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Volksbegehren: Brexit bremst den bundesweiten Vorstoß zu Volksbegehren

Volksbegehren

Brexit bremst den bundesweiten Vorstoß zu Volksbegehren

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    Werbung des Vereins „Mehr Demokratie“ für Volksentscheide am Reichstag: 2002 sprach sich mehr als die Hälfte der Abgeordneten für bundesweite Volksabstimmungen aus.
    Werbung des Vereins „Mehr Demokratie“ für Volksentscheide am Reichstag: 2002 sprach sich mehr als die Hälfte der Abgeordneten für bundesweite Volksabstimmungen aus. Foto: Jürgen Blumer, Imago

    Nach dem gewaltigen Erfolg für die Initiatoren des Volksbegehrens „Rettet die Bienen“ in Bayern wird der Ruf laut, auch auf Bundesebene Möglichkeiten direkter Bürgerbeteiligung zu schaffen. Doch in der Politik gilt die jahrelang sehr populäre Forderung inzwischen als heikel: Seit dem Brexit und dem Vormarsch populistischer Kräfte sind mögliche Gefahren der direkten Demokratie in den Blickpunkt gerückt. Bei der Bundesregierung, die laut Koalitionsvertrag die direkte Demokratie stärken will, ist es zuletzt sehr still um das Thema geworden. Doch dass nun in Bayern so viele Bürger, wie noch nie sich für ein Volksbegehren eintrugen, bringt die Diskussion mit Macht zurück.

    „Das ist wegweisend für die Bundespolitik und zeigt, wie dringend wir auch auf Bundesebene Volksentscheide brauchen“, sagt die Bundesvorstandssprecherin des Vereins „Mehr Demokratie“, Claudine Nierth, unserer Redaktion. Der weltweit größte Fachverband dieser Art berät etwa die Initiatoren von Bürger- und Volksbegehren und setzt sich für eine Stärkung der Bürgerbeteiligung in Deutschland und der Europäischen Union ein.

    Volksbegehren: Unterschiedliche Regelungen in den Ländern

    In den einzelnen Bundesländern gibt es unterschiedliche Möglichkeiten, Bürgerwillen per Volksbegehren und Volksentscheid durchzusetzen. Besonders weitreichend sind diese etwa in Bayern, Hamburg oder Berlin. Erklärtes Ziel von „Mehr Demokratie“ ist eine Einführung von Volksabstimmungen auch auf Bundesebene. Nachdem dafür mehr als 100.000 Unterschriften gesammelt worden waren, stimmte 2002 der Bundestag ab. Zwar sprach sich mehr als die Hälfte der Abgeordneten für bundesweite Volksabstimmungen aus, doch die zur Grundgesetzänderung erforderliche Zweidrittelmehrheit wurde verfehlt.

    So bleibt es dabei: Das Instrument der Volksbefragung gibt es auf Bundesebene nur zur Gründung eines neuen Bundeslandes, eingesetzt wurde es noch nie. Im Koalitionsvertrag haben sich Union und SPD dazu bekannt, eine Expertenkommission einzusetzen, die „Vorschläge erarbeiten soll, ob und in welcher Form unsere bewährte parlamentarisch-repräsentative Demokratie durch weitere Elemente der Bürgerbeteiligung und direkter Demokratie ergänzt werden kann“. Doch diese Kommission gibt es noch gar nicht, wie das Bundesinnenministerium auf Anfrage bestätigt. Die Vorarbeiten seien noch nicht abgeschlossen“, sagt ein Sprecher auf Anfrage unserer Redaktion.

    Claudine Nierth von „Mehr Demokratie“ wundert sich: „Ich kann nicht verstehen, warum die geplante Kommission der Regierung nicht schon längst zu arbeiten angefangen hat, um Regelungen für die Bundesebene auf den Weg zu bringen.“

    Auf die Gründe, warum es zwischenzeitlich so still geworden ist in der einst so lebhaften Debatte um die direkte Demokratie, verweist FDP-Fraktionsvize Stephan Thomae: „Die Menschen im 21. Jahrhundert erwarten zu Recht mehr Beteiligungsmöglichkeiten. Aber das Aufkommen des Rechtspopulismus, der Brexit und andere Vorkommnisse lassen auch Grenzen und Gefahren sichtbar werden.“

    Ein Modell nach dem Schweizer Vorbild wurde letztes Jahr abgelehnt

    Im vergangenen Frühjahr hatte der Bundestag einen Antrag der rechtspopulistischen AfD auf mehr direkte Demokratie nach Schweizer Vorbild abgelehnt. Die Parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen, Britta Haßelmann, warf der AfD damals vor: „Sie wollen Kampagnen gegen Gotteshäuser, gegen Flüchtlinge, gegen alles, was nicht in Ihr Weltbild passt. Und dafür glauben Sie, haben Sie jetzt den Hebel der direkten Demokratie.“

    Heute sagt Haßelmann: „Wir wollen unsere repräsentative Demokratie durch Elemente direkter Demokratie und Beteiligung ergänzen. Dabei müssen die Rechte von Minderheiten und unsere Grundrechte geschützt bleiben.“ Dabei dürften „wesentliche Verfassungsprinzipien wie die Rechtsstaatlichkeit, von Volksinitiativen, Volksbegehren und Volksentscheiden nicht zur Disposition gestellt werden“. Zum Kern der Demokratie gehöre „die Mehrheitsentscheidung genauso wie der aktive Minderheitenschutz“.

    Auch FDP-Rechtsexperte Thomae ist überzeugt: „Mehr Bürgerbeteiligung setzt kluge Verfahren voraus, die stimmungs- und ereignisgetriebenen Abstimmungsergebnissen vorbeugen und sicherstellen, dass auch die berechtigten Interessen von Minderheiten Berücksichtigung finden.“

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