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Schleswig-Holstein: Heide Simonis gestürzt: "Heide-Mörder" schweigt seit zehn Jahren

Schleswig-Holstein

Heide Simonis gestürzt: "Heide-Mörder" schweigt seit zehn Jahren

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    Fassungslos erlebten Schleswig-Holsteins damalige Ministerpräsidentin Heide Simonis und ihre SPD-Genossen, wie 2005 alle Wahlgänge scheiterten.
    Fassungslos erlebten Schleswig-Holsteins damalige Ministerpräsidentin Heide Simonis und ihre SPD-Genossen, wie 2005 alle Wahlgänge scheiterten. Foto: Maurizio Gambarini (dpa)

    Der Sekt stand schon bereit - zur Feier des Tages. Doch dann spülte Heide Simonis damit ihren Frust herunter, gemeinsam mit ebenso bedröppelten Genossen in Schleswig-Holstein. Der 17. März 2005 ging als schwarzer Tag in die Geschichte der Nord-SPD ein und markierte für Rot-Grün im Bund den Anfang vom Ende.

    Ungläubig wie Millionen zu Hause sahen SPD-Kanzler Gerhard Schröder und Parteichef Franz Müntefering im Fernsehen, wie Simonis an der Kieler Förde in vier Durchgängen nicht wieder zur Ministerpräsidentin gewählt wurde. Es fehlte immer eine Stimme. Jemand aus den eigenen Reihen stürzte in der geheimen Wahl eine Frau, die als Deutschlands erste Regierungschefin Geschichte geschrieben hatte.

    "Schweinebande, habe ich leise zu mir gesagt", sagt Simonis (71) zehn Jahre danach. Sie wollte eine rot-grüne Minderheitsregierung bilden, toleriert vom SSW (Südschleswigscher Wählerverband). Nur eine Stimme Mehrheit hatte das Trio.

    Mit seiner Verweigerung sprengte der bis heute unerkannte "Heide-Mörder" aber den Plan. Nach zwölf Jahren an der Regierungsspitze war es das Aus für die Politikerin Simonis. "Mit so etwas hatte ich überhaupt nicht gerechnet - ich fühlte mich reingelegt und hatte keinen Plan B." Und etwas sarkastisch fügt sie hinzu: "Eines habe ich immerhin gewonnen - so etwas wie politische Unsterblichkeit."

    Damaliger Finanzminister Ralf Stegner wehrt sich gegen Verdächtigungen

    Bis zur letzten Minute wollte die um die Wahl in Nordrhein-Westfalen zwei Monate später bangende Berliner Parteiführung das drohende Desaster verhindern. "Die haben auf mich eingeredet wie auf eine kranke Kuh", sagt Simonis in ihrer von Büchern und Flohmarkt-Eroberungen vollen Altbauwohnung. "Dann hat mich meine Fraktion per Beschluss aufgefordert, noch in einem vierten Wahlgang anzutreten - und ich Idiot habe es dann auch gemacht."

    Statt Rot-Grün plus SSW kam eine große Koalition mit Peter Harry Carstensen (CDU) als Regierungschef ans Ruder - ein Bündnis, das 2009 völlig zerrüttet platzte. Im Mai 2005 verlor die SPD dann die NRW-Wahl und im September die vorgezogene Bundestagswahl.

    Über den Wegbereiter für den Niedergang von SPD und Rot-Grün wurde viel spekuliert. In Verdacht kam auch der damalige Finanzminister Ralf Stegner, heute SPD-Landeschef und Bundesvize. "Dass er es war, habe ich nie gedacht", meint Simonis.

    Beide sagen heute übereinstimmend, dass sie im Laufe der damaligen Wahlperiode ihr Amt Stegner überlassen wollte. Er spricht von einem extrem hinterhältigen Vorgang und dem schwärzesten Tag in seinem Berufsleben: "Ich war schockiert. Das fuhr wie ein Blitz in Fraktion und Partei und hat uns gelähmt."

    Dass über ihn als Abweichler spekuliert wurde, sei eine boshafte Intrige gewesen, sagt Stegner. "Ich bin damals zu Unrecht verdächtigt worden - das hat mich und meine Familie sehr belastet." Er habe eng mit Simonis zusammengearbeitet und führe den politischen Wettbewerb mit offenem Visier. "Wenn ich gewusst hätte, dass jemand plant, sie nicht zu wählen, hätte ich ihn mir persönlich vorgeknöpft."

    Heide Simonis zu ihrem Sturz: "Man fühlt sich wie ein Oberdepp."

    Auf die Frage nach dem "Heide-Mörder" halten sich Simonis und Stegner zurück. "Ich weiß bis heute nicht, wer es war, aber ich habe ein Gefühl", sagt sie. "Ich glaube, derjenige wollte mir was sagen, aber ich habe keine Ahnung, was für ein Hühnchen er mit mir zu rupfen hatte."

    Simonis will anders als früher nicht ausschließen, dass es auch eine Frau gewesen sein könnte. "Wir sind gar nicht so viel netter", kommentiert sie das. Stegner ist sich in einem ziemlich sicher: "Ich habe keinen Grund anzunehmen, dass diese Person noch dem Landtag angehört."

    Erster Profiteur war 2005 der spätere Ministerpräsident Carstensen. "Selbstverständlich war nach dem ersten und zweiten Wahlgang Triumph da, später aber nicht mehr", sagt er. "Das war so was von schäbig, das ist kaum zu überbieten - da gab es auch ein starkes Gefühl für sie." Beide kannten einander gut aus gemeinsamen Bundestagszeiten.  

    Simonis wird ihre Gefühle nie vergessen: "Man fühlt sich wie ein Oberdepp." Als politische und persönliche Niederlage habe sie die Sache empfunden. Heute ist Simonis von der Politik ein gutes Stück weg. "Ich lese jeden Morgen brav meine Zeitung, bin politisch weiter interessiert", sagt die Ehrenbürgerin Schleswig-Holsteins.

    Simonis ist an Parkinson erkrankt und hat einige Ehrenämter aufgegeben. Ihr Terminkalender sei aber noch ziemlich voll. Und sie will nach anderen Büchern bald einen Krimi herausbringen. dpa

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