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Gesundheitsstudie: Deutsche Kinder sind zu dick

Gesundheitsstudie

Deutsche Kinder sind zu dick

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    Deutsche Kinder sind zu dick
    Deutsche Kinder sind zu dick

    Berlin/Münster (dpa) - Sie sind zu dick, greifen gern zu Zigarette oder Schnapsflasche und schlagen auch schon mal hart zu: Viele Kinder und Jugendliche in Deutschland haben bereits mehr körperliche und seelische Probleme als Wissenschaftler bisher erkannt haben.

    Das geht aus der bisher größten deutschen Kinder- und Jugend-Gesundheitsstudie (KiGGS) im Auftrag der Bundesregierung hervor, die jetzt in Berlin präsentiert wurde. Kinder aus Ausländerfamilien und sozial schwachen Elternhäusern sind demnach besonders vielen Gesundheitsrisiken ausgesetzt. "Diese Chancenungleichheit dürfen wir nicht zulassen", kommentierte Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) die Untersuchung.

    Der Deutsche Ärztetag in Münster reagierte am Mittwoch mit einer Entschließung, Eltern und Behörden stärker zu Vorsorgeuntersuchungen für Kinder zu verpflichten. Außerdem forderte die Ärzteschaft mehr Sportunterricht an Schulen und eine stärkere Werbebeschränkung für Alkohol und Nikotin. Da Kinder aus sozial schwachen Familien und Migrantenhaushalten besonders stark von Übergewicht, Zahnerkrankungen und Bewegungsmangel betroffen seien, müsse der Kampf gegen Kinderarmut politische Priorität erhalten.

    Nach Ansicht des Psychologen Thomas Dirscherl sollten Eltern bereits in Kindertagesstätten und Arztpraxen mehr Hilfe bekommen. Der Leiter des PAG Instituts für Psychologie in Münster sagte der Deutschen Presse- Agentur dpa: "Erst wenn Erkrankungen bereits manifestiert sind, greift hier zu Lande die Hilfe." Er unterstützte Forderungen nach einem sozialen Frühwarnsystem, bei dem Kinderärzte sowie Jugend- und Gesundheitsämter enger als bisher miteinander kooperieren sollen.

    Bundesgesundheitsministerin Schmidt nannte es einen Anlass zur Sorge, dass jeder fünfte Jugendliche rauche und ein Drittel der Jungen und Mädchen bereits einmal in der Woche Alkohol trinke. Im Großen und Ganzen seien die meisten Kinder und Jugendlichen in Deutschland aber normalgewichtig und ausgeglichen, betonte sie.

    Forscher des Berliner Robert Koch-Instituts (RKI) haben für die KiGGS-Studie drei Jahre lang rund 17.600 Kinder und Jugendliche bis 17 Jahre befragt, zum Teil ärztlich untersucht und auch Eltern interviewt. In der Gesamtsicht biete sich ein Bild, das optimistisch stimme, erläuterte RKI-Studienleiterin Bärbel-Maria Kurth: "Wir haben hier nicht die kranke, dicke, faule und depressive Generation."

    Dennoch klingen manche Einzelergebnisse sehr ernüchternd. 15 Prozent der Kinder und Jugendlichen in Deutschlands sind zu dick oder bereits fettsüchtig. Mehr als jeder fünfte 11- bis 17-Jährige (22 Prozent) hat Essstörungen, die zum häufigsten chronischen Gesundheitsproblem avanciert sind. Mädchen sind davon sehr viel stärker betroffen (28,9 Prozent) als Jungen (15,2 Prozent). Akute Krankheiten weichen immer häufiger chronischen Leiden wie Übergewicht, Asthma oder Allergien.

    Darüber hinaus verschöben sich körperliche Erkrankungen vermehrt in Richtung psychischer Störungen, ergänzte Kurth. Nach KiGGS- Angaben gibt es inzwischen bei rund 11 Prozent der Mädchen und fast 18 Prozent der Jungen Hinweise auf Verhaltensauffälligkeiten oder emotionale Probleme. Dazu zählen die Forscher zum Beispiel mangelnde Aufmerksamkeit, Hyperaktivität, Aggressivität, Ängste, Depressionen, oder auch betont unsoziales Verhalten. In einer Teilstudie mit mehr als 6000 Jugendlichen gaben 20 Prozent der Jungen und 10 Prozent der Mädchen zu, schon einmal gewalttätig geworden zu sein.

    KiGGS zufolge haben viele Kinder aus gehobenen Sozialschichten gesundheitlich weitaus bessere Start- und Zukunftschancen als Gleichaltrige aus Einwandererfamilien oder sozial schwachen Elternhäusern. Dort würden Kinder seltener gestillt, geimpft oder zum Arzt gebracht, erläuterte RKI-Expertin Kurth. Sie rauchten häufiger, hätten häufiger Übergewicht und Essstörungen und neigten eher zu Gewaltausbrüchen. Gesundheitsministerin Schmidt plädierte für mehr Besuche der Kinder- und Jugendhilfe in Familien. Das geplante Präventionsgesetz wolle vorbeugende Arbeit fördern.

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