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Brexit: Warum Labour nicht von Boris Johnsons Schwäche profitiert

Brexit

Warum Labour nicht von Boris Johnsons Schwäche profitiert

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    Was will der Oppositionsführer Jeremy Corbyn?
    Was will der Oppositionsführer Jeremy Corbyn? Foto: Danny Lawson, dpa

    Warum nur Jeremy Corbyn? Nie war die Chance besser, sich als Retter des britischen Empires unsterblich zu machen. Auch einem mittelmäßig begabten Oppositionsführer hätte es gelingen müssen, den blonden Boris Johnson und seinen versnobten Brexit-Einpeitscher Jacob William Rees-Mogg wie Mitglieder der Comedy-Truppe von Monthy Python’s Flying Circus aussehen zu lassen. Doch wie eine britische Ausgabe des glücklosen US-Demokraten Bernie Sanders laviert Corbyn vor sich hin, nicht fähig, ein klares politisches Konzept für das taumelnde Vereinigte Königreich zu entwerfen. Lieber probt er den Klassenkampf, klingt wie ein britischer Gewerkschaftsführer aus den tristen 70er Jahren.

    Corbyn ist Chef einer Partei, die sich vor dem folgenschweren Referendum eindeutig gegen den Austritt aus der Europäischen Union positioniert hat. Dumm nur, dass der Labour-Chef immer wieder den Eindruck erweckte, er sei gar nicht gegen den Brexit, dafür aber eben auch nicht so richtig. Anfang des Jahres schien es einen Augenblick lang so, als könnte es ihm gelingen, Johnsons glücklose Vorgängerin Theresa May mit einem Misstrauensvotum aus dem Amt zu jagen. Doch was sagte Corbyn in einem Interview? Er erklärte, auch mit ihm würde es einen Brexit geben – allerdings wolle er mit der EU nachverhandeln. Das war natürlich sehr originell, denn zwischen den Zeilen sagte Corbyn nichts anderes als: Nehmt mich als Premierminister, ich wurstele genauso weiter wie Frau May!

    Viele können sich Jeremy Corbyn nicht als Premierminister vorstellen

    Auch ihm wohlgesonnene Kommentatoren konnten nicht fassen, warum er nicht ein neues Referendum in Aussicht gestellt hatte. Eine Volksabstimmung, vor der Labour die hanebüchenen Lügen von Johnson und Co über den Brexit als das hätte darstellen können, was sie waren: eine veritable Desinformationskampagne. In der Tat hätten sich viele Briten ein Leben ohne die spröde May als Regierungschefin ganz gut vorstellen können. Doch da gab und gibt es ein Problem: Noch mehr Bewohner des einstigen Weltreiches mögen sich partout nicht ausmalen, wie es wäre, wenn Corbyn die Geschicke ihres Landes führen würde. Als linker Erlöser kann man weder in den USA gegen Donald Trump noch in Großbritannien gegen Johnson bestehen.

    Fast unverdient hat Corbyn jetzt erneut eine Chance, den Premierminister zu stoppen. Immerhin scheint es seinen Fraktionskollegen, die ihn ja vor gar nicht allzu langer Zeit schnöde kaltstellen wollten, gelungen zu sein, ihn davon abzuhalten, in Johnsons Neuwahl-Falle zu tappen. Corbyn kündigte an, er werde einer Neuwahl erst dann zustimmen, wenn das Gesetz gegen den No Deal in Kraft getreten ist. Ob er wieder einen Weg findet, auch diese Gelegenheit zu vermasseln?

    Lesen Sie dazu auch unser Interview: Brexit-Chaos in Großbritannien: "England ist auf der Intensivstation"

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