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Kommentar: Freie Wähler könnten mehr als CSU-Anhängsel werden

Kommentar

Freie Wähler könnten mehr als CSU-Anhängsel werden

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    Markus Söder (links) und Hubert Aiwanger wollen zusammen regieren.
    Markus Söder (links) und Hubert Aiwanger wollen zusammen regieren. Foto: Peter Kneffel, afp

    Wie tickt Hubert Aiwanger? Was ändert sich in Bayern, wenn der Chef-Chef der Freien Wähler mit am Kabinettstisch sitzt? Es wird, so viel ist klar, keinen grundsätzlichen Richtungswechsel in der Politik der Staatsregierung geben. Die CSU steht Mitte-Rechts, Aiwanger steht Mitte-Rechts. Dennoch gibt es spannende Unterschiede im Stil, im Inhalt und in der Grundidee von Politik. Solange die Freien im Landtag in der Opposition waren, fiel das nicht weiter auf. Jetzt wird es ernst. Die Frage lautet: Wird er etwas durchsetzen können von seinen Vorstellungen oder wird er zum bloßen Anhängsel der CSU?

    Aiwanger kommt aus der Kommunalpolitik, er kommt vom Land, er ist durch und durch praktisch veranlagt. Mit den Weltanschauungen, wie sie von anderen Parteien im Landtag vertreten werden, hat er nichts am Hut. Er mag Landwirte, Handwerker, kleine und mittelständische Unternehmer. Große Firmen oder international tätige Konzerne sind ihm suspekt. Er mag Gemeinderäte, Bürgermeister und Landräte, weil die sich um konkrete Probleme kümmern. Parlamentarier, die Grundsatzdebatten über einen konservativen, liberalen, sozialdemokratischen oder ökologischen Kurs führen, sind für ihn Ideologen. Seine Grundidee von Politik folgt dem simplen Motto: Problem erkennen, Problem lösen.

    CSU verspottete Freie Wähler als "Freibier-Partei"

    Das klingt nach klarem Kurs. Doch genau da beginnen auch die Schwierigkeiten. Eine Staatsregierung, die Probleme lösen will, braucht Geld. Will sie viele Probleme lösen, dann braucht sie viel Geld. In der Opposition scherten sich die Freien Wähler nicht viel um die Finanzierbarkeit ihrer Forderungen. Sie forderten munter drauflos – mal hier ein paar hundert Millionen mehr, mal dort ein paar hundert Millionen zusätzlich. Dass sie deshalb im Wahlkampf von ihrem neuen Partner CSU als „Freibier-Wähler“ verspottet wurden, hatte einen durchaus realen Hintergrund. Aiwanger wird lernen müssen, dass das Reich der Wünsche zwar unbegrenzt ist, die realen Möglichkeiten aber begrenzt sind. Er wird Prioritäten setzen und sich, auch wenn er das nicht mag, den dann unweigerlich fälligen Grundsatzdebatten stellen müssen.

    Alle Krankenhäuser in der Fläche zu erhalten, ist ein schönes Ziel. Aber wer zahlt? Die Versicherten? Die Steuerzahler? Kostenfreie Kindertagesstätten, Anwohnerstraßen, Breitbandversorgung – die Liste ließe sich fortsetzen. Kostenfreiheit heißt aber nicht, dass etwas nichts kostet. Aiwanger will mehr Geld für den ländlichen Raum – er wird es den großen Städten nehmen müssen. Aiwanger ist gegen die großen Stromtrassen – er wird darlegen müssen, wie er in Bayern ohne diese Trassen eine bezahlbare und umweltverträgliche Stromversorgung sicherstellt. Aiwanger wetterte im Wahlkampf gegen das Investitionsprogramm in Luft- und Raumfahrttechnologien, das Ministerpräsident Söder unter dem reißerischen Titel „Bavaria One“ angepriesen hat – er wird sagen müssen, was seine Alternativen sind, um Bayerns internationale Wettbewerbsfähigkeit auch in Zukunft zu erhalten. Gerade in der Wirtschaftspolitik haben sich die Freien bisher nicht als Experten hervorgetan.

    Die Arroganz der Macht...

    Die mit Abstand spannendste Frage aber wird sein, was von der Idee eines alternativen Politikstils übrig bleiben wird, die Aiwanger bisher propagiert: der Opposition zuhören, gute Ideen aufgreifen und umsetzen, die Arroganz der Macht überwinden, die Debatte in der Sache über parteipolitische Rechthaberei stellen. Der politischen Kultur im Landtag könnte das nur guttun. Auf diesem Feld vor allem könnten Aiwanger und seine Freien beweisen, dass sie mehr sind als ein Anhängsel der CSU.

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