Nichts ist schwieriger, als sich von lieb gewonnenen Vorurteilen zu lösen. Nehmen wir die FDP: Jahrzehntelang waren die Liberalen so etwas wie der abgehobene Snob der deutschen Parteienlandschaft. Irgendwer musste sich schließlich um die armen Reichen kümmern und anständig Lobby für die Wirtschaft machen. So weit das Klischee.
Doch seit Christian Lindner das Ruder übernommen hat, leuchtet die FDP nicht nur in einer neuen Farbe – zum klassischen Gelb-Blau kam ein total hippes Magenta. Nein, die Liberalen sind jetzt plötzlich cool. Zumindest, wenn es nach ihrem Vorsitzenden geht, der sich im Wahlkampf auch mal als „moderner Widerstandskämpfer“ (Lindner über Lindner) im Unterhemd ablichten lässt. Und doch sollte man daraus keine vorschnellen Schlüsse ziehen. Erst mal abwarten, was Wissenschaftler dazu sagen. Zum Beispiel die Damen und Herren vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung. Die haben nämlich die Wählerschaft der wichtigsten Parteien untersucht – und bringen dabei zumindest ein paar vermeintliche Gewissheiten ins Wanken.
Die Wähler der SPD unterscheiden sich kaum noch von denen der Union
Bei der SPD fängt es schon an. Immer weniger Arbeiter machen heute noch ihr Kreuzchen bei der vermeintlichen Arbeiterpartei. Zur Jahrtausendwende kam noch fast jede zweite SPD-Stimme aus der Arbeiterschaft. Heute sind nur noch 17 Prozent der Leute, die für die Sozialdemokraten stimmen, Arbeiter. Gleichzeitig ist die Partei für Angestellte und Rentner deutlich interessanter geworden. Damit unterscheidet sich das SPD-Klientel kaum noch von dem der Union. Oder vereinfacht gesagt: Das vage Gefühl vieler Deutscher, dass es praktisch egal ist, ob nun Schwarz gewinnt oder Rot, schlägt sich inzwischen auch im Wahlverhalten nieder. Am Ende trifft man sich eben in der Mitte. Sogar das Durchschnittsalter von SPD- und Unions-Wählern ist mit 52,8 Jahren exakt gleich. Immerhin ein vermeintliches Klischee bestätigen die Forscher: Auf dem Land stimmen die Leute nach wie vor lieber für CDU und CSU, in den Städten ist die SPD beliebter.
Dass junge Leute besonders häufig Grün wählen, stimmt übrigens auch. Die Ökopartei hat mit einem Durchschnittsalter von gut 48 Jahren tatsächlich die jüngste Wählerschaft. Allerdings kommen auch die Grünen langsam in die Jahre: Zur Jahrtausendwende war der grüne Durchschnittswähler nämlich noch 40 Jahre alt. Im Vergleich zur FDP-Klientel sind die Grünen-Anhänger trotzdem immer noch Jungspunde. Der Durchschnittswähler der Liberalen ist weit über 54 Jahre alt.
Bei Besserverdienenden liegt die FDP tatsächlich vorne
Und was ist nun mit dem angeblichen Vorurteil, dass die FDP vor allem Besserverdienende anspricht? Es stimmt. Im Schnitt verdienen Wähler der Liberalen am meisten, dahinter folgen Union und – kleine Überraschung – die Grünen. Wer besonders wenig Geld hat, geht entweder gar nicht wählen oder setzt auf AfD oder Linkspartei. Unter deren Anhängern befinden sich im Übrigen auch die meisten „besorgten Bürger“.
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