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EU: In Brüssel wächst die Sorge vor der Instabilität Deutschlands

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In Brüssel wächst die Sorge vor der Instabilität Deutschlands

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    Bundeskanzlerin Angela Merkel ist für viele kaum aus dem Politikbetrieb in Brüssel wegzudenken. Sie organisierte, versöhnte, schmiedete Kompromisse.
    Bundeskanzlerin Angela Merkel ist für viele kaum aus dem Politikbetrieb in Brüssel wegzudenken. Sie organisierte, versöhnte, schmiedete Kompromisse.

    Es ist eine Momentaufnahme. Brüssel im Jahr 2012: Wieder einmal hatten sich die Staats- und Regierungschefs zu einem Sondergipfel getroffen, um die Griechenland-Krise nicht zu einer Gefahr für den Euro werden zu lassen. Irgendwann mitten in der Nacht verständigte man sich auf eine Unterbrechung, die Staatenlenker saßen in kleinen Gruppen an der Bar vor dem Tagungsraum mit dem großen runden Tisch. Nur die deutsche Kanzlerin wanderte von einem zum anderen, redete, argumentierte, kochte weich. Wenig später verständigten sich alle einstimmig auf einen weiteren Schritt, um Athen zu retten.

    Es ist dieses Bild, an das langjährige Beobachter aus mehreren Mitgliedstaaten an diesem Dienstag erinnern, als sie sich eine EU ohne Merkel auszumalen versuchen. Seit 2005 gehört sie zum festen Inventar jedes Gipfeltreffens. Ist es zu früh für eine Bilanz der deutschen Regierungschefin, die immerhin noch bis zum Ende der Legislaturperiode im Amt bleiben will?

    Hinter vorgehaltener Hand wird bezweifelt, dass sich Merkel halten kann

    Offiziell halten sich die Europäische Kommission wie auch die meisten Amtskollegen Merkels zurück. Das gebietet der Respekt vor den inneren Vorgängen in den Mitgliedstaaten. Doch hinter vorgehaltener Hand gibt es gravierende Zweifel, ob sich die CDU-Vorsitzende nach dem Abschied aus ihrem Parteiamt noch lange als Regierungschefin halten kann.

    In Brüssel wurde gestern der Satz eines Kommentars in der niederländischen Zeitung de Volkskrant herumgereicht: „Nach 18 Jahren hält die angeschlagene ‚Mutti‘ Merkel ihre Kinder für erwachsen genug, um über die Partei zu bestimmen – und sie nimmt in Kauf, dass sich dabei eines ihrer Kinder als Muttermörder entpuppen könnte.“ Die britische Times geht noch weiter: „Ihr langer Abschied… läutet eine Periode der Instabilität in der größten Volkswirtschaft Europas ein.“ Es ist diese Angst, die nun umgeht. In den kommenden Monaten wird sich die EU neu erfinden müssen: Am 29. März 2019 treten die Briten aus. Nur wenige Tage später treffen sich die 27 Staats- und Regierungschefs der Union im rumänischen Sibiu (Hermannstadt), um ein Bekenntnis zu dieser Gemeinschaft abzulegen. Ende Mai 2019 finden die Europawahlen statt, bei denen der Einfluss der Populisten in Europa zurückgedrängt werden soll – das ist zumindest der Wunsch vieler.

    Es wächst die Sorge davor, dass eine deutsche Bundeskanzlerin ohne Hausmacht regieren muss, möglicherweise sogar noch mit einem Konkurrenten, der die CDU lenkt und dafür ebenfalls Macht braucht, die es nur durch das Kanzleramt gibt.

    Auch wenn Merkels Einfluss seit der Bundestagswahl und der anschließenden schwierigen Koalitionsbildung ohnehin schon im Schwinden war – nun ist von einer Gewichtsverlagerung innerhalb der EU die Rede. Schließlich sei sie – oft genug unterstützt vom französischen Staatspräsidenten Emmanuel Macron und dem niederländischen Premier Mark Rutte – die Einzige gewesen, die die blockierenden Regierungen aus dem Osten und Süden der Union in Schach halten konnte.

    Die Augen richten sich jetzt bereits auf Paris. Macron gilt als vehementer Verfechter einer stärkeren europäischen Integration, aber eben auch als jemand, der bereit sein könnte, das Europa der unterschiedlichen Geschwindigkeiten zu forcieren. Merkel hatte ihn da stets gebremst. Sie war die Lordsiegel-Bewahrerin des Glaubens an den Konsens aller Regierungen, um niemanden abzukoppeln oder gar zu verlieren. Wer diese Rolle langfristig übernehmen könnte, ist nicht erkennbar.

    Thema ist auch Merkels klare Absage an Topjobs in Brüssel

    Und noch etwas hat in Brüssel heftig eingeschlagen: Merkels unmissverständlicher Hinweis darauf, sich langfristig völlig aus der Politik zu verabschieden. Denn immer wieder war ihr Name genannt worden, wenn es um Topjobs für die Ämter des Kommissions- oder des Ratspräsidenten ging. Beide werden Mitte 2019 neu besetzt. Auch wenn Merkel inzwischen in der EU nicht mehr unumstritten ist – es gab viele Stimmen, die sich eine derart erfahrene und kompromissfähige Politikerin an der Spitze der Gemeinschaft gewünscht hatten. Ihr striktes „Nein“ wurde am Dienstag als Verlust gewertet.

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