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Corona - Impfung für Kinder: Immunologen-Verband rät wegen Delta Variante dazu

Interview

Immunologe Watzl: "Ich werde meine Kinder impfen lassen"

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    Biontech entwickelt auch einen Impfstoff für Kinder unter zwölf Jahren. Der Immunologie-Professor Carsten Watzl erklärt, warum dabei eine deutlich geringere Dosis als für Erwachsene ausreicht.
    Biontech entwickelt auch einen Impfstoff für Kinder unter zwölf Jahren. Der Immunologie-Professor Carsten Watzl erklärt, warum dabei eine deutlich geringere Dosis als für Erwachsene ausreicht. Foto: Imago Images

    Herr Professor Watzl, was macht die indische Delta-Variante so gefährlich?

    Carsten Watzl: Varianten können auf unterschiedliche Weise gefährlich sein. Die britische Alpha-Variante war ansteckender, aber ist kaum der Immunantwort der Impfungen entgangen. Die südafrikanische Beta-Variante entgeht der Immunantwort noch mehr als die Delta-Variante. Sie ist aber weniger ansteckend als die britische Alpha-Variante, weshalb sie sich in Deutschland kaum ausgebreitet hat. Die indische Delta-Variante vereint jedoch beide Eigenschaften: Sie ist ansteckender als die Alpha-Variante und entgeht der Immunantwort. Nicht nur Ungeimpfte, sondern auch Menschen nur mit einer Erstimpfung können sich leichter anstecken. Ebenso genesene Corona-Patienten, die vor längerer Zeit infiziert waren. Die gute Nachricht ist, die zweifache Impfung schützt auch gegen die Delta-Variante, sowohl bei AstraZeneca, Biontech oder Moderna.

    Auch der Impfstoff von Johnson & Johnson mit nur einer Dosis?

    Watzl: Der Impfstoff von Johnson & Johnson hat das Alleinstellungsmerkmal einer Einfachimpfung. Er hat aber ähnlich gute Werte wie die Zweifachimpfung mit AstraZeneca. Man hat zwar noch keine Daten vorliegen, wie sich der Impfschutz gegenüber der Delta-Variante verhält, aber es gibt positive Hinweise. Johnson & Johnson wurde auch in Südafrika getestet und die dortige Beta-Variante verhält sich noch etwas ungünstiger als die Delta-Variante. Johnson & Johnson konnte hier mit der Einfach-Dosis immer noch eine Effektivität von 64 Prozent beim Schutz gegen eine Erkrankung vorweisen und schützt mit knapp 90 Prozent gegen einen schweren Verlauf. Deshalb gehe ich davon aus, dass Johnson & Johnson auch gegen die Delta-Variante wirkt. Die Frage ist allerdings, wie lange dieser Immunschutz anhält. Hier laufen noch Studien, bei denen auch bei Johnson & Johnson eine Zweitimpfung getestet wird. Grundsätzlich verstärkt die Zweitimpfung die Immunität und macht sie länger anhaltend.

    Besteht die Gefahr, dass wir die Delta-Variante unterschätzen, oder hilft uns der Sommer-Effekt solange, bis wir ausreichend viele Menschen doppelt geimpft haben?

    Watzl: Wir sind im Moment in der glücklichen Lage, dass die Inzidenzen sehr niedrig sind und die Delta-Variante noch nicht so weit verbreitet ist. Deswegen kann man aktuell davon ausgehen, dass uns die Delta-Variante im Sommer keine großen Probleme machen wird. Aber wir sollten bei den Lockerungen nicht unvorsichtig werden, zum Beispiel bei Großveranstaltungen. Je mehr Menschen zusammenkommen, desto größer ist das Verbreitungsrisiko. Zudem sollten sich die Menschen im Urlaub vernünftig verhalten und nicht leichtsinnig werden. Auch bei den Urlaubsrückkehrern muss man aufpassen. Aber über kurz oder lang wird die Delta-Variante auch bei uns wie in Großbritannien die dominierende Variante sein. Deshalb müssen wir dafür werben, dass sich im Sommer möglichst viele Menschen impfen lassen, wenn genug Impfstoff zur Verfügung steht. Die vierte Welle wird kommen, aber wenn genügend Menschen vollen Impfschutz gegen die Delta-Variante haben, werden wir hoffentlich nicht mehr mit Maßnahmen wie einem Lockdown gegensteuern müssen.

    Professor Carsten Watzl ist Professor an der Universität Dortmund und Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Immunologie.
    Professor Carsten Watzl ist Professor an der Universität Dortmund und Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Immunologie.

    Man sollte also nicht zögern, einen Impftermin zu ergattern?

    Watzl: Genau. Wenn die Zahlen im Herbst ansteigen, kann es zu spät sein, da die Erstimpfung noch keinen starken Schutz gegen die Delta-Variante bietet. Wir werden im Juli und August genügend Impfstoff zur Verfügung haben: Da kann man nur an jeden appellieren, sich die Impfung abzuholen und sich nicht durch die entspannte Lage im Sommer in falscher Sicherheit zu wiegen.

    In Großbritannien betrifft der Infektionsanstieg vor allem komplett Ungeimpfte und Kinder, für die es noch keinen Impfstoff gibt. Was bedeutet das für unsere Schulen im Herbst?

    Watzl: Das bedeutet, dass wir weiter über die Impfungen von Kindern diskutieren werden. Die Ständige Impfkommission empfiehlt die Impfung derzeit nur für Kinder mit Vorerkrankungen und für Kinder, die im Haushalt mit Menschen aus Risikogruppen zusammenleben. Wir von der Deutschen Gesellschaft für Immunologie unterstützen es aber, wenn möglichst viele Menschen von der Öffnungsklausel Gebrauch machen und ihre Kinder auch im Normalfall impfen lassen. Wenn wir bis in den Herbst sehr viele Kinder noch nicht geimpft haben, droht uns mit der Delta-Variante wie in Großbritannien ein starkes Ausbruchsgeschehen an den Schulen.

    Dann drohen doch wieder Schulschließungen?

    Watzl: Man kann entweder den Standpunkt vertreten, eine Infektion ist für die Kinder nicht so gefährlich. Dann müsste man das Virus durch die Schulen einfach durchlaufen lassen, unterrichtet weiter und schickt auch nicht die Klassen in Quarantäne. Oder man müsste jetzt den Sommer nutzen, um die Schulen zum Beispiel mit Luftfiltern und Lüftungsanlagen sicherer zu machen. Sonst droht im Herbst tatsächlich wieder eine Situation, dass man die Schulen zumachen müsste. Der Bund hat ein Förderprogramm für Luftfilteranlagen an Schulen aufgelegt. Das sollten die Verantwortlichen im Sommer nutzen. Es wäre blauäugig, nur auf ausreichend Impfungen von Kindern zu hoffen.

    Wie bewerten Sie als Immunologe, die Variante, die Infektionswelle einfach in den Schulen durchlaufen zu lassen?

    Watzl: Kinder haben ein sehr geringes Risiko, an Corona zu sterben. Die wenigen bekannten Todesfälle waren Kinder mit Vorerkrankungen. Für solche Risikogruppen gibt es die Impfempfehlung. Alle anderen Kinder haben bei einer Covid-19-Infektion ein sehr geringes Risiko, schwer daran zu erkranken. In diesem Fall würden sich die Kinder ihre Immunität nicht durch eine Impfung, sondern durch die Infektion abholen. Ich habe Verständnis, wenn Eltern ihre Kinder nicht impfen lassen wollen. Wenn sie aber mich fragen: Ich werde meine Kinder impfen lassen.

    Warum?

    Watzl: Als Immunologe sehe ich die Impfung als sicherer an, als eine Infektion. Man muss sich im Klaren sein, eines von beiden wird über kurz oder lang kommen, denn das Virus wird nicht weggehen. Und nur, weil Kindern in der Regel kein schwerer Erkrankungsverlauf droht, heißt das nicht, dass sie überhaupt keine Probleme davontragen. Auch das Risiko eines Long-Covid-Syndroms besteht, wenn auch nicht so stark wie bei Erwachsenen.

    Biontech entwickelt gerade einen speziellen niedrigdosierten Impfstoff für Kinder, nachdem Jugendliche das Erwachsenenmittel bekommen. Reicht es, einfach die Dosis zu reduzieren?

    Watzl: Biontech hat in klinischen Studien auch bei den Erwachsenen verschiedene Dosen getestet. Man nimmt heute bei den Erwachsenen 30 Mikrogramm mRNA-Impfstoff pro Dosis. Man hat aber gesehen, dass auch bei halber – oder einem Drittel der – Dosis, der Antikörperspiegel gegen das Virus oft ähnlich hoch war. Man hat aber die 30 Mikrogramm genommen, weil dies gerade für ältere Menschen die höchste Sicherheit eines Impfschutzes gewährleistet. Ein gesunder 30-Jähriger könnte auch mit weniger auskommen. Kinder brauchen ganz klar nicht so viel wie Ältere. Von daher macht es Sinn, eine geringere Dosis zu nehmen. Der Impfstoff wird im Prinzip derselbe sein, aber eine verdünnte Version.

    Sind wir ausreichend auf neue Virus-Varianten vorbereitet?

    Watzl: In Deutschland befinden wir uns, was die Datenlage anbelangt, leider in einer Art Blindflug und sind von anderen Ländern abhängig. Die wichtigen Daten, wie gut die Impfstoffe gegen die Delta-Variante helfen, kommen auch deshalb aus Großbritannien, weil es dort im nationalen Gesundheitssystem ein Impfregister gibt. Man kann automatisch in Datenbanken nachvollziehen, wenn sich jemand infiziert hat, ob und mit welchem Impfstoff er zuvor und wie oft geimpft wurde. So etwas fehlt uns in Deutschland. Wenn hier jemand positiv getestet wird, können wir außer beim Arzt keine Daten automatisch abgleichen. Es ist auch außerhalb von Studien viel schwieriger nachzuvollziehen, wie gut der eine oder andere Impfstoff wirkt. Bedenklich wäre das für den Fall, wenn in Deutschland eine neue Variante grassieren würde.

    Zur Person: Carsten Watzl ist Professor an der Universität Dortmund und Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Immunologie.

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