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EU-Kommissionspräsident: Emmanuel Macron steckt für seine Blockade-Haltung Kritik ein

EU-Kommissionspräsident

Emmanuel Macron steckt für seine Blockade-Haltung Kritik ein

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    Selbst in Frankreich reagiert man inzwischen irritiert auf Macrons Haltung gegenüber Deutschland.
    Selbst in Frankreich reagiert man inzwischen irritiert auf Macrons Haltung gegenüber Deutschland. Foto: Stefan Rousseau, dpa

    Manche Ausdrücke sind derart unfranzösisch, dass man sich die Übersetzung spart und sie in ihrer deutschen Form belässt. Das folgt dann zur gängigen Verwendung von „le Waldsterben“, „le Muesli“ oder „le Leitmotiv“. Nun bereichert ein neues Wort den französischen Wortschatz: „le Spitzenkandidat“. Das unterstreicht, wie sehr es sich um ein von den Deutschen aufgedrücktes Konzept handelt, das Präsident Emmanuel Macron ablehnt.

    Auch aufgrund seines Widerstandes konnte sich bislang keiner der drei Spitzenkandidaten bei der EU-Wahl und vor allem nicht der deutsche Christdemokrat Manfred Weber als Präsident der EU-Kommission durchsetzen. Indem Macron Webers mangelndes staatsmännisches Format offen kritisierte und Allianzen gegen ihn organisierte, nahm er die Bloßstellung von Bundeskanzlerin Angela Merkel in Kauf, die den CSU-Politiker unterstützt. Stattdessen schlug er sie für einen EU-Spitzenposten vor, während Merkel erwiderte, sie sei „ein bisschen traurig“ darüber, dass ihr wiederholtes Nein „nicht respektiert“ würde.

    Berlin und Paris nähern sich nicht an

    Nachdem beide lange demonstrativ den Schulterschluss gezeigt haben, ist im EU-Wahlkampf die Distanz gewachsen. Zweimal innerhalb weniger Wochen empfing der französische Präsident die CDU-Vorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer, deren Erwiderung auf seine Vorschläge für weitgehende EU-Reformen in Paris irritiert hatte, als sie unter anderem den Straßburger Sitz des EU-Parlamentes infrage stellte. Der persönliche Austausch war freundlich, AKK zeigte sich aufgeschlossen gegenüber der Idee transnationaler Wahllisten. Doch in der Spitzenkandidaten-Frage näherte man sich nicht an.

    Als Hauptargument führt der französische Präsident an, dass er nationale Listen für undemokratisch halte: „Wenn sich Manfred Weber vor dem europäischen Volk präsentiert hätte, kein Problem. Aber er trat als Listenführer in Deutschland an.“ Den Vorwurf, ein Machtpoker hinter verschlossenen Türen, an dem er selbst eifrig teilnahm, entmachte das demokratisch gewählte EU-Parlament, wies Macron zurück: Die verhandelnden Staats- und Regierungschefs seien durch Wahlen legitimiert.

    Offensichtlich erscheint, dass er einen EU-Spitzenposten für Frankreich anvisiert. Als mögliche Kandidaten gelten der konservative Brexit-Chefunterhändler Michel Barnier oder die IWF-Direktorin und Ex-Wirtschafts- und Finanzministerin Christine Lagarde. Ein ironischer Tweet von Macron wird als Bereitschaft interpretiert, im Gegenzug den Deutschen Jens Weidmann an der Spitze der Europäischen Zentralbank (EZB) zu akzeptieren: Er sei „sehr glücklich“, dass Weidmann und andere ihre Meinung zur lockeren Geldpolitik der EZB geändert hätten. „Wir haben alle Gutes in uns und können uns alle verbessern.“

    Nathalie Loiseau lästert über Merkel und Weber

    Auch in Frankreich ist der Vorwurf der Arroganz zu vernehmen – vor allem seit Nathalie Loiseau, Listenführerin von Macrons Partei La République en marche (LREM), gegenüber Journalisten derart freimütig unter anderem über Merkels Langsamkeit und Webers Chancenlosigkeit herzog, dass sie letztlich auf ihre Kandidatur für den Vorsitz der liberalen Fraktion im EU-Parlament verzichten musste. Dort stellt die LREM mit 21 von 108 Abgeordneten die größte Gruppe.

    Macron ließ immer durchblicken, dass er so, wie er die französische Parteienlandschaft erschüttert hatte, auch Europa aufmischen wolle. Wie viele seiner Vorgänger bedient sich der 41-Jährige – der vor seiner Wahl zum Präsidenten selbst auch lediglich zwei Jahre einen Ministerposten bekleidet hatte – eines selbstbewussten Auftretens auf der internationalen Bühne, um sein Ansehen zu Hause zu verbessern. Mit seinen Ideen für eine reformierte Euro-Zone hatte Macron Wahlkampf gemacht, seine Sorbonne-Rede im Herbst 2017 wurde als wegweisend gefeiert. Umsetzen konnte er davon bislang wenig – es kam nur zu kleinen Kompromissen.

    Wutanfall von Daniel Caspary

    In Deutschland wächst der Groll ebenfalls. Der Chef der CDU/CSU-Gruppe im Europaparlament, Daniel Caspary, hat Macron außergewöhnlich scharf kritisiert. „Ich sehe keine deutsch-französische Achse. Sondern ich sehe einen revisionistischen Herrn Macron, der alles tut, die europäische Demokratie zu zerstören“, sagte der CDU-Politiker. Caspary beließ es nicht bei diesen heftigen Vorwürfen: Macron tue alles dafür, „das europäische Parteiensystem zu zerstören“. Der französische Präsident scheine im Moment „leider auch antideutsch unterwegs zu sein“, ergänzte Caspary. „Das ist eine Vorgehensweise, die mit den proeuropäischen Reden von ihm nicht im Ansatz irgendwas zu tun hat.“

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