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Kommentar: Bamf-Affäre: Was wusste die Kanzlerin?

Kommentar

Bamf-Affäre: Was wusste die Kanzlerin?

Rudi Wais
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    In der Bremer Außenstelle des Bamf sollen zwischen 2013 und 2016 mehr als 1200 Menschen ohne rechtliche Grundlage Asyl erhalten haben.
    In der Bremer Außenstelle des Bamf sollen zwischen 2013 und 2016 mehr als 1200 Menschen ohne rechtliche Grundlage Asyl erhalten haben. Foto: Mohssen Assanimoghaddam, dpa

    Peter Altmaier ist ein Minister, wie Angela Merkel ihn sich wünscht: überall einsetzbar, jederzeit verfügbar – und bis zur Selbstverleugnung loyal. Wenn der umtriebige Saarländer die Schuld für die vielen Pannen und Fehlentscheidungen im Bundesamt für Migration und Flüchtlinge nun dem früheren Innenminister Thomas de Maizière in die Schuhe schiebt, tut er das nicht ohne Rücksprache mit der Kanzlerin. Im Bemühen, nur ja nicht selbst in den Skandal hineingezogen zu werden, stempeln sie einen Mann zum Sündenbock, den sie auf dem Gipfel der Flüchtlingskrise selbst entmachtet haben.

    Bundeskanzlerin Angela Merkel unterhält sich bei der Plenarsitzung des Deutschen Bundestages mit Wirtschaftsminister Peter Altmaier.
    Bundeskanzlerin Angela Merkel unterhält sich bei der Plenarsitzung des Deutschen Bundestages mit Wirtschaftsminister Peter Altmaier. Foto: Kay Nietfeld, dpa

    Formell mag de Maizières Innenministerium damals weiter für die „Flüchtlingslage“ verantwortlich gewesen sein, wie es im Behördenjargon heißt. Faktisch war es längst das Kanzleramt. Angela Merkel hatte ihren Vertrauten Altmaier zum Flüchtlingskoordinator der Regierung ernannt, ihm dazu einen eigenen Stab eingerichtet und mit dem Prozessoptimierer Frank-Jürgen Weise überdies einen Mann an die Spitze des Bundesamtes befördert, der die überforderte Behörde auf Effizienz trimmen sollte. Die drei zentralen Akteure der deutschen Flüchtlingspolitik waren damit identifiziert: die Kanzlerin, die die Tore weit geöffnet hatte, ihr Amtschef Altmaier, der unter dem Druck der hohen Flüchtlingszahlen dafür sorgen sollte, dass der Politik die Dinge nicht über den Kopf wachsen – und der Manager Weise, der in seinem Reformeifer damals von einer Million Asylverfahren sprach, die das Amt im Jahr bearbeiten könne, zehnmal so viele wie bis dahin – als ob sich Flüchtlinge einfach wegverwalten ließen.

    Wer wann von den Auffälligkeiten in Bremen und anderen Außenstellen wusste, wird sich möglicherweise nie ganz aufklären lassen. Zu groß war der Berg an Verfahren, zu lax das Controlling, zu hoch die Fehlerquote bei den Entscheidungen. Die Fäden für Angela Merkels liberale Flüchtlingspolitik aber wurden im Kanzleramt gezogen und nicht im Innenministerium, auch wenn Altmaier noch so trotzig das Gegenteil behauptet.

    Menschen lassen sich nicht einfach wegverwalten

    Er weiß: Wenn er jetzt Fehler einräumt, einen staatlichen Kontrollverlust gar, wird das zwangsläufig der Kanzlerin angelastet, wenn er sich wegduckt, steht sie schutzlos auf der Bühne. Das erklärt auch, warum die CDU partout keinen Untersuchungsausschuss zur Aufklärung der Bremer Affäre will: Er müsste dann auch die Kanzlerin vorladen, und bei der AfD ist die Neigung groß, aus dem Ausschuss ein Tribunal über Angela Merkels Flüchtlingspolitik zu machen.

    Natürlich wusste sie, was im Bundesamt im Argen liegt, vielleicht nicht im Detail, aber zumindest in groben Zügen – im vergangenen Jahr hat Weise der Kanzlerin in zwei Gesprächen sein Leid über das Chaos in der Behörde geklagt, deren Leiter er selbst einmal war. Und wie Altmaier versucht auch Weise alle Verantwortung beim Innenministerium abzuladen, das es mit der Aufsicht über das Bundesamt nicht so genau genommen habe und dessen Mitarbeiter einfach habe machen lassen. Dabei sollte auch er wissen: Wer mit dem ausgestreckten Zeigefinger auf andere deutet, der zeigt gleichzeitig mit drei Fingern auf sich selbst.

    Binnen weniger Wochen ist Bremen zum Synonym für Systemversagen und politische Pflichtvergessenheit geworden. Horst Seehofer, der neue Innenminister, ist zwar erkennbar um Aufklärung bemüht, solange die Kanzlerin jedoch auf Tauchstation bleibt, ihr Adlatus Altmaier alles abstreitet und auch der smarte Frank-Jürgen Weise sich nur irgendwie durchzuschlängeln versucht, wird das Vertrauen in den Rechtsstaat, seine Vertreter und Verfahren weiter erodieren. An einem Untersuchungsausschuss führt deshalb kein Weg vorbei.

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