Linke-Abgeordnete veröffentlicht bizarre Aussagen aus NSU-Ausschuss
Der Verfassungsschutz gibt bei den Untersuchung der NSU-Morde bisher kein gutes Bild ab. Eine Linke-Abgeordnete brachte nun neue Details an die Öffentlichkeit.
Katharina König heißt die Politikerin, die für Die Linke im Erfurter Landtag sitzt. Dort sagte am 9. Juli vor dem Untersuchungsausschuss unter anderem der ehemalige Thüringer Verfassungsschutz-Chef Helmut Roewer zu den Morden der NSU aus - und zeichnete ein eklatantes Bild der Behörde und ihrer Arbeit bei der Überwachung der rechten Szene.
Da der Großteil der rund vierstündigen Aussage des Ex-Geheimdienstchefs nicht in seiner kompletten Fülle von den Medien transportiert wurde und das Protokoll der Sitzung für die Öffentlichkeit nicht zugänglich ist, hat König nun die "Top Aussagen" Roewers und zwei weiterer Verfassungsschutz-Mitarbeiter in ihrem Blog veröffentlicht - um das "Wahnsinnschaos" zu dokumentieren, wie sie selbst in einem Interview sagte.
Bei den Passagen handele es sich um Originalzitate aus dem Untersuchungsausschuss, eventuell "mit kleinen Hörfehlern", so die Landtagsabgeordnete. "Auch wenn die Inhalte noch so absurd klingen mögen, sie sind (leider) wahr." Im Folgenden ist eine Auswahl an Zitaten zusammengestellt.
Norbert W., ein früherer Mitarbeiter des Verfassungsschutzes, machte unter anderem folgende Angaben, die interessante Einblicke in die Arbeit der Geheimdienstbehörde geben.
“Der Thüringer Heimatschutz hat nur Flyer und Aufkleber gemacht, was der V-Mann mit dem Geld gemacht hat, kann ich ihnen doch nicht sagen.”
“Der Roewer sollte mal aus dem Amt gedrängt werden, dafür wurde ein Dossier angefordert, dazu kam es aber nicht, die Person ist kurzfristig nach einem Urlaub verstorben.”
“Skinheads anzuwerben war eine absolute Katastrophe, die besaufen sich und können sich dann an nichts mehr erinnern.”
“Über unsere V-Mann-Quellen wurde im Verfassungsschutz beim Cafe im Flur geplaudert, es gab kein Quellenschutz im Amt.”
“In München haben wir uns mit dem BND getroffen, der gab Tipps für die Gründung von Tarnfirmen, da das ja nicht so einfach ist, wegen Steuern und so. Der Roewer wollte unbedingt eine Tarnfirma.”
Im Anschluss sprach der ehemalige Abteilungsleiter Rechtsextremismus Karl Friedrich Schrader vor dem Ausschuss. Auch seine Aussagen machen das Bild von der Behörde - und ihres Ex-Chefs - nicht unbedingt besser.
“VS-Chef Roewer ist in der 6. Etage der Verfassungsschutzbehörde einmal Fahrrad gefahren. Auf die Frage warum er das macht, antwortete er, er müsse neue Observationsfahrräder testen für die Observationskräfte.”
“Einmal kam ich in Roewers Dienstzimmer, da standen drei Tische aneinander, mit Kerzen, Käse, Wein und 6-7 Damen drumherum, man wusste gar nicht, mit welcher er zuerst zu Gange ist. Ich sollte ihm in deren Anwesenheit geheime Dinge erzählen.”
“Im Sommer lief der Roewer immer barfuß durchs Amt, dann lagen seine schwarzen Füße auf dem Schreibtisch, während wir uns in seinem Büro besprachen.”
Zu guter letzt sagte dann auch der einstige Chef des Thüringer Verfassungsschutz selbst aus. Roewer leitete die Behörde von 1994 bis 2000. Knapp und knurrig wies er Vorwürfe zurück, dass der Geheimdienst V-Leute vor Polizeiaktionen gewarnt habe.
“Nach meiner Information hatte nicht einer der Personen im Thüringer Landesamt für Verfassungsschutz die notwendige Ausbildung. Außer mir.”
“Es gab viele im Amt die nichts konnten, und nur wenige die fortgebildet werden konnten. Ich galt als Spitzenkraft auf dem Gebiet Verfassungsschutz”
“Einmal musste ich disziplinarrechtlich einschreiten, da hatte einer meiner Mitarbeiter Volltrunken einen Dienstwagen zu Schrott gefahren. Hinter der freundlichen Fassade der Mitarbeiter steckt nicht immer Kompetenz.”
“Es waren 50 Leute im Landesamt für Verfassungsschutz, von den 50 hatte keiner eine richtige Ausbildung. Meine Vorgesetzten waren der Meinung ich solle das machen [das Amt führen], sie haben mich exzellent beurteilt”
“Es wurde aus unserem Amt versehentlich mal ein Fax an die Grünen geschickt, mit einer Personenliste von PDS-Abgeordneten. Das Fax sollte eigentlich an die CDU gehen und war aber gar nicht autorisiert, ein Mitarbeiter hat das ohne Absprache mit mir gemacht, ich war da im Urlaub”
“Wie ich Verfassungsschutz-Präsident wurde? Es war an einem Tag nachts um 23 Uhr, da brachte eine mir unbekannte Person eine Ernennungs-Urkunde vorbei, in einem gelben Umschlag. Es war dunkel, ich konnte sie nicht erkennen. Ich war außerdem betrunken. Am Morgen fand ich den Umschlag jedenfalls noch in meiner Jacke.”
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