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Kommentar: Hessen ist das politische Versuchslabor Deutschlands

Kommentar

Hessen ist das politische Versuchslabor Deutschlands

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    Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD) und Volker Bouffier (CDU) müssen deutliche Verluste für ihre Parteien befürchten.
    Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD) und Volker Bouffier (CDU) müssen deutliche Verluste für ihre Parteien befürchten. Foto: Frank Rumpenhorst, dpa (Archiv)

    Wieder einmal richten sich alle Augen auf das wirtschaftsstarke Land in der geografischen Mitte Deutschlands. Am Sonntag sind die Hessen aufgerufen, einen neuen Landtag zu wählen. Doch längst geht es mehr um die Frage, ob CDU-Ministerpräsident Volker Bouffier weiter an der Spitze einer schwarz-grünen Koalition in Wiesbaden regieren kann, oder ob es sein SPD-Herausforderer Thorsten Schäfer-Gümbel im dritten Anlauf gelingt, eine Mehrheit zustande zu bringen und in die Staatskanzlei einzuziehen.

    In Hessen könnten sich auch die Zukunft der Großen Koalition in Berlin und das Schicksal von CDU-Chefin Angela Merkel und ihrer SPD-Kollegin Andrea Nahles entscheiden. Wahlen in Hessen waren schon immer spannend. Bis 1970 war die SPD stets stärkste Partei, von 1949 bis 1987 stellte sie durchgehend den Ministerpräsidenten, doch seitdem liefern sich CDU und SPD immer wieder ein Kopf-an-Kopf-Rennen, verbunden mit schwierigen und langwierigen Regierungsbildungen. Mehrfach wurde in Hessen auch politische Geschichte geschrieben, gab es Weichenstellungen, die nicht ohne Folgen für die Bundespolitik bleiben sollten. Ende 1985 bildete SPD-Ministerpräsident Holger Börner die erste rot-grüne Regierung mit dem späteren Außenminister Joschka Fischer, 2013 schmiedete CDU-Ministerpräsident Volker Bouffier die erste schwarz-grüne Koalition auf Landesebene mit Tarek Al-Wazir.

    Landtagswahl in Hessen: Bundespolitik spielt wesentliche Rolle

    Hessen war immer auch ein Versuchslabor und ein Vorreiter, wo Neues Gestalt annahm. Auf den Schultern des 66-jährigen Amtsinhabers und seines 49-jährigen Herausforderers lastet eine doppelte Herkulesarbeit. Zum einen müssen sie ihre Wahlen gewinnen, was in politisch angespannten und von starken Veränderungen geprägten Zeiten schon schwierig genug ist. Zum anderen sollen die beiden auch noch die Große Koalition in Berlin, ihre angeschlagenen Partei-Chefinnen Angela Merkel und Andrea Nahles retten. Und das, obwohl ihnen das Negativ-Image der Großen Koalition in Berlin im Wahlkampf wie Blei an den Beinen hängt und Merkel wie Nahles sie in die Tiefe ziehen.

    Eine schwere Niederlage des engen Merkel-Vertrauten Bouffier, der in der Flüchtlingspolitik den Kurs der Kanzlerin unterstützte, wird unverzüglich eine Debatte in der Union auslösen, ob Merkel nach 18 Jahren an der Spitze der CDU noch die Richtige ist. Und ein Debakel Schäfer-Gümbels, der dem linken Flügel seiner Partei angehört, gibt den zahlreichen Kritikern und Gegnern der GroKo in der SPD weiter Auftrieb.

    Neuer grüner Ministerpräsident nicht auszuschließen

    Nach den aktuellen Umfragen haben Bouffier und seine schwarz-grüne Koalition keine Mehrheit, aber auch Schäfer-Gümbel könnte leer ausgehen. Denn nicht die schwächelnden Sozialdemokraten, sondern die Grünen setzen ihren Höhenflug fort. Wie bereits in Bayern könnten sie auch in Hessen zur zweitstärksten politischen Kraft werden. Ihr Spitzenkandidat, Wirtschaftsminister Tarek Al-Wazir, gilt als der beliebteste Politiker im Lande. Das hat Folgen. Während selbst die Große Koalition aus CDU und SPD keine Mehrheit mehr im Landtag hätte, könnte Bouffier wie sein Amtskollege Daniel Günther in Schleswig-Holstein eine Jamaika-Koalition aus CDU, Grünen und FDP schmieden.

    Oder aber Hessen betritt wieder einmal politisches Neuland und Tarek Al-Wazir wird als zweiter grüner Ministerpräsident nach Winfried Kretschmann Chef einer grün-rot-roten Regierung. Unvorstellbar? Nicht in Hessen. Das Land war schon immer für Überraschungen gut. Nun könnte es wieder seinem Ruf als politisches Versuchslabor gerecht werden.

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