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Down-Syndrom: Eine schwierige Diagnose

Down-Syndrom

Eine schwierige Diagnose

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    Die Debatte läuft schon eine gute Stunde, als Matthias Bartke nach vorne ans Rednerpult geht. Der SPD-Abgeordnete erzählt im Plenarsaal, wie er neulich in einer Autobahnraststätte ein fröhlich spielendes Kind mit Down-Syndrom sah, wohl drei Jahre alt. „Es trug ein T-Shirt, auf dem stand: Wie schön, dass es mich gibt.“ Der Satz habe ihn direkt ins Herz getroffen und beschreibe genau das Problem: „Wollen wir wirklich die Umstände erleichtern, dass es künftig solche Kinder nicht mehr gibt?“

    Mehr als 30 Redner melden sich am Donnerstag im Bundestag zu Wort. Es geht um die sensible Frage, wie weit man mit Gentests bei Ungeborenen gehen soll – und was die Krankenkasse zahlt. Sozialdemokrat Bartke bezieht mit mehreren anderen eine der beiden gegensätzlichen Positionen, die in der zweistündigen Debatte über die Fraktionen hinweg deutlich werden. Dabei geht es zunächst darum, ob seit 2012 erhältliche Bluttests, etwa auf ein Down-Syndrom, künftig für Versicherte kostenlos werden. Sie gelten als risikolos im Vergleich zu den seit mehr als 30 Jahren üblichen Fruchtwasseruntersuchungen, die Kassenleistung sind. Das zuständige Gremium des Gesundheitswesens will im Sommer entscheiden, ob das so auch für Bluttests kommen soll. Aber ausdrücklich begrenzt auf Schwangerschaften mit erhöhtem Risiko für Komplikationen, etwa wegen chronischer Erkrankungen der Mutter.

    Solche Tests sollten Eltern in die Lage versetzen, sich früh mit einer Abtreibung zu befassen, argumentiert Bartke. Es dürfe aber „niemals Aufgabe des Staates sein, aktiv dazu beizutragen, dass Leben verhindert wird“. Auch Corinna Rüffer (Grüne) warnt, der Test diene in aller Regel der „Selektion“ – und jedenfalls nicht der Heilung, zumal das Down-Syndrom keine Krankheit sei. Die meisten Abgeordneten beziehen eine andere Position. Gleich nach SPD-Mann Bartke ist Katrin Helling-Plahr dran, die ihr zweites Kind erwartet. Die 33-Jährige von der FDP berichtet sachlich, aber eindringlich, wie es ihr selbst ergangen ist. Für 269 Euro habe sie mit einem Bluttest untersuchen lassen, ob bei ihrem ungeborenen Kind Trisomie vorliegt. Denn sie habe eine Schilddrüsenerkrankung. Gemacht habe sie den Test nicht, um abzutreiben, sagt Helling-Plahr. „Sondern weil Untersuchungsergebnisse den werdenden Eltern Sicherheit bieten.“ Weil sie Sorgen nehmen könnten oder es ermöglichten, sich auf Kommendes einzustellen. Bei Fruchtwasseruntersuchungen könne es aber Fehlgeburten geben. Daher sei es „unethisch, Risikoschwangere, die nicht über die notwendigen finanziellen Mittel verfügen, vor die Wahl zu stellen“ – entweder mit Unsicherheit leben zu müssen oder ein Risiko einzugehen, obwohl die Information risikolos zu erlangen sei.

    Zu Massenuntersuchungen für alle dürfe es aber auch nicht kommen, mahnt Christine Aschenberg-Dugnus von der FDP. Dabei sehen viele schon voraus, dass Gendiagnosen bald noch weitere Eigenschaften werdender Kinder herausfinden können. „Wir optimieren alles“, argumentiert CDU-Mann Michael Brand. Aber wer definiere das Optimum und wo würden dem Grenzen gesetzt? Es gebe auch ein „Recht auf Nichtwissen“ und darauf, guter Hoffnung zu sein, meint Kirsten Kappert-Gonther (Grüne). Cornelia Möhring (Linke) betont, Behinderungen seien auch angesichts vieler Kämpfe im Alltag ein „Armutsrisiko“, das abzustellen sei. Eine „Willkommenskultur“ für alle Kinder fordern nahezu wortgleich Dagmar Schmidt (SPD) und Volker Münz (AfD).

    Ob auf die Grundsatzdiskussion noch konkrete Anträge folgen, muss sich zeigen. Nicht ans Rednerpult geht Jens Spahn (CDU). Die breite Debatte helfe, gesellschaftliches Bewusstsein zu schaffen, schreibt der Gesundheitsminister im Internet. Entscheidend sei, was aus Testergebnissen folge. „Und wie wir als Gesellschaft die Eltern bestmöglich bei der Entscheidung für das Leben unterstützen.“ (dpa)

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