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Faktencheck: Schiebt Bayern wirklich konsequenter ab?

Faktencheck

Schiebt Bayern wirklich konsequenter ab?

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    Demo gegen Abschiebung am Augsburger Moritzplatz im März 2017.
    Demo gegen Abschiebung am Augsburger Moritzplatz im März 2017. Foto: Silvio Wyszengrad

    Wenn es nach Spitzenpolitikern der CSU geht, ist die Sache ziemlich eindeutig: Während Bayern abgelehnte Asylbewerber konsequent abschiebt, nehmen es andere Bundesländer nicht so genau. So hört man das jedenfalls immer wieder in Talkshows und Bierzelten. Vor allem Nordrhein-Westfalen (bislang rot-grün regiert) und Berlin (rot-rot-grün) werden dann gerne als negative Beispiele genannt. Zu Recht? Um dieser Frage auf den Grund zu gehen, werfen wir einen Blick auf die Bilanz des ersten Halbjahres. Unsere Quelle für alle folgenden Daten ist das Bundesinnenministerium.

    Beginnen wir mit der absoluten Zahl der Abschiebungen – und einer unerwarteten Rangliste: Bis Ende Juni hat Nordrhein-Westfalen 3168 Personen abgeschoben – und damit weit mehr als jedes andere Bundesland. Dahinter folgen das grün-schwarz regierte Baden-Württemberg (1888), Bayern (1596) und Berlin (1132). Ausgerechnet die beiden vermeintlichen Abschiebungs-Blockierer unter den ersten vier? Das ist überraschend, wiederlegt aber nicht automatisch die These der CSU.

    Denn um die Abschiebepraxis seriös bewerten zu können, ist ja auch die Gesamtzahl der Personen entscheidend, die das Land verlassen müssten. Hier ergibt sich schon ein etwas anderes Bild. In Nordrhein-Westfalen lebten Ende Juni 22356 ausreisepflichtige Menschen ohne Duldung – viel mehr als in jedem anderen Bundesland. Zum Vergleich: In Bayern waren es 9327, in Baden-Württemberg 6180 und in Berlin 6082 Personen. Setzt man diese Zahlen in Relation zu den tatsächlich erfolgten Abschiebungen, liegt Nordrhein-Westfalen mit einer Abschiebequote von rund 14,2 Prozent klar zurück. Bayern kommt auf 17,1 Prozent, Berlin auf 18,6 Prozent und Baden-Württemberg sogar auf über 30 Prozent.

    Bayern mit strengen Duldungsregularien

    Und auch das ist noch immer nicht die ganze Wahrheit. Denn in der Verantwortung der Länder und Kommunen liegt ja auch die Frage, ob Menschen, die kein Asyl bekommen haben, trotzdem bleiben dürfen – weil sie geduldet werden. In diesem Punkt ist Bayern im Vergleich der vier Länder eindeutig am strengsten: Gut 56 Prozent der Menschen, die eigentlich ausreisen müssten, erhielten hier im ersten Halbjahr den Status der Duldung. In Berlin waren es 62 Prozent und in Nordrhein-Westfalen gut 69 Prozent. In Baden-Württemberg werden sogar mehr als 76 Prozent der Personen geduldet, deren Asylantrag abgelehnt wurde.

    Nähme man die Gesamtzahl der Ausreisepflichtigen (egal, ob geduldet oder nicht) als Maßstab für die Abschiebequote, ließe sich die Kritik der CSU an den anderen Ländern am ehesten belegen: Bayern liegt mit 7,5 Prozent vor Baden-Württemberg (7,2) und Berlin (7,1) – und mit weitem Abstand vor Nordrhein-Westfalen (4,4).

    Ende Juni lebten in Deutschland 226457 ausreisepflichtige Menschen, 159678 von ihnen werden zumindest vorübergehend geduldet – also gut 70 Prozent. Diese Personen dürfen schon mal nicht abgeschoben werden. Dazu kommen weitere Hindernisse wie fehlende Papiere oder ärztliche Atteste, die eine „Rückführung“ verhindern. Oft weigern sich auch die Herkunftsländer, ihre Landsleute zurückzunehmen. Horst Seehofer hält es deshalb für „fast unmöglich“, Migranten abzuschieben, „wenn sie einmal im Land sind“. In Deutschland herrsche diesbezüglich eine „große Illusion“, sagt der CSU-Chef. Tatsächlich ist die Zahl der Abschiebungen bis Ende Juni mit 12545 im Vergleich zum selben Zeitraum im Vorjahr um neun Prozent gesunken.

    NRW: Mehr Abschiebungen als Bayern

    Nordrhein-Westfalen hat im ersten Halbjahr sogar mehr Menschen abgeschoben als Bayern. Baden-Württemberg auch. Und Berlin liegt in der bundesweiten Rangliste direkt hinter dem Freistaat. In der Relation zur Gesamtzahl der ausreisepflichtigen Personen schiebt Bayern aber tatsächlich konsequenter ab. Und auch wenn es um die Frage geht, ob abgelehnte Asylbewerber trotzdem geduldet werden, ist Bayern rigoroser als andere Länder.

    Asylverfahren in Deutschland

    Wer in Deutschland Asyl beantragen will, muss sich an eine Erstaufnahme-Einrichtung (EA) des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BANF) wenden. In Bayern gibt es bisher drei: in Zirndorf, München und Deggendorf. Auch alle anderen Regierungsbezirke sollen eine EA bekommen, darunter ist für Schwaben eine für 500 Bewohner in Augsburg an der Berliner Allee geplant. In der EA bleiben Asylsuchende in der Regel zwei bis drei Monate, um anschließend weiterverteilt zur werden.

    Die Verteilung der Asylbewerber wird mithilfe des bundesweiten Verteilungssystems „Easy“ geregelt. Welche Einrichtung für Asylsuchende jeweils bestimmt wird, hängt zum einen von Kapazitäten ab, aber auch davon, aus welchem Land der Asylbewerber kommt. Denn nicht jede Außenstelle des Bundesamts bearbeitet jedes Heimatland.

    Er ist die Grundlage für die Aufnahmequoten der Bundesländer und wird für jedes Jahr entsprechend der Steuereinnahmen und der Bevölkerungszahl der Länder berechnet. 2015 muss Bayern 15,3 Prozent der Asylbewerber aufnehmen. Eine höhere Quote hat nur Nordrhein-Westfalen, hier sind es 21,2 Prozent.

    Asylbewerber werden in Bayern von den Bezirksregierungen entweder in staatliche Gemeinschaftsunterkünfte eingewiesen oder in dezentralen Unterkünften untergebracht, die von den Landkreisen und kreisfreien Städten zur Verfügung gestellt werden müssen.

    Wer Asyl beantragt, wird früher oder später zur Anhörung beim BAMF eingeladen. Dabei sind ein sogenannter „Entscheider“ des Bundesamtes und ein Dolmetscher. Die Entscheidung wird dem Bewerber schriftlich mitgeteilt. Gegen eine ablehnende Entscheidung ist bei den Verwaltungsgerichten Klage möglich.

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