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Bundesregierung: Der Steuerboom lässt nach, der Streit wächst

Bundesregierung

Der Steuerboom lässt nach, der Streit wächst

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    Finanzminister Olaf Scholz muss rechnen: Erstmals seit Jahren gibt es einen Dämpfer bei den zu erwartenden Steuereinnahmen
    Finanzminister Olaf Scholz muss rechnen: Erstmals seit Jahren gibt es einen Dämpfer bei den zu erwartenden Steuereinnahmen Foto: Gregor Fischer, dpa (Archiv)

    Die Steuereinnahmen wachsen weiter, doch sie wachsen nicht mehr so stark wie zuletzt. Und kaum hat Finanzminister Olaf Scholz von der SPD die Zahlen der neuen Steuerschätzung verkündet, beginnt der Streit. Die Große Koalition zankt darüber, wie die zusätzlichen Mittel am besten ausgegeben werden. Marcel Fratzscher, Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin, fordert hingegen, angesichts der Zahlen die gesamte Finanzpolitik der Großen Koalition auf den Prüfstand zu stellen. Der Staat dürfe die Steuereinnahmen nicht länger für Wahlgeschenke nutzen, sagte Fratzscher unserer Zeitung.

    Nach den am Donnerstag veröffentlichten Zahlen des Arbeitskreises Steuerschätzung können Bund, Länder und Gemeinden bis 2022 mit 6,7 Milliarden Euro mehr an Steuern planen. Bei der letzten Schätzung wurde im Mai noch ein Plus von 63,3 Milliarden Euro bis 2022 errechnet. Hintergrund sind eingetrübte Konjunkturaussichten durch weltweit zunehmende Signale der Unsicherheit. „Die Bäume wachsen nicht mehr in den Himmel“, sagte Bundesfinanzminister Scholz, größere neue Spielräume seien nicht sichtbar. Und Forderungen nach einer großen Steuerreform oder einer kompletten Abschaffung des Solidaritätszuschlags erteilte er eine klare Absage. Er kündigte an, einen Teil der zusätzlichen Steuereinnahmen in die Forschungsförderung zu stecken. An einem Programm für entsprechende Steueranreize werde derzeit gearbeitet. Weitere Teile der Mehreinnahmen sollen in die Verteidigung und die Entwicklungszusammenarbeit fließen.

    Union verlangt von Scholz Zurückhaltung

    Die Union mahnt Scholz angesichts der Zahlen zu Zurückhaltung bei künftigen deutschen Zahlungen an die Europäische Union. Der haushaltspolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Eckhardt Rehberg, wirft Scholz indirekt vor, bereits mit höheren deutschen Überweisungen nach Brüssel zu planen. „Die EU-Abführungen Deutschlands dürften in den nächsten Jahren höher sein als in der Steuerschätzung ausgewiesen. Sie werden erst am Ende der Verhandlungen zum mittelfristigen Finanzrahmen 2021 bis 2027 feststehen“, sagte Rehberg. Doch für höhere EU-Abführungen sei im Finanzplan der Bundesregierung keine Vorsorge getroffen. Ungedeckt seien auch die „Visionen von Bundesfinanzminister Scholz für eine europäische Arbeitslosenversicherung“. Scholz müsse jetzt erklären, „wie er seine teuren europapolitischen Ideen auf Basis dieser Steuerschätzung finanzieren will.“

    Wirtschaftsexperte Marcel Fratzscher sieht durch die Zahlen der Steuerschätzung für den Staat auch in den kommenden Jahren „erheblichen finanziellen Spielraum, um Deutschland zukunftsfähig zu machen“. Allerdings, so Fratzscher zu unserer Zeitung, deute sich bereits jetzt an, dass der demografische Wandel die deutsche Wirtschaft und auch die Steuereinnahmen schwächen werde. Deshalb sei es umso wichtiger, „dass der Staat heute die hohen Steuereinnahmen für kluge Zukunftsinvestitionen und nicht für Wahlgeschenke und Klientelpolitik, wie Steuersenkungen für Besserverdienende und Vermögende, nutzt“.

    Was Fratzscher und andere Experten kritisieren, sind die teuren Prestigeprojekte der kriselnden Koalition. Etwa das Baukindergeld, für das mit Gesamtkosten von über zehn Milliarden Euro gerechnet wird. An die Fördermaßnahme zur Bildung von Wohneigentum werden auch künftige Regierungen gebunden sein. Denn für Bauherren unterhalb einer bestimmten Einkommensgrenze gibt es 12000 Euro Zuschuss je Kind, gezahlt über zehn Jahre. Doch ob es was bringt, ist hoch umstritten – gerade in Ballungsgebieten könnten noch mehr Miet- in Eigentumswohnungen umgewandelt werden. Kritiker fordern, statt dieser teuren Subvention auf Kosten aller Steuerzahler lieber staatliche Kaufnebenkosten zu senken, etwa durch eine geringere Grunderwerbssteuer.

    Auch das Rentenpaket der Bundesregierung ist umstritten

    Stabile Renten verhindern einen deutschen Donald Trump, lautet das Credo von Finanzminister Olaf Scholz. Schon in der letzten Großen Koalition wurden mit der Rente ab 63 und der Mütterrente teure Projekte auf den Weg gebracht. Ab Januar wird letztere noch ausgeweitet, alle Mütter und Väter mit Erziehungszeit, deren Kinder vor 1992 geboren wurden, bekommen zusätzlich einen halben Rentenpunkt gutgeschrieben. Die Kosten sollen bei jährlich 3,7 Milliarden Euro liegen. Zudem gibt es Verbesserungen bei der Erwerbsminderungsrente – und das Rentenniveau von 48 Prozent soll bis 2025 stabil gehalten werden. Für die Rentenversicherung könnte dies bis 2025 mit knapp 32 Milliarden Euro zu Buche schlagen.

    Ein weiteres teures GroKo-Projekt ist der „soziale Arbeitsmarkt“: Das Angebot richtet sich an Arbeitslose über 25, die seit mindestens sieben Jahren Grundsicherung bezogen haben. Sie sollen fünf Jahre lang Lohnkostenzuschüsse bekommen. Die Regierung rechnet mit Kosten von rund vier Milliarden Euro. Für Investitionen in Bildung, Digitalisierung und Kitas sind Zukunftsinvestitionen von weit über zehn Milliarden Euro geplant – so sollen zum Beispiel mehr als 5000 Schulen mit schnellem Internet versorgt werden. Mit dem „Gute-Kita-Gesetz“ sollen Kitas besser und für Geringverdiener kostenlos werden. Bis 2022 sollen dafür 5,5 Milliarden Euro vom Bund an die Länder fließen.

    Die Pläne der Regierung zur Entlastung der Bürger halten etwa FDP und Steuerzahlerbund für unzureichend: Ab 2021 sollen 90 Prozent der bisherigen Zahler des Solidaritätszuschlags entlastet werden – das macht zehn Milliarden Euro aus. Kritiker fordern eine vollständige Abschaffung. Familien und Bürger werden zudem ab 2019 durch mehr Kindergeld und höhere Freibeträge um bis zu 9,8 Milliarden Euro entlastet. Und durch eine wieder gleiche Beteiligung der Arbeitgeber an den Beiträgen zur Krankenversicherung sollen die Bürger 6,9 Milliarden Euro jährlich sparen. Die Beiträge sollen sich um bis zu 38 Euro monatlich reduzieren. (mit dpa)

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