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Brexit-Deal: Boris Johnson und die nordirische DUP - ein Pakt mit dem Teufel?

Brexit-Deal

Boris Johnson und die nordirische DUP - ein Pakt mit dem Teufel?

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    Boris Johnson hatte bei der Umsetzung des Brexits auf die Unterstützung der erzkonservativen Partei DUP gesetzt. Doch deren Vorsitzende Arlene Foster macht klar, dass sie den Deal ablehnt.
    Boris Johnson hatte bei der Umsetzung des Brexits auf die Unterstützung der erzkonservativen Partei DUP gesetzt. Doch deren Vorsitzende Arlene Foster macht klar, dass sie den Deal ablehnt. Foto: Michael Cooper, dpa

    Es ist erst wenige Wochen her, dass Boris Johnson und Arlene Foster bei einem Empfang am Rande des konservativen Parteitags in Manchester für alle Beobachter sichtbar Geschlossenheit demonstrierten. Die Chefin der nordirischen Unionistenpartei DUP im Schulterschluss mit dem konservativen Premierminister – den Brexit umzusetzen, sollte das heißen, geht nur zusammen.

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    Doch Politik ist ein brutales Geschäft. Kurz nachdem London und Brüssel am Donnerstag verkündeten, dass sie sich auf einen Deal geeinigt hatten, senkte die DUP bereits den Daumen. Man könne den im Vertragsentwurf festgeschriebenen Zugeständnissen nicht zustimmen, so Foster. Dem Abkommen zufolge soll Nordirland zwar gemeinsam mit Großbritannien die EU verlassen, deren Regeln und Standards zum Binnenmarkt aber beibehalten. Zollkontrollen könnten dann an der Seegrenze zur Britischen Insel stattfinden und nicht auf der Irischen Insel. Somit überschreitet der Vorschlag die rote Linie der Regionalpartei. Und jetzt?

    Johnson versuchte gestern, mit einer Charme-Offensive um jede Stimme zu kämpfen. Für die Regierung wird es knapp am heutigen Samstag, wenn das Parlament bei einer Sondersitzung über den Deal entscheidet. Die zehn Abgeordneten aus dem nördlichen Landesteil, die die Minderheitsregierung der Tories dulden, gelten als das Zünglein an der Waage und das nicht nur aufgrund ihrer Stimmen. Auch einige Parlamentarier aus den konservativen Reihen haben durchblicken lassen, dass die Haltung der DUP für ihr eigenes Votum ein wichtiger Faktor sei. Darüber stolperte bereits Johnsons Vorgängerin Theresa May, deren Kompromiss ohne die Unterstützung der DUP drei Mal durch das Unterhaus fiel. Dabei hatte May nach der Neuwahl 2017 und dem Verlust der absolute Mehrheit mit großem finanziellen Aufwand versucht, die Kleinpartei aus Nordirland auf ihre Seite zu ziehen. Was damals heftige Kritik auslöste. „Wollen die Tories aus Machtwillen wirklich mit einer homophoben, erzkonservativen Partei ins Bett steigen?“, kritisierte etwa ein Kommentator.

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    May wollte. Derweil fragten sich etliche Briten: „Arlene who?“, „Arlene wer?“ Wer war jene Juristin, die als ehrgeizig, humorvoll und kritikresistent beschrieben wird? Sie führt seit 2015 als Vorsitzende die sozialkonservative, pro-britische Democratic Unionist Party an, die 1971 von dem radikalen protestantischen Pfarrer Ian Paisley gegründet wurde. Die DUP steht klar auf der Seite der Brexit-Anhänger. Foster hat dennoch immer wieder betont, dass sie keinen extremen Bruch mit Brüssel wünscht aufgrund der besonderen Situation Nordirlands, wo sich jahrzehntelang katholische Republikaner, die eine Vereinigung mit dem Nachbarn anstrebten, und protestantische, pro-britische Unionisten gewaltsam bekämpft haben.

    Stattdessen bestand die 49-Jährige auf einer durchlässigen Grenze, ohne neue Kontrollen zwischen der Republik Irland und Nordirland zu errichten. Gleichzeitig ist es das zentrale politische Anliegen der DUP, an der Einheit der Provinz mit Großbritannien festzuhalten. Fosters Leben und ihre Karriere sind tief geprägt vom Nordirland-Konflikt. Als achtjähriges Mädchen schossen Anhänger der Irish Republican Army (IRA) ihrem Vater, einem nebenberuflichen Polizisten, in den Kopf. Sie musste mit ansehen, wie er blutüberströmt und „auf allen Vieren“ in die Küche des heimischen Bauernhauses kroch. Er wurde schwer verletzt, aber überlebte. Einige Jahre später saß Foster mit Klassenkameraden in einem Schulbus, der Ziel eines IRA-Bomben-Anschlags wurde.

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    Während ihres Studiums in Belfast startete Foster ihre politische Karriere, schloss sich der pro-britischen UUP an und wurde Abgeordnete in ihrer ländlichen Heimat, der Grafschaft Fermanagh. Unter anderem aus Protest gegen das Karfreitagsabkommen, das den blutigen Unruhen ein Ende setzte, verließ sie 2004 die Partei und wurde Mitglied der DUP. In der Partei durchlief die dreifache Mutter in der nordirischen Regionalregierung mehrere Stationen, war Umweltministerin, Handelsministerin und Finanzministerin. Anfang 2016 übernahm Foster das Amt der Ministerpräsidentin und regierte in einer Zwangskoalition mit dem Vizechef Martin McGuinness von der katholisch-republikanischen Partei Sinn Fein. Anfang 2017 zerbrach die Regierung.

    Umso mehr kam es ihr gelegen, seitdem von den Konservativen umgarnt zu werden. Dass mit ihr eine Frau der Partei vorsteht, trügt über die Tatsache hinweg, dass die DUP noch immer als sexistisch gilt und streng konservative Positionen vertritt. So lehnt sie etwa Abtreibungen vehement ab. Nordirland ist die einzige Region im Königreich, wo Schwangerschaftsabbrüche verboten sind, außer das Leben der Mütter ist gefährdet. Die DUP stellt sich auch regelmäßig gegen die Rechte von Homosexuellen, spricht sich etwa gegen die gleichgeschlechtliche Ehe aus. Außerdem erwägen sie die Todesstrafe und bezweifeln den menschengemachten Klimawandel.

    Dementsprechend groß war die Kritik auf der Insel, als sich May mit Hilfe der Partei aus ihrer misslichen Lage befreien wollte. Dass die DUP etwa einmal ein Gesetz eingereicht hat, das religiösen Gewerbetreibenden erlaubt, Kunden nicht zu bedienen, deren Lebenswandel nicht zu ihrer religiösen Überzeugung passt, wurde als Beispiel dafür angeführt, warum eine Verbindung einem „Pakt mit dem Teufel“ gleichkomme.

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