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Präsidentschaftswahl: Geringe Wahlbeteiligung in Afghanistan nach Taliban-Drohungen

Präsidentschaftswahl

Geringe Wahlbeteiligung in Afghanistan nach Taliban-Drohungen

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    Wahlhelfer in Kabul: Bei der Präsidenschaftswahl in Afghanistan gab es nur eine geringe Wahlbeteiligung - wohl auch aufgrund der Drohungen seitens der radikalislamischen Taliban.
    Wahlhelfer in Kabul: Bei der Präsidenschaftswahl in Afghanistan gab es nur eine geringe Wahlbeteiligung - wohl auch aufgrund der Drohungen seitens der radikalislamischen Taliban. Foto: Ebrahim Noroozi/AP, dpa

    Unter strengsten Sicherheitsvorkehrungen haben Afghanistans Bürger bei der Präsidentschaftswahl am Wochenende ihre Stimme abgegeben. Trotz massiver Drohungen der Taliban blieben Großangriffe vor allem in den Städten aus. Dennoch gab es vorläufigen Informationen zufolge in mehreren Provinzen mindestens sechs Tote. Daneben berichteten Wahlbeobachter am Samstag von Problemen mit Wählerlisten. Aus den meisten Provinzen wurde eine geringe Wahlbeteiligung gemeldet.

    Vor allem Frauen sollen nach Berichten von Provinzräten der Wahl ferngeblieben sein. Analysten zufolge gibt es mindestens 13,5 Millionen Wahlberechtigte in Afghanistan. Mehr als 9,6 Millionen Afghanen waren zur Wahl registriert, rund ein Drittel davon Frauen.

    Mangelhafte Wahllisten verhindern in vielen Fällen Stimmabgabe

    Wegen der schlechten Sicherheitslage, Enttäuschung über die Regierung und mangelndem Vertrauen in Wahlen nach zahlreichen Wahlfälschungsvorwürfen bei vergangenen Wahlen gingen manche afghanische Experten im Vorfeld der Wahl davon aus, dass lediglich 1,5 Millionen Menschen ihre Stimme abgeben werden. Ein Reporter des lokalen TV-Senders ToloNews berichtete am Samstag, nach vorläufigen Statistiken der Unabhängigen Wahlkommission (IEC) hätten weniger als zwei Millionen Menschen gewählt. Offizielle IEC-Zahlen für ganz Afghanistan gibt es noch nicht.

    Anders als bei der chaotisch verlaufenen Parlamentswahl im Oktober des Vorjahres öffneten die Wahllokale praktisch pünktlich, kam das Wahlpersonal in die Wahllokale und die Wahlmaterialien waren vorhanden. Nach Berichten unabhängiger afghanischer Wahlbeobachter konnten vielerorts Menschen ihre Stimme allerdings nicht abgeben, weil ihre Namen nicht auf den Wählerlisten - entweder auf Papier oder in den digitalen Listen der zur Wählererfassung vorgesehenen biometrischen Geräte - gefunden werden konnten. 

    Die Wahlkommission hatte vor der Wahl erklärt, Wählerstimmen ohne biometrische Erfassung seien ungültig: Es wurden zwei Fingerabdrücke abgenommen und die Wähler fotografiert. Damit sollte Wahlfälschung verhindert werden. 

    Taliban wählen andere Strategie als bei vergangenen Wahlen

    Mehr als 72.000 Sicherheitskräfte sicherten den Wahlgang. Die islamistisch-militanten Taliban hatten im Vorfeld angekündigt, Sicherheitskräfte und Wahllokale anzugreifen. Rund ein Drittel der Wahllokale blieb wegen Unsicherheit geschlossen. Die genaue Zahl der Opfer am Wahltag ist weiter unklar. Auch am Sonntag waren die Telefonverbindungen mit mehreren Provinzen weiter unterbrochen.

    Provinzräte aus mehreren Regionen des Landes sagten der Deutschen Presse-Agentur (dpa) am Samstag, mindestens drei Zivilisten seien getötet und mehr als 44 verletzt worden. Aus dem Innenministerium hieß es am Samstagabend, drei Polizisten seien bei Angriffen mit Wahlbezug getötet worden und 37 Zivilisten sowie zwei Soldaten verwundet worden. Die New York Times berichtete von 30 getöteten Sicherheitskräften sowie zehn getöteten Zivilisten bei Angriffen mit direktem und indirektem Bezug zur Wahl. Das entspreche der durchschnittlichen täglichen Opferzahl in Afghanistan. 

    Experte: "Wohl niedrigste Wahlbeteiligung seit 2001"

    Dem Afghanistan-Experten Thomas Ruttig von der Kabuler Denkfabrik Afghanistan Analysts Network zufolge hat es deutlich weniger Opfer gegeben als bei früheren Wahlen, aber mehr Zwischenfälle. Die Taliban hätten fast jedes zehnte Bezirkszentrum angegriffen, wohl mehr, um abzuschrecken als zu zerstören. Aber ihre Abschreckungsstrategie mit Drohungen direkt an die Wähler habe funktioniert. "Zusammen mit Frustration über die gegenwärtige Regierung und ihre beiden Spitzen, Präsident Aschraf Ghani und Regierungsgeschäftsführer Abdullah Abdullah, sorgte dies für eine sehr niedrige Wahlbeteiligung - wahrscheinlich die niedrigste seit 2001", sagte Ruttig. 

    18 Kandidaten standen auf dem Stimmzettel, vier von ihnen hatten ihre Kandidatur noch vor der Wahl zurückgezogen. Realistische Chancen auf einen Sieg haben Präsident Ghani und sein Regierungsgeschäftsführer Abdullah. Erste vorläufige Resultate sollen laut Kalender der Wahlkommission am 19. Oktober veröffentlicht werden, die offiziellen am 7. November. Erhält kein Kandidat mehr als 50 Prozent der Stimmen im ersten Wahlgang, geht es in eine Stichwahl der beiden bestplatzierten Kandidaten, voraussichtlich Ende November. (dpa)

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