Der Ökonom und Psychiater Stefan Brunnhuber fordert als Lehre aus der Klima- und Corona-Krise ein grundlegendes Umdenken in Politik und Gesellschaft. „Wir erleben einen Systemwechsel, der uns radikal herausfordert, über die Art und Weise nachzudenken, wie wir wirtschaften, Politik machen und wie wir gesellschaftlich zusammenleben wollen“, sagt Brunnhuber, der Mitglied im „Club of Rome“ ist, im Interview mit unserer Redaktion. Die Menschen müssten sich grundsätzlich fragen, ob die Spielregeln, mit denen die Gesellschaft unser Wirtschaften organisiert, in der Form noch tragen würden. „Ich denke hier aber nicht an Verbote, sondern an eine liberale Agenda. Es geht um einen Staat, der ermöglicht, und nicht um einen, der nur reglementiert“, sagt er. Denn man lerne in Krisen auch, dass, wenn Menschen Freiheit und Eigenverantwortung genießen, sie ein Maximum an Problemlösungsverhalten an den Tag legen würden. Und zwar besser, als der Staat es kann. Brunnhubers Fazit: „Freie Staaten mit offenen Gesellschaften sind deshalb in der Krisenbewältigung autoritären Systemen immer überlegen.“
Mehr Geld durch die Zentralbanken
Dazu brauche Deutschland andere Regeln und eine andere Ordnung der Finanzen. „Wir reden viel von Nachhaltigkeit und langfristigen Zielen, aber die Gesellschaft fährt sehr stark auf Sicht“, sagt Brunnhuber. „Vor allem, wenn es ums Geld geht.“ Die Staaten sollten ihre Ausgaben stärker über die Zentralbanken finanzieren. Inflationsgefahr bestehe nicht, wenn dadurch bleibende Werte geschaffen würden. „In der Weimarer Republik wurde nicht nur Geld gedruckt, sondern die Infrastruktur durch die Siegermächte sogar abgebaut. Wenn man aber das Geld zur Verfügung stellt und intelligent und sensibel investiert, wird der Radius für Wirtschaft und Wohlstand einfach größer“, sagt Brunnhuber.