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Seenotrettung: Die Heuchelei im Spektakel um Kapitänin Carola Rackete

Seenotrettung

Die Heuchelei im Spektakel um Kapitänin Carola Rackete

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    In Deutschland hat Carola Rackete viele Unterstützer - sogar in der konservativen Politik. Doch die Kapitänin der Sea Watch hat auch Fehler gemacht.
    In Deutschland hat Carola Rackete viele Unterstützer - sogar in der konservativen Politik. Doch die Kapitänin der Sea Watch hat auch Fehler gemacht. Foto: Gambarini, dpa

    Es ist in diesen Tagen beinahe unmöglich, keine Meinung zu Carola Rackete zu haben. Die Einen haben die Kapitänin der „Sea Watch 3“ zur Ikone der mutigen Mitmenschlichkeit erkoren. Eine Spendensammlung für die deutsche Hilfsorganisation Sea Watch in Folge der Festnahme Racketes brachte bereits mehr als 1,3 Millionen Euro ein.

    Vom Außenminister bis zum Bundespräsidenten sind des extremen politischen Aktivismus bislang unverdächtige Männer der Kapitänin verbal zur Seite gesprungen, sogar EU-Kommissar Günther Oettinger und Granden der CSU haben Partei für die private Seenotrettung im Mittelmeer ergriffen. Welchen unerwarteten Effekt hat Carola Rackete auf die deutsche Politik!

    Wie Kapitänin Carola Rackete mit ihrer Aktion in Italien ankommt

    In Italien ist befeuert von Innenminister Matteo Salvini der gegenläufige Soundtrack zu hören. Nach dieser Diktion ist Carola Rackete mit ihren Rastalocken eine linke „Piratin“, ein Handlanger der Schlepper, gar eine „Kriminelle“. Am Wochenende hatte die von der 31 Jahre alten Niedersächsin gesteuerte „Sea Watch 3“ 40 Migranten auf der italienischen Insel Lampedusa an Land gebracht, nachdem sie zuvor mehr als zwei Wochen auf die Einfahrt in einen Hafen gewartet hatte.

    Die Kapitänin verwies auf die verzweifelte Lage einiger Migranten an Bord und verstieß mit ihrem Landemanöver bewusst gegen italienisches Recht. Die populistische Regierung um Fünf-Sterne-Bewegung und Lega hatte vor Wochen ein Dekret verabschiedet, das die Anlandung von Schiffen privater Seenotretter unter Strafe stellt.

    Zu allem Überfluss rammte Rackete bei der Landung auch noch ein Polizeiboot. Mit dem Straftatbestand „Widerstand und Gewalt gegen ein Kriegsschiff“ will nun die italienische Staatsanwaltschaft Rackete einen Strick drehen. Am Dienstag entschied der Ermittlungsrichter, dass Rackete wieder auf freien Fuß kommt. Wegen Gefährdung der nationalen Sicherheit soll sie aber des Landes verwiesen werden.

    Carola Rackete hat bei der Seenotrettung einen Fehler gemacht

    Insgesamt strotzt die Sea-Watch-Affäre vor politischer Motivation, ausgetragen auf dem Rücken der Migranten. Welche Subkultur derzeit in Italien an der Macht ist, zeigen die sexistischen und rassistischen Beschimpfungen, mit denen die Kapitänin bei ihrer Festnahme auf Lampedusa bedacht wurde.

    Aber auch Rackete selbst ist nicht über allen Zweifeln erhaben. Dass sie nun von einem Teil der Öffentlichkeit zur Heilsfigur stilisiert wird, kann man ihr nicht anlasten. Das ist dem menschlichen Bedürfnis der Identifikation mit Helden und der damit einhergehenden Ablehnung von Buhmännern geschuldet.

    Je nach Geschmack erfüllen die Kapitänin oder Innenminister Salvini diese Karikaturen. Rackete nimmt für sich in Anspruch, alleine aus Menschlichkeit und im Sinne des Völkerrechts gehandelt zu haben. Da liegt sie falsch. Wer wirklich nur im Interesse der ursprünglich 53 aus Seenot geretteten Migranten auf der „Sea-Watch 3“ handelt, harrt nicht zwei Wochen vor Lampedusa aus, sondern sucht nach Alternativ-Häfen, etwa in Spanien oder Tunesien. Doch es musste Italien sein.

    Deutschland darf Schuld nicht Italien zuschieben - und muss Flüchtlinge aufnehmen

    Die politische Konnotation der Sea-Watch-Aktion ist deshalb nicht zu übersehen. Sea Watch hat letztendlich erfolgreich mit den Reaktionen der Öffentlichkeit kalkuliert. Und nicht zuletzt sollten hier Kräfte mit Innenminister Salvini gemessen werden, am Ende könnten Rackete und der Minister als Verlierer dastehen. Ein Landeverbot zu ignorieren ist aber ein starkes Stück. Man kann es moralisch auch noch so verwerflich finden: Italien hat keine rechtliche Pflicht, Migranten aufzunehmen.

    Und damit wäre man bei der selbstgerechten Haltung eines Teils der deutschen Öffentlichkeit. Italien den schwarzen Peter in der Migrationsfrage zuzuschieben, ist zu einfach. Jahrelang ließen Berlin und die anderen EU-Partner den Mittelmeer-Staat mit den Flüchtlingen alleine.

    Auf diese Weise kamen Politiker wie Salvini erst an die Macht, sie nutzen das Fehlen einer europäischen Flüchtlingspolitik gnadenlos aus. Es wäre korrekt, wenn die Bundesrepublik Mittelmeer-Flüchtlinge von deutschen Hilfsorganisationen aufnimmt, wie es der Migrationsforscher Gerald Knaus fordert.

    Die Affäre Sea Watch hat gezeigt: Europa darf dem Ertrinken von Flüchtlingen im Mittelmeer nicht tatenlos zusehen, sondern muss auf Staatenebene aktiv werden. In dieser Hinsicht handelte Rackete beispielhaft, ihre erzwungene Landung auf Lampedusa war es nicht.

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