnten Asylbewerbern in Gang.

    Wer fordert jetzt was?

    Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) will Flüchtlinge schon bei geringen Straftaten konsequent abschieben. Das dürfe nicht erst bei Mord und Totschlag möglich sein. "Auch die Abschiebung in Krisengebiete darf kein Tabu sein." In Afghanistan zum Beispiel gebe es durchaus Regionen, in denen ein Aufenthalt zumutbar sei. Eine Abschiebung dürfe auch nicht ohne Weiteres an medizinischen Gründen scheitern. Möglicherweise müssten die europarechtlichen Rahmenbedingungen verändert werden.

    Warum sollte der Attentäter abgeschoben werden?

    Diagramm: Abschiebungen aus Deutschland, so ist das Verfahren
    Diagramm: Abschiebungen aus Deutschland, so ist das Verfahren Foto: Dpa-infografik Gmbh

    Der 27-jährige Syrer hat im August 2014 einen Asylantrag beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) gestellt, der Anfang Dezember abgelehnt wurde. Sein Anspruch auf Asyl wurde zwar nicht infrage gestellt, denn er kam aus einem Krisengebiet. Er hatte aber bereits im Jahr 2013 in Bulgarien - einem sicheren Drittstaat - einen Schutzstatus erhalten. Zunächst war für die deutschen Behörden auch kein Abschiebungsschutz erkennbar. Der Mann wurde daher aufgefordert, Deutschland in Richtung Bulgarien zu verlassen.

    Warum verzögerte sich die Abschiebung?

    Weil der Mann vor dem Verwaltungsgericht in Ansbach klagte. Später wurde die Abschiebungsanordnung laut Herrmann (CSU) aufgehoben. Die Gründe dafür sind unklar. Möglicherweise hängt die Entscheidung mit einem ersten Suizidversuch des Mannes zusammen. Im Februar 2015 erhielt er eine Duldung, die danach mehrfach verlängert wurde. Im Juli 2016 forderte das BAMF den Syrer erneut auf, Deutschland innerhalb von 30 Tagen zu verlassen. Dagegen klagte der 27-Jährige dann nicht mehr.

    Wie läuft das Prozedere generell ab?

    Wer keinen Erfolg mit seinem Asylantrag hat, wird vom BAMF zur Ausreise aufgefordert - innerhalb einer bestimmten Frist. Wie viele dem folgen, wird nirgends festgehalten. Andere beantragen finanzielle Hilfe für die Rückreise. Dafür gibt es ein internationales Förderprogramm, in das auch Bund und Länder einzahlen. Jene, die nicht freiwillig gehen, werden oft abgeschoben - also beispielsweise in Polizeibegleitung in ein Flugzeug Richtung Heimat gesetzt. Regelmäßig organisieren die deutschen Behörden auch Charterflüge für größere Gruppen von Menschen, die das Land verlassen müssen. Wer sich dem entzieht, der kann als letztes Mittel in Abschiebehaft landen.

    Wie hat sich die Zahl der Abschiebungen entwickelt?

    Asylverfahren in Deutschland

    Wer in Deutschland Asyl beantragen will, muss sich an eine Erstaufnahme-Einrichtung (EA) des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BANF) wenden. In Bayern gibt es bisher drei: in Zirndorf, München und Deggendorf. Auch alle anderen Regierungsbezirke sollen eine EA bekommen, darunter ist für Schwaben eine für 500 Bewohner in Augsburg an der Berliner Allee geplant. In der EA bleiben Asylsuchende in der Regel zwei bis drei Monate, um anschließend weiterverteilt zur werden.

    Die Verteilung der Asylbewerber wird mithilfe des bundesweiten Verteilungssystems „Easy“ geregelt. Welche Einrichtung für Asylsuchende jeweils bestimmt wird, hängt zum einen von Kapazitäten ab, aber auch davon, aus welchem Land der Asylbewerber kommt. Denn nicht jede Außenstelle des Bundesamts bearbeitet jedes Heimatland.

    Er ist die Grundlage für die Aufnahmequoten der Bundesländer und wird für jedes Jahr entsprechend der Steuereinnahmen und der Bevölkerungszahl der Länder berechnet. 2015 muss Bayern 15,3 Prozent der Asylbewerber aufnehmen. Eine höhere Quote hat nur Nordrhein-Westfalen, hier sind es 21,2 Prozent.

    Asylbewerber werden in Bayern von den Bezirksregierungen entweder in staatliche Gemeinschaftsunterkünfte eingewiesen oder in dezentralen Unterkünften untergebracht, die von den Landkreisen und kreisfreien Städten zur Verfügung gestellt werden müssen.

    Wer Asyl beantragt, wird früher oder später zur Anhörung beim BAMF eingeladen. Dabei sind ein sogenannter „Entscheider“ des Bundesamtes und ein Dolmetscher. Die Entscheidung wird dem Bewerber schriftlich mitgeteilt. Gegen eine ablehnende Entscheidung ist bei den Verwaltungsgerichten Klage möglich.

    2015 gab es laut Bundesinnenministerium 20.888 Abschiebungen - etwa doppelt so viele wie im Jahr zuvor. In den ersten fünf Monaten des laufenden Jahres verließen bereits 11.294 Menschen zwangsweise das Land. Daneben gab es im vergangenen Jahr etwa 37.000 geförderte freiwillige Ausreisen, in den ersten vier Monaten 2016 waren es fast 21.000. Anfang Juni sagte Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU), er wolle die Zahl der Abschiebungen und freiwilligen Ausreisen abgelehnter Asylbewerber trotz Höchstwerten weiter steigern. Wenn die bisherige Entwicklung weitergehe, seien bis zum Jahresende mindestens 90.000 Abschiebungen und freiwillige Rückführungen zu erwarten.

    Warum dauern Abschiebungen so lange?

    Es gibt oft Probleme: Betroffene tauchen kurz vor dem Termin unter oder sie legen ärztliche Atteste vor, weil sie wegen Krankheit reiseunfähig sind - manchmal sind diese Nachweise auch gefälscht. Auch mit einigen Herkunftsländern gibt es Probleme - etwa bei der Ausstellung von Ersatzpapieren.

    Wer trifft die Entscheidungen?

    Abschiebungen sind Sache der Länder - zuständig sind die jeweiligen Ausländerbehörden. Der Bund macht seit langem Druck auf die Länder, abgelehnte Asylbewerber und andere ausreisepflichtige Ausländer - zum Beispiel jene, die in Deutschland straffällig geworden sind - konsequenter in ihre Heimat zurückzuschicken. Manche Landesregierung hält Abschiebungen jedoch für unverhältnismäßig und geht mit diesem Instrument zurückhaltend um. Außerdem fehlt es in manchen Behörden schlicht an Personal.

    Wie viele Menschen gibt es derzeit, die ausreisen müssen?

    Zum Stichtag 30. Juni waren 221.082 Menschen in Deutschland als "ausreisepflichtig" erfasst. Der Großteil (fast 168.212) waren aber Geduldete - also Menschen, deren Asylantrag zwar keinen Erfolg hatte, die aber nicht abgeschoben werden, etwa weil sie krank sind oder keine Papiere haben. Damit blieben 52.870 Menschen, die abgeschoben werden müssten. dpa

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