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Stuttgart 21: Die finanzielle Krise um Stuttgart 21 verschärft sich

Stuttgart 21

Die finanzielle Krise um Stuttgart 21 verschärft sich

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    Der Streit um die Finanzierung des Großprojekts Stuttgart 21 spitzt sich zu. Das Foto vom Stuttgarter Hauptbahnhof und dem Gelände von Stuttgart 21 entstand im September 2010.
    Der Streit um die Finanzierung des Großprojekts Stuttgart 21 spitzt sich zu. Das Foto vom Stuttgarter Hauptbahnhof und dem Gelände von Stuttgart 21 entstand im September 2010. Foto: Benjamin Beytekin, dpa (Archiv)

    Volker Kefer, Technikvorstand der Deutschen Bahn AG, hat es nicht einfach. Der Aufsichtsrat seines Arbeitgebers hatte ihn in dieser Woche zwei Tage in die baden-württembergische Landeshauptstadt geschickt. Kefers Mission: Er sollte ausloten, ob die Projektpartner bereit sind, sich an den Mehrkosten von Stuttgart 21 zu beteiligen. Dabei hat die Bahn einen schwierigen Stand: 2006 ging der Konzern noch von Gesamtkosten von rund 2,8 Milliarden Euro aus. Drei Jahre später stieg die Summe auf etwa 4,1 Milliarden Euro an. Zuletzt musste die Bahn eingestehen, dass man inklusive eines Risiko-Puffers mit 6,8 Milliarden Euro rechne. Die Stuttgarter Polit-Baustelle droht zum Milliardenloch zu werden.

    Eine heftige Diskussion

    Zunächst holte sich Kefer bei Baden-Württembergs Verkehrsminister Winfried Hermann einen Korb. „Es war eine heftige Diskussion. Wir haben uns im Kreis gedreht“, sagte Hermann nach der zweistündigen Sitzung. Der Grünen-Politiker, der nicht gerade als Unterstützer von Stuttgart 21 bekannt ist, verteidigte die Position der grün-roten Landesregierung. Diese hatte schon im September 2011 den Kostendeckel auf 4,526 Milliarden Euro festgelegt. Das Land werde nach wie vor 930 Millionen Euro bezahlen, aber keinen Cent mehr, erklärte Hermann.

    Kefer verkündete, dass die Bahn die sogenannte „Sprechklausel“ ziehen werde. Das ist ein formaler Akt, der es in sich hat. In Paragraf acht des Finanzierungsvertrags heißt es, die Bahn und das Land müssen weitere Gespräche führen, falls bei Stuttgart 21 der Kostenrahmen gesprengt wird. Die Bahn und deren Vertreter Kefer deuten die Klausel so, dass sich das Land beteiligen muss, wird das Projekt teurer als 4,526 Milliarden Euro. Für das Land steht hinter dem Paragrafen nur eine Verpflichtung zum Reden.

    Stuttgart zahlt rund 290 Millionen Euro

    Auch bei Stuttgarts neuem Oberbürgermeister Fritz Kuhn, ebenfalls ein Grüner, hörte Kefer dieselben Worte. „Ich habe die grundsätzliche Haltung dargelegt, dass wir uns an die Finanzierungsvereinbarung halten“, sagte Kuhn über das in „freundlicher Atmosphäre“ geführte Gespräch mit Kefer. Das heißt: Stuttgart zahlt rund 290 Millionen Euro. Im Übrigen halte er sich an einen Beschluss des Stadtrats, nach dem die Beteiligung an weiteren Kosten durch einen Bürgerentscheid legitimiert werden müsste.

    Kefer kommt immer mehr in die Zwickmühle. Steigen die Kosten um bis zu 2,3 Milliarden Euro an, werde die Bahn rund 1,1 Milliarden Euro übernehmen, sagte er noch vor zwei Monaten. Gegenüber Hermann und Kuhn wollte er nicht mal das noch bestätigen. Aus seinem Umfeld war zu hören, er empfinde es als undankbar, dass er die Hand ausgestreckt habe und die Projektpartner, allen voran das Land Baden-Württemberg und die Stadt Stuttgart, kein Entgegenkommen zeigen würden.

    Will Kretschmann aussteigen?

    „Der Ball liegt jetzt beim Aufsichtsrat“, sagt Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann. Der Regierungschef legte beim Streit mit der Bahn nochmals nach. „Es handelt sich nicht nur um eine Vertrauenskrise, sondern auch um eine Finanzierungskrise“, betonte Kretschmann. Der Grünen-Politiker fügte hinzu, bei einer unsicheren Finanzierung könne man „nicht zulassen, dass gebaut wird“. Will Kretschmann aussteigen? „Das war nur ein Appell an die Vernunft aller Beteiligten“, schob er nach.

    Der Bund will offenbar trotz der zu erwartenden Milliarden-Mehrkosten am Weiterbau des Bahnhofsprojekts festhalten. Wie die Frankfurter Allgemeine Zeitung gestern berichtete, werden die Vertreter der Bundesregierung im Bahn-Aufsichtsrat – die drei Staatssekretäre der Bundesministerien für Verkehr, Wirtschaft und Finanzen – dem Konzern in der Sondersitzung am 5. März die Übernahme von Mehrkosten von bis zu zwei Milliarden Euro genehmigen.

    Der Ausstieg würde bis zu zwei Milliarden Euro kosten

    Die Alternative wäre ein Ausstieg aus dem Projekt, und der würde bis zu zwei Milliarden Euro kosten, ist auch aus rot-grünen Regierungskreisen zu hören. „Ich will keinen Baustopp“, sagte Kretschmann vor einigen Tagen.

    Regelmäßig kommt auch der Vorschlag auf, man könne die Neubaustrecke Ulm-Wendlingen aus dem Bahnprojekt Stuttgart-Ulm herausnehmen. Dies mache Sinn, weil bei der Neubaustrecke die Finanzierung durch EU, Bund, Bahn und Land steht. Zudem wurde bereits mit dem Bau erster Streckenabschnitte schon begonnen. Doch bis jetzt hat sich nur Jürgen Filius, der Ulmer Grünen-Landtagsabgeordnete, offensiv für diese Variante ausgesprochen. Filius: „Wenn Stuttgart 21 nicht kommt, wäre zumindest die Neubaustrecke nicht gescheitert.“

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