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Hintergrund: Auf Wirtschaftsminister Altmaier wartet ein heißer Herbst

Hintergrund

Auf Wirtschaftsminister Altmaier wartet ein heißer Herbst

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    Das Licht brennt noch: Peter Altmaier (CDU) musste viel einstecken, doch nach der Sommerpause will der Wirtschaftsminister furios zurückkommen.
    Das Licht brennt noch: Peter Altmaier (CDU) musste viel einstecken, doch nach der Sommerpause will der Wirtschaftsminister furios zurückkommen. Foto: Jochen Lübke, dpa

    Fehlbesetzung, schwächster Minister des Kabinetts – dass ein Wirtschaftsminister einer konservativen Partei nach zehn Jahren Aufschwung aus der Wirtschaft derart heftig und in aller Öffentlichkeit attackiert wurde, hat höchsten Seltenheitswert. Peter Altmaier kommt die zweifelhafte Ehre zu, dieses Kunststück gelungen zu sein. Doch Altmaier kippte nicht, er hat den Sturm ausgestanden.

    Er war angetreten, um der neue Ludwig Erhard zu werden. Der Zigarre dampfende Vater des Wirtschaftswunders ist sein Idol. Stattdessen wurde der Saarländer zum roten Tuch für die Unternehmer des Landes. Er brachte den Mittelstand gegen sich auf, jene versteckten Weltmarktführer, die für den Wohlstand sorgen. Altmaier hat jetzt seine zweite Chance, die Sache geradezubiegen. Er sitzt noch auf seinem Posten, weil er das Vertrauen der Kanzlerin genießt. Er musste das Chaos bändigen, das Angela Merkel schuf, als sie die Grenzen für Flüchtlinge offen ließ. Auf Dankbarkeit kann sich in der Politik jedoch niemand lange stützen.

    Also braucht der Wirtschaftsminister dringend Erfolge. Im Herbst nach der Sommerpause muss er liefern, wie es in der Hauptstadt heißt. Dass er im Verbund mit den Franzosen die Basis für eine eigene Produktion von Batterien für Elektroautos legte, reicht noch nicht. Drei schwierige Dossiers gilt es zu beackern. Zwei liegen in seiner Hand, beim dritten geht ohne die Hilfe des Finanzministers von der SPD gar nichts. Der 61-Jährige lässt sich davon nicht Bange machen. In vertraulichen Runden gibt er sich überzeugt, dass er es hinbekommt. Bei den Batteriekernen hat es schließlich auch geklappt – gegen alle Widerstände.

    Altmaier will den Mittelstand besänftigen

    Noch bevor der Betrieb im September wieder Fahrt aufnimmt, will Altmaier die Stimmung verbessern und den maulenden Mittelstand besänftigen. Er holt zwei Leute vom Wirtschaftsflügel von CDU und CSU, dem Parlamentskreis Mittelstand, und setzt sie auf wichtige Posten in seinem Ministerium. „Wir sind natürlich damit sehr einverstanden, dass er unseren Standpunkt stärkt“, kommentiert der Vize-Vorsitzende des Parlamentskreises, Hans Michelbach, den Schachzug. Er ist selbst Unternehmer und hat erfahren müssen, welches Kopfschütteln der selbst ernannte Erhard-Erbe in den Chefetagen ausgelöst hat. „Wir haben natürlich unsere Erwartungen. Wir brauchen wegen der nachlassenden Konjunktur dringend eine Steueroffensive“, verlangte Michelbach. Unter Offensive versteht er die komplette Abschaffung des Solidaritätszuschlags auch für die oberen zehn Prozent der Steuerzahler. Außerdem niedrigere Unternehmenssteuern.

    Für Altmaier sind Steuern das Dossier Nummer drei. Ohne die Zustimmung des SPD-Finanzministers Olaf Scholz kommt er nicht voran. Die Streichung des Solis für alle würde zehn Milliarden Euro zusätzlich kosten, die Scholz nicht hat und selbst nicht geben würde, wenn er sie hätte. Große Steuererleichterungen für Unternehmen könnte der Genosse nicht als seinen Erfolg verkaufen, weshalb er der Wirtschaft maximal kleine Zugeständnisse geben wird. Höhere Freibeträge sind denkbar, die konkret etwas nützen, aber nicht allzu viel Staub aufwirbeln bei der SPD, die gerade ihren Linksruck vorbereitet.

    Während auch Altmaiers Kritiker zugestehen, dass er bei den Steuern nicht mit dem Kopf durch die Wand kann, liegen bei Dossier Nummer eins und zwei die Dinge ganz bei ihm. Da wäre zunächst der Ausstieg aus der Kohle – also Dossier Nummer eins. Seit Jahresbeginn liegt der Kohlekompromiss auf dem Tisch des Ministers. Durch die verschärfte Klima-Diskussion wird die Einigung langsam welk. Gießt sie Altmaier nicht bald in Gesetzesform, droht der Kompromiss von Energieerzeugern, Industrie und Umweltschützern zu zerbrechen. Die Schwierigkeit für ihn liegt darin, sein angespanntes Verhältnis zu den Unternehmen nicht noch weiter zu belasten.

    Altmaier will Mittelstandsstrategie vorlegen

    Wegen des vorzeitigen Abschaltens von Braun- und Steinkohlekraftwerken zum Schutz des Klimas wird sich der Strom verteuern. Der Industrie war seinerzeit versprochen worden, dass Betriebe und Verbraucher mit jährlich zwei Milliarden Euro entlastet werden. Ob das kommt, ist aber wegen der nicht mehr sorglosen Haushaltslage nicht sicher. Die Energieversorger verhandeln noch mit dem Wirtschaftsminister über Entschädigungen für die Stilllegung von Kraftwerken. In der Branche schießt zumindest niemand gegen ihn. Die Wahl seines Staatssekretärs Andreas Feicht kam spät; der frühere Chef der Wuppertaler Stadtwerke wird aber geschätzt, und ihm wird zugetraut, die Feinarbeit hinzubekommen.

    Bleibt Dossier Nummer zwei. Mit der in seiner Industriestrategie vorgesehenen Ausrichtung der Wirtschaftspolitik auf Großkonzerne hat sich Altmaier viele Feinde gemacht. Nun will er Ende August eine Mittelstandsstrategie vorlegen, um die wütenden Kritiker zu beruhigen. „Kleine und mittlere Unternehmen sind das Rückgrat der deutschen Wirtschaft. Dem muss auch die Politik stärker Rechnung tragen“, meint der Generalsekretär des CDU-Wirtschaftsrates, Wolfgang Steiger. Der Wirtschaftsrat mit seinen tausenden Mitgliedern aus Unternehmen goutiert die Personalwechsel im Wirtschaftsministerium. Eine wirksame Mittelstandspolitik steht und fällt für Steiger allerdings mit einer Entlastung der Firmen bei Steuern und Bürokratie.

    Für Altmaier könnte es einen heißen Herbst geben. Bislang sind noch keine Stimmen laut geworden, dass drei Saarländer im Kabinett entschieden zu viel sind. Doch das könnte sich schnell ändern.

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