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Frankreich: Ein politisches Urgestein kämpft für Europa

Frankreich

Ein politisches Urgestein kämpft für Europa

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    90 Jahre ist Frankreichs ehemaliger Präsident inzwischen.
    90 Jahre ist Frankreichs ehemaliger Präsident inzwischen. Foto: AFP PHOTO/Louisa Gouliamaki

    Charles de Gaulle verehren die Franzosen einhellig, François Mitterrand verklären viele. Dabei haben sie mit Valérie Giscard d’Estaing einen Ex-Präsidenten, der noch lebt und sich, anders als Jacques Chirac, noch immer regelmäßig in Debatten einschaltet. Heute wird der konservative Politiker 90 Jahre alt. Er gilt als einer der großen Europäer seines Landes. So hat er den europäischen Aufbauprozess entscheidend mit vorangebracht – an der Seite des früheren Bundeskanzlers Helmut Schmidt, mit dem ihn eine tiefe Freundschaft verband.

    d’Estaings Weg in die Politik

    Beide Staatsmänner eint zudem, dass sie in ihren jeweiligen Amtszeiten mit schweren Krisen konfrontiert waren – mit der wirtschaftlichen Rezession und den Ölkrisen der siebziger Jahre, auf die Giscard d’Estaing mit dem Ausbau der Kernenergie reagierte. Einen Bezug zum deutschen Nachbarn hat er wohl auch dadurch, dass er 1926 in Koblenz geboren wurde, wo sein Vater als Mitglied der französischen Besatzungsarmee stationiert war.

    Giscard d’Estaing stammt aus einer einflussreichen Familie der französischen Bourgeoisie, die ihren Adelstitel allerdings erkauft hat. Sein Weg in die Politik schien vorgezeichnet: Nach dem Krieg, wo er sich in der Résistance gegen die deutschen Besatzer engagierte und zuletzt als Soldat eingesetzt wurde, studierte er an zwei der renommiertesten Elitehochschulen. Bereits mit 30 Jahren erlangte er sein erstes Abgeordnetenmandat.

    1974 wählten die Franzosen den 48-jährigen Giscard d’Estaing zum jüngsten Staatschef Frankreichs seit Louis Napoleon 1848. Auf ihn gehen Gesellschaftsreformen zurück wie das Heruntersetzen des Volljährigkeitsalters von 21 auf 18 Jahre, das Recht auf Abtreibung oder die Ehescheidung in gegenseitigem Einvernehmen.

    "Lasst uns von Europa träumen"

    Giscard d’Estaing trieb die wirtschaftliche und monetäre Integration Europas voran – seiner Vision eines Staatenbundes à la „Vereinigte Staaten von Europa“ folgend. Früh förderte er die Stärkung des EU-Parlamentes sowie regelmäßige Gipfeltreffen der Staats- und Regierungschefs. Bis heute tritt er als Verfechter der europäischen Idee auf. „Lasst uns von Europa träumen“, erklärte er in einer Rede 2002. „Malen wir uns einen befriedeten, von Trennwänden und Hindernissen befreiten Kontinent aus!“

    Nachdem ein Skandal um Diamantengeschenke, die Giscard d’Estaing vom Diktator der Zentralafrikanischen Republik, Jean-Bédel Bokassa, angenommen hatte, sein Ansehen entscheidend schädigte, verlor er 1981 die Wahl gegen den Sozialisten Mitterrand. Dennoch verfolgte er weiter eine politische Karriere als Regionalpolitiker sowie EU-Parlamentarier von 1989 bis 1993. Nebenbei versuchte er sich als Autor von Romanen – wobei sein Werk „Die Prinzessin und der Präsident“ 2009 über eine fiktive Liebesgeschichte mit Lady Diana vernichtend spöttische Reaktionen erntete.

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