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Österreich: Hat Kurz seinen Laden im Griff?

Österreich

Hat Kurz seinen Laden im Griff?

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    Herr der Lage? Sebastian Kurz mit seinen FPÖ-Koalitionspartnern Heinz-Christian Strache und Herbert Kickl (von links).  	 	<b>Foto: Robert Jaeger, dpa</b>
    Herr der Lage? Sebastian Kurz mit seinen FPÖ-Koalitionspartnern Heinz-Christian Strache und Herbert Kickl (von links). <b>Foto: Robert Jaeger, dpa</b> Foto: Robert Jaeger, dpa

    Wien Sie lassen sich nichts anmerken. Als Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und sein Vizekanzler Christian Strache von der rechtspopulistischen FPÖ nach der Kabinettssitzung gemeinsam vor die Presse treten, scheint alles wie immer. Dass es in ihrer Koalition momentan gehörig kracht? Kein Thema. Harmonie nach außen ist schließlich fester Bestandteil des neuen Regierungsstils. Doch hinter den Kulissen rumort es noch immer in der Koalition, seit Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) unliebsame Medien vom öffentlichen Informationsfluss abschneiden wollte.

    Wie groß die Unruhe in Österreich ist, davon zeugen die zahlreichen Bekenntnisse zur Pressefreiheit, zu denen sich ÖVP-Politiker offenbar genötigt fühlen. Einschränkungen der Medienfreiheit seien „extrem gefährlich“, betonte erst gestern wieder der Präsident der Wirtschaftskammer Österreichs, Ex-Minister und Kurz-Vertraute Harald Mahrer. Damit distanziert er sich nicht nur von Kickl, sondern auch von der FPÖ. Aus gutem Grund: Nicht nur das Ansehen Österreichs gerät in Verruf, auch der Ruf von Kanzler Kurz könnte darunter leiden. Umfragen zeigen, dass nur noch 14 Prozent der österreichischen Bevölkerung der FPÖ zutrauen, Probleme zu lösen, der ÖVP 27 und der SPÖ 19 Prozent.

    Zugleich wird die Liste der politischen Attacken Kickls gegen Medien immer länger. Schon ist von der „Orbanisierung Österreichs“ die Rede – in Anspielung auf den ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán. Manche Maßnahmen des Innenministeriums erinnern tatsächlich an Methoden der Einschüchterung und Ausgrenzung, wie sie aus Ungarn bekannt sind.

    Dazu gehört nicht nur die schwarze Liste mit Zeitungen, die der Sprecher des Innenministeriums an die Landespolizeidirektionen schickte. Sie sollte Kritiker von Informationen abschneiden. Kickl behauptet, davon nichts gewusst zu haben, und distanzierte sich halbherzig. Auf der Ministeriumshomepage wird allerdings auch der E-Mail-Verkehr mit dem Chefredakteur der kritischen Wochenzeitung Falter ohne Rücksprache veröffentlicht und der Eindruck erweckt, dieser recherchiere nicht korrekt. Nach Auskunft von Medienrechtlern ist die Veröffentlichung der Korrespondenz ein Verstoß gegen die Persönlichkeitsrechte des Journalisten. Dazu passt, dass in Oberösterreich auf Druck der FPÖ diskutiert wird, ein Meldeverfahren für Schüler einzuführen, deren Lehrer sich nicht politisch neutral verhalten. Auch eine Hausdurchsuchung beim Verfassungsschutz, die das Innenministerium jetzt im Untersuchungsausschuss rechtfertigen muss, hat Kickl in die Schusslinie gebracht.

    Herbert Kickl galt lange als Vordenker der FPÖ, als großer Stratege, der die Partei in der Tradition des vor zehn Jahren tödlich verunglückten FPÖ-Idols Jörg Haider an die Macht brachte. Doch in der Regierung angekommen, beweist der Innenminister offen Distanz zum demokratischen Rechtsstaat. Hinzu kommt, dass Kickl anders als sein Parteichef lieber mit den Sozialdemokraten der SPÖ koaliert hätte als mit der wirtschaftsnahen ÖVP.

    Mehr als Worte bleiben den ÖVP-Politikern trotzdem nicht, um den Innenminister in die Schranken zu weisen. Kanzler Kurz hat – anders als die deutsche Kanzlerin – keine Richtlinienkompetenz den Ministern gegenüber. So bleibt ihm lediglich die Möglichkeit, die Koalition mit der FPÖ platzen zu lassen. Zumindest hat sich eine neue Möglichkeit für eine Koalition mit den Sozialdemokraten aufgetan, seit Pamela Rendi-Wagner den Parteivorsitz übernommen hat. Auch FPÖ-Chef Strache kann Kickl kaum zum Rücktritt zwingen. Das würde die FPÖ zerreißen. Hinzu kommt, dass Herbert Kickl an der Basis geschätzt wird.

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