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Evangelischer Kirchentag: Evangelischer Kirchentag: Kontrastprogramm gegen Mutlosigkeit

Evangelischer Kirchentag

Evangelischer Kirchentag: Kontrastprogramm gegen Mutlosigkeit

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    Von der Lutherstadt Wittenberg (2017) zieht der Deutsche Evangelische Kirchentag nach Dortmund weiter.
    Von der Lutherstadt Wittenberg (2017) zieht der Deutsche Evangelische Kirchentag nach Dortmund weiter. Foto: Thomas Lones, dpa

    Wenn es in Deutschland an etwas fehlt, dann ist es das Vertrauen – in die Parteien, die Institutionen, die Europäische Union. Es scheint, als träfe der am heutigen Mittwoch beginnende 37. Deutsche Evangelische Kirchentag in Dortmund den Nagel auf den Kopf mit seiner Losung „Was für ein Vertrauen“. Generalsekretärin Julia Helmke sieht darin durchaus ein Kontrastprogramm zu Gefühl der Ohnmacht, das sich breitmacht, als könne man eh nichts machen, um die Welt ins Bessere zu drehen. „Wir wollen ein Kirchentag der guten Nachrichten sein“, sagt sie im Gespräch mit unserer Redaktion.

    Die Probleme sollen so gewendet werden, dass sie ins Positive führen. „Das heißt aber nicht, dass wir alles mit der rosaroten Brille sehen und naiv sagen: Gott wird es schon richten“, schiebt die promovierte Pfarrerin nach, die 1969 in Freising geboren wurde. „Wir haben über 2000 Veranstaltungen und da geht es um die harten Fakten, die Schwierigkeiten und Herausforderungen in der internationalen Politik, der Flüchtlingskrise, den Umgang mit Rechtspopulismus, um Armut und Reichtum, Klimaschutz und Bewahrung der Schöpfung.“

    Beim Evangelischen Kirchentag 2019 sollen die Teilnehmer mitgestalten können

    Dortmund werde einen Kirchentag der Beteiligung erleben. „Wir laden Menschen ein, die etwas zu sagen haben und die Gesellschaft mitgestalten, also auch mitverändern wollen“, sagt die Generalsekretärin. Auf diesem Kirchentag gebe es „so viele partizipative Angebote wie nie“. Das heiße: Menschen wollen wirklich mitgestalten. Nicht nur zuhören, sondern dabei sein.

    „Tausende von Menschen nehmen sich Urlaub, machen sich auf den Weg, sind zum Teil seit langem dabei, um den Kirchentag zu ihrem Kirchentag zu machen. Um der zu spürenden Ohnmacht etwas Positives und Konstruktives entgegenzusetzen und zu sagen: Wir lassen uns nicht entmutigen“, beschreibt Julia Helmke das Stimmungsbild. „Das kommt auch von der biblischen Botschaft her, dass wir uns trauen, weil Gott uns ganz viel zutraut, und dass wir dieses Vertrauen in die Welt senden können.“

    Nicht zufällig wird der Kirchentag wie die Bundesrepublik 70 Jahre alt. „Der Kirchentag ist gegründet worden aus den Erfahrungen des Nationalsozialismus, um aus der biblischen Botschaft Widerstandskraft zu entwickeln. Man sagte: Wir wollen eine demokratische Bürgergesellschaft unterstützen und aus christlicher Haltung Verantwortung für die Gesellschaft tragen“, erklärt Helmke. Damals galt es auch, eine Heimat zu schaffen. Denn viele Deutsche hatten nach dem Krieg ihre äußere und innere Heimat verloren. „Da war der Kirchentag ein Anker, um Gemeinschaft zu erfahren.“

    Die AfD wurde vom Evangelischen Kirchentag ausgeschlossen

    Mit der Integration ist es freilich nicht mehr so leicht. Das Kirchentagspräsidium hat die AfD von den Podien verbannt. „Die Repräsentanten dieser Partei sagen so vieles, das nicht mit unserem christlichen Menschenbild vereinbar ist. Sie grenzen aus, sie setzen andere Menschen herab. Das brauchen wir nicht hören“, betont die Generalsekretärin. Zugleich wird es in der Stadt sogenannte Barcamps geben, die ein Gesprächsforum sein wollen unter dem Motto: „Das soll doch noch gesagt werden dürfen!“ Unter den Anhängern populistischer Ideen seien ja auch Christenmenschen. „Sie sind uns auf dem Kirchentag willkommen, wir laden alle zu Gottesdiensten und Bibelarbeiten ein und schließlich interessieren sie genauso viele Themen, sei es Europa, Geschlechtergerechtigkeit oder der Umgang mit dem Alter.“

    Und der Kirchentag spielt selbstverständlich auch auf Borussia Dortmund an. „Wir haben ein großes Zentrum Sport, da der Sport für viele Aspekte im Leben steht: Was mache ich alles, um zu gewinnen? Wie viel opfere ich, um Leistung zu erbringen? Wo setze ich meine Grenzen?“, erläutert Helmke. Auch die sozialen Brennpunkte der Ruhrgebietsmetropole spart der Kirchentag nicht aus. „Wir haben bewusst das Zentrum Jugend an die Orte, wo sehr viele Kulturen zusammenleben, gesetzt, weil die Zukunft in dieser Multikulturalität besteht“, so die Generalsekretärin. Für die Teilnehmer wird es einen Mittagstisch in Migrationskirchen geben. Der Kirchentag will informieren und auch ein Gegengewicht setzen. „Wir bieten Stadtspaziergänge um das Thema Rechtsextremismus an, da Dortmund darin leider auch eine unrühmliche Geschichte hat und eine aktive Bürgergesellschaft“, kündigt Helmke an.

    Ebenfalls Thema beim Evangelischen Kirchentag: Sexueller Missbrauch

    Noch ein heikles Thema greifen die Protestanten in Dortmund auf: Dem sexuellen Missbrauch gelten zwei der zwölf Hauptvorträge. Die Hamburger Bischöfin Kirsten Fehrs sitzt auf dem Podium „Vertrauen und Vertrauensmissbrauch“ – übrigens zusammen mit Benediktinerpater Anselm Grün und Betroffenen. Und der Arzt und Friedensnobelpreisträger Denis Mukwege debattiert mit Außenminister Heiko Maas über den Schutz von Frauen und Kindern vor sexualisierter Gewalt weltweit.

    „Viel zu lange“ sei auch in der evangelischen Kirche den Opfern zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt worden. „Ich bin froh, dass sich meine Kirche jetzt auf den Weg macht mit einer unabhängigen Stelle, an die sich Opfer wenden können“, sagt Helmke. Nicht zuletzt bietet der Kirchentag all denen eine Zuflucht, die zuweilen von ihrer heimischen Kirchengemeinde Ernüchterung erfahren. „Hier erleben sie ein großes Miteinander“, verspricht sie.

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