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USA: Donald Trump hört nur noch auf Donald Trump

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Donald Trump hört nur noch auf Donald Trump

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    Donald Trump wie man ihn kennt, hier bei einem Auftritt vor der Presse.
    Donald Trump wie man ihn kennt, hier bei einem Auftritt vor der Presse. Foto: Saul Loeb, afp (Archiv)

    Am Ende reicht es nicht mal für eine Grußformel unter dem Rücktrittsschreiben. Der Verteidigungsminister quittiert seinen Job an der Spitze der stärksten Streitmacht der Welt nur mit seinem Namen. Deutlicher kann der an Disziplin gewohnte Pentagon-Chef seine Gefühle gegenüber dem US-Präsidenten kaum ausdrücken. James Mattis, so viel ist klar, hat genug von Donald Trumps Verrücktheiten.

    Am Donnerstag hat er einen letzten Versuch unternommen, mit Trump zu reden. Mattis taucht im Weißen Haus auf, sagte, er könne es mit seinem Gewissen nicht vereinbaren, die kurdischen Verbündeten in Syrien im Stich zu lassen. Der Präsident lässt ihn abblitzen.

    Trump hält nicht nur an seiner im Alleingang getroffenen Entscheidung fest, die US-Soldaten aus Syriens abzuziehen. Er ordnet zudem an, die Truppenstärke in Afghanistan zu halbieren. Beides gegen den ausdrücklichen Rat von Mattis, aber auch seines übrigen außen- und sicherheitspolitischen Teams.

    Mattis' Rücktrittsschreiben ist schon fertig, die Mitarbeiter machen noch schnell 50 Kopien

    Zurück im Pentagon bittet Mattis seine Mitarbeiter, 50 Kopien von dem bereits verfassten Rücktrittsschreiben zu machen. Eine davon geht an Trump, der so tut, als ginge Mattis in gegenseitigem Einvernehmen. Das Gegenteil ist der Fall. Der Verteidigungsminister verlässt sein Amt unter scharfem Protest.

    „Ich glaube fest daran, Bündnispartner mit Respekt zu behandeln und sich keine Illusionen über böswillige Akteure und strategische Rivalen zu machen“, schreibt Mattis. Und: „Da Sie ein Recht auf einen Verteidigungsminister haben, dessen Ansichten mehr auf Ihrer Linie liegen, halte ich es für richtig, von meinem Posten zurückzutreten.“

    In Washington löst die Nachricht Schockwellen aus. Dort liegen die Nerven ohnehin blank. Die Regierung droht stillzustehen, derzeit gibt es weder einen Stabschef noch einen Justizminister. Am schwersten aber wiegt die Sorge um die amerikanische Außen- und Sicherheitspolitik, als deren Garant Mattis galt. Wer soll Trump nun bremsen?

    "Warum kommen alle diese Leute aus Drecksloch-Staaten zu uns?", poltert Trump

    Amerika zuerst. Die Welt als Marktplatz. Und die Verbündeten als zahlende Kunden. Das sind die Stereotype, die Trump kurz nach Neujahr von sich gibt, als er die norwegische Ministerpräsidentin Erna Solberg empfängt. Es bleiben nicht die einzigen. Einen Tag danach sitzt Trump im Oval Office mit Abgeordneten zusammen: „Warum kommen alle diese Leute aus Drecksloch-Staaten zu uns?“, poltert er über Migranten aus Mittelamerika und Afrika: „Wir sollten mehr Leute aus Ländern wie Norwegen haben!“ Die Medien empören sich, Trumps Anhänger jubeln.

    Im Rückblick wird deutlich, was Beobachter damals nur ahnen: 2018 ist das Jahr, in dem Trump tatsächlich die amerikanische Präsidentschaft kapert. Sein Sieg bei den Wahlen 2016 hatte den Milliardär selber überrascht. Das erste Amtsjahr 2017 war geprägt von chaotischen Selbstfindungsprozessen im Weißen Haus. Damals hatten Optimisten noch gehofft, gemäßigte Minister und Berater könnten den Narzissten einfangen. Doch damit ist es 2018 endgültig vorbei. Offen revoltiert Trump gegen die „sogenannten Experten“ in seinem Umfeld. „Nicht gratulieren!“ schreiben sie nach der umstrittenen russischen Präsidentschaftswahl auf seinen Sprechzettel. Trump greift zum Telefon und beglückwünscht seinen Freund Wladimir ausdrücklich.

    „Es hat eine Weile gedauert, bis der Präsident überblickt hat, wie viel Einfluss er auf die Dinge nehmen kann“, gesteht Trumps Berater Rudy Giuliani im März: „Jetzt sieht er ein freies Feld vor sich.“ Seither akzeptiert er nur noch eine Autorität – seine eigene. „Ich bin ein sehr stabiles Genie“, bescheinigt er sich bei Twitter. Den Demokraten, die seiner Regierungserklärung nicht applaudieren, unterstellt er Staatsverrat. Er feuert seinen Außenminister Rex Tillerson, der das Iran-Abkommen beibehalten will, und seinen Sicherheitsberater Herbert Raymond McMaster, der Putin kritisch sieht. Selbst in der Russland-Affäre übernimmt er seine eigene Verteidigung. Trump hat seine Ketten gesprengt.

    Der Baum, den Trump mit Macron gepflanzt hat, wird am nächsten Tag herausgerissen

    Ein US-Präsident, der die Welt als Arena betrachtet, in der jeder seine Stärke rücksichtslos zum eigenen Vorteil einsetzt, der demokratische Werte schnöden Nützlichkeitserwägungen unterordnet, der Diktatoren hofiert und Staatsmorde an Regimekritikern mit einem Achselzucken quittiert – darauf hat die westliche Welt bis heute keine Antwort gefunden. Kanzlerin Angela Merkel wahrt im April bei ihrem Besuch im Weißen Haus kühle Distanz. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron pflanzt gemeinsam mit dem umschmeichelten Trump eine Eiche, die am nächsten Tag von den Gärtnern des Weißen Hauses aus Angst vor Schädlingen herausgerissen wird. Und der kanadische Premierminister Justin Trudeau erlebt ein jähes Ende seiner Charmeoffensive beim G7-Gipfel, als sich Trump nach der Abreise aus der Air Force One meldet, um die Abschlusserklärung zu verreißen und den Gastgeber persönlich zu beleidigen.

    Im Juli steht Trump in Helsinki neben Russlands Präsident Putin, den er als Autokraten bewundert. Für die schlechten Beziehungen zwischen Washington und Moskau macht Trump die „amerikanische Verrücktheit“ vor seiner Zeit und die Untersuchungen durch Sonderermittler Robert Mueller verantwortlich. Putin streitet ab, dass Russland versucht habe, die US-Wahlen 2016 zu beeinflussen. Die US-Geheimdienste hingegen halten das für erwiesen. Wem er nun glaube, wird Trump gefragt. „Präsident Putin sagt, dass Russland nichts getan hat“, antwortet er, „ich sehe keinen Grund, warum es das getan haben sollte.“

    Ein US-Präsident, der seine eigenen Behörden desavouiert und die Sprachregelung der fremden Macht übernimmt – auf eine solche Idee sind nicht einmal die Macher der zynischen Politsatire „House of Cards“ gekommen. Trump wiederholt dieses Muster ein paar Monate später, als er dem saudischen Kronprinzen Mohammed bin Salman im Mordfall Khashoggi mehr glaubt als den Erkenntnissen der CIA. Immer ungehemmter verstößt der Präsident gegen Normen, die den Amerikanern heilig sind: Er lügt und täuscht im Minutentakt, verhöhnt den Kriegshelden John McCain und liefert mit seinen Angriffen auf die freie Presse den Diktatoren aller Länder einen Persilschein.

    Von seinen Anhängern wird Trump als ausgestreckter Mittelfinger gegen das Establishment gefeiert

    Immer wieder klagt Trump, die USA seien mit ihrer Kompromissbereitschaft zur „Lachnummer“ der Welt verkommen: „Die denken, wir sind Idioten.“ Ende September steht er in New York dann persönlich vor den Regierungschefs und Außenministern von 193 Staaten. Er beginnt seine UN-Rede mit einem kräftigen Selbstlob. „Wir haben mehr erreicht als jede andere Regierung in der US-Geschichte“, prahlt der Präsident, als im großen Saal der Vereinten Nationen plötzlich offenes Gelächter ausbricht.

    Doch weder mit Enthüllungsbüchern, die nun die Buchläden fluten, noch mit Spott auf dem diplomatischen Parkett ist einem Mann beizukommen, der keinerlei Selbstzweifel kennt und von seinen Anhängern als ausgestreckter Mittelfinger gegen das Establishment gefeiert wird. In einer Sitzreihe neben den Ex-Präsidenten Barack Obama, Bill Clinton und Jimmy Carter wirkt Trump bei der Trauerfeier für den verstorbenen George H. W. Bush im Dezember wie ein Fremdkörper. Aber er braucht die Unterstützung dieses Teils Amerikas nicht.

    Rund 80 Prozent der Republikaner-Wähler stehen unverändert hinter ihm. Bei Kundgebungen im Norden Pennsylvanias kann man die rechte Basis treffen. Es sind weiße Männer mit kurzen Hosen und derben Schuhen, die um ihre Jobs fürchten. Trump schürt gezielt die Angst und setzt einen Nationalismus mit rassistischem Unterton dagegen. Seine Slogans von den „verbrecherischen Demokraten“, den „kriminellen Ausländern“ und der neuen Stärke des Industriestandorts USA fallen hier auf fruchtbaren Boden. „Loyale Leute wie ihr habt das Land aufgebaut“, ruft er. „Zusammen holen wir uns das Land zurück!“

    Aller Empörung in den US-Zeitungen und im Ausland zum Trotz ist Trump mit der Zerstörung der alten Werte weit gekommen. Die Hälfte der Amerikaner macht zum Ende des Jahres nicht ihn, sondern die Presse für das vergiftete Klima im Land verantwortlich. Doch 2019 werden sich die Rahmenbedingungen verändern: Erstmals steht dem Präsidenten nun eine demokratische Mehrheit im Repräsentantenhaus gegenüber. Sonderermittler Mueller hat sich mit belastenden Aussagen zahlreicher ehemaliger Trump-Vertrauter munitioniert. Und der Konjunkturboom hat seinen Höhepunkt überschritten.

    Die Zeit, in der ein entfesselter Donald Trump alleine die Regeln des Spiels festlegen konnte, geht zu Ende. Doch niemand weiß, ob ihn das bremsen oder im Gegenteil noch anstacheln wird.

    Lesen Sie auch unseren Kommentar: Donald Trump: Ein Irrlicht ohne jedes Korrektiv.

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