
Wie Flüchtlinge das Gesundheitssystem herausfordern


Die medizinische Versorgung von Asylsuchenden stellt für Ärzte und Bürger eine große Belastung dar. Doch das größte Problem besteht für die Asylbewerber selbst.
Viren, Tuberkulose, Krätze: Mit den steigenden Flüchtlingszahlen steigt auch die Angst mancher Deutscher. Sie fürchten sich vor Krankheiten, die Menschen aus Afrika oder Syrien in Deutschland einschleppen könnten. Doch wie hoch ist das Risiko wirklich: Müssen wir um unsere Gesundheit fürchten?
Auch das Robert-Koch-Institut hat sich mit der Frage beschäftigt. Sprecherin Susanne Glasmacher kann aber nicht sagen, wie viele kranke Menschen nach Deutschland kommen. Denn zuständig für die Flüchtlinge sind jeweils die Kommunen: Gesundheitsämter, Ärzte und Ehrenamtliche kümmern sich vor Ort um sie. Unstrittig sei aber, dass Flüchtlinge aufgrund einer anstrengenden Flucht, fehlenden Impfungen und schlechten Lebensbedingungen „empfänglicher gegenüber Infektionskrankheiten“ sind. Glasmacher stellt aber auch klar: „Ebola hat noch kein Flüchtling ins Land getragen.“
Flüchtlinge leiden häufig unter Tuberkulose, Keuchhusten oder Masern
Verbreitet seien dagegen Tuberkulose, Keuchhusten oder Masern. Allerdings bringen die wenigsten Patienten diese Krankheiten aus dem Ausland mit. Nach einer Analyse des Robert-Koch-Instituts stecken sich 90 Prozent erst in deutschen Asylunterkünften an. So brachen beispielsweise im Frühjahr in einer Berliner Flüchtlingsunterkunft die Masern aus – und verbreiteten sich schnell, weil die Menschen dort auf engem Raum miteinander wohnen. Nur in „Einzelfällen“ übertragen sich solche Krankheiten auch außerhalb von Flüchtlingsunterkünften, sagt Glasmacher. Für die einheimische Bevölkerung gelte deswegen auch: „Das Risiko einer Ansteckung ist sehr gering.“

Auch bei Infektionskrankheiten, die Flüchtlinge aus dem Ausland mitbringen, sieht Glasmacher keine Gefahr für die einheimische Bevölkerung. Denn „nur sehr selten“ stellen Ärzte bei einem Migranten eine exotische Krankheit fest. Auf verbreitete Krankheiten wie Lungentuberkulose wird jeder Flüchtling bei einer sogenannten Erstaufnahmeuntersuchung geröntgt. Unklar ist, wie viele Flüchtlinge unbemerkt und ohne Untersuchung nach Deutschland kommen. Die meisten ansteckenden Krankheiten sind aber nur bei engem Körperkontakt übertragbar – zum Beispiel durch Einatmen infektiöser Tröpfchen wie Speichel. Insbesondere Menschen, die in einer Flüchtlingsunterkunft helfen, rät das Institut, sich impfen zu lassen.
Aber auch die Krankenhäuser kommen verstärkt in Kontakt mit Flüchtlingen. Häufig übernehmen die Gesundheitsämter die Untersuchung direkt in Erstaufnahmeeinrichtungen. Dort, wo es diese Einrichtungen nicht gibt, springen oftmals die Krankenhäuser ein. Das zeigt sich besonders stark in Bayern. „Mancherorts ist man ohnehin an seiner Belastungsgrenze“, sagt Siegfried Hasenbein, Geschäftsführer der Bayerischen Krankenhausgesellschaft. Hinzu kamen allein in diesem Jahr etwa 25000 bis 30000 Flüchtlinge, die stationär in bayerischen Krankenhäusern behandelt wurden. Zwei- bis dreimal so hoch sei die Zahl der ambulanten Patienten. Im Vergleich zu knapp drei Millionen Patienten jährlich sei das nicht viel, sagt Hasenbein. Doch die Last verteile sich auf einzelne „Hotspots“ wie Passau, Deggendorf oder Ingolstadt.
Versorgung von Flüchtlingen: Ärzte in Grenznähe sind besonders belastet
Markus Beier vom Bayerischen Hausärzteverband beobachtet, dass besonders Ärzte in Grenznähe unter der Belastung leiden: „Sie werden zu jeder Tag- und Nachtzeit gerufen.“ Dabei könne Patienten mit schweren Krankheiten häufig nicht ausreichend geholfen werden, da sie nach dem Asylbewerberleistungsgesetz nur eine akute Versorgung erhielten. Max Kaplan, Präsident der Bayerischen Landesärztekammer, kritisiert das scharf: „Das ist für uns Ärztinnen und Ärzte ethisch nicht vertretbar.“ Flüchtlinge und Deutsche müssten gleich behandelt werden, sagt der Unterallgäuer. Außerdem fordert er vermehrt sogenannte Sprach- und Kulturmittler.
Denn in Krankenhäusern und Arztpraxen sei die Überwindung der Sprachbarriere „mühsam, zeitaufwendig und teilweise auch gar unmöglich“, sagt Kaplan. Zudem ließen sich Frauen aus kulturellen oder religiösen Gründen oftmals nicht von männlichen Ärzten untersuchen.
So warten viele Flüchtlinge lange auf ihre Diagnosen. Einige seien zudem traumatisiert. „Darunter auch auffällig viele Kinder“, sagt Hasenbein von der Bayerischen Krankenhausgesellschaft.
Die Diskussion ist geschlossen.