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Kreml: In Russland regt sich Widerstand gegen den ewigen Wladimir Putin

Kreml

In Russland regt sich Widerstand gegen den ewigen Wladimir Putin

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    Hier kommt der Präsident: Wladimir Putin liebt die große Inszenierung.
    Hier kommt der Präsident: Wladimir Putin liebt die große Inszenierung. Foto: Alexander Zemlianichenko, dpa

    Ella Pamfilowa will nichts dem Zufall überlassen. Die Chefin der russischen Wahlkommission überwacht die härteste politische Schlacht von Wladimir Putin in dessen 20 Jahren an der Macht. Fast täglich versichert sie, dass die Volksabstimmung über den womöglich dauerhaften Verbleib des Präsidenten im Amt unter höchsten Sicherheitsvorkehrungen ablaufe. Alles soll am 25. Juni sauber über die Bühne gehen. Durchaus im Wortsinne, weil das Coronavirus in Russland nach wie vor wütet. Aber auch in politischer Hinsicht, denn bei den Ergebnissen von Präsidenten- und Parlamentswahlen beklagten internationale Beobachter immer wieder schmutzige Tricks.

    Auch diesmal werden Fälschungen befürchtet. Weil insgesamt sieben Tage lang abgestimmt wird und die Anti-Coronavirus-Regeln streng sind, gilt eine durchgehende Beobachtung fast als unmöglich, wie russische Experten meinen. Und auch die gerade gestartete Werbekampagne zum Referendum gilt längst als eine der schmutzigsten überhaupt in Russland. Das Staatsfernsehen wirbt ganz offen in den Hauptnachrichten für das neue Grundgesetz. Moderator Kirill Klejmjonow spricht von „unserem Präsidenten“ Wladimir Wladimirowitsch. Im Internet häufen sich Videos, die Angst machen sollen vor einem Nein zu der von Putin angestoßenen Verfassungsänderung.

    Youtube sperrt Propaganda für Wladimir Putin

    Da gibt es Clips von Ärzten, die heldenhaft gegen das Coronavirus kämpfen – samt Appell, für die Verfassung zu stimmen. Ein anderer Clip zeigt ein schwules Paar, das einen tieftraurigen Jungen adoptiert und ihm ein Kleid schenkt – mit dem Aufruf, Russland vor solchen Zuständen zu bewahren. Die Plattform Youtube sperrte das Video, weil es Hass verbreite. Hintergrund: Putin hat im Grundgesetz die Ehe zwischen Mann und Frau verankern lassen. Solange er regiere, werde es nie eine gleichgeschlechtliche Ehe in Russland geben, versprach er.

    Bis 2036 könnte der Präsident an der Macht bleiben, wenn die Verfassungsänderung in Kraft tritt. Und um nichts anderes als die „ewige Herrschaft“ geht es dem 67-Jährigen, wie Politologen und Oppositionelle überzeugt sind. Das ganze Verfahren sei im Grunde illegal, kritisierte der Politologe Kirill Rogow. Demnach hätte über jede einzelne Änderung der Verfassung einzeln abgestimmt werden müssen.

    Kritiker bezeichnen Abstimmung in Russland als Show

    Beim Referendum können sich Bürger die Wahlurnen nach Hause bestellen. Ihre Pässe müssen die mit Gesichtsmasken geschützten Wähler bei der Stimmabgabe im Wahllokal nur aus zwei Metern Entfernung zeigen. Auch hier beklagen Beobachter fehlende Kontrolle. „Das ist keine Abstimmung, kein Referendum, sondern eine Show, die Wladimir Putin braucht“, sagt die Oppositionspolitikerin Ljubow Sobol in Moskau. Putin brauche den Urnengang, damit er anschließend dem Volk „die Schuld an der Verfassungsänderung“ zuschieben könne. Die Moskauer Lokalpolitikerin Julia Galjamina veröffentlichte ein von 200 Abgeordneten aus 26 Regionen Russlands unterzeichnetes Protestschreiben gegen den „Verfassungsumsturz“. „Wir rufen alle russischen Bürger auf, öffentlich ihre Ablehnung des Machtmissbrauchs zu zeigen“, heißt es da. Die Verfassung zerstöre die Grundfesten des Staates. Ohne Machtwechsel gebe es keine Entwicklung. „Wir spüren die Unterstützung der Mehrheit der Bürger.“

    Weil Straßenproteste wegen der Pandemie seit Monaten verboten sind, bricht sich der Zorn im Internet Bahn. In der Kampagne „Njet!“ – „Nein dem ewigen Putin“ – bietet die Opposition auf einer Plattform fertige Protest-Flugblätter und Plakate zum Ausdrucken an. Die Zustimmungswerte des Präsidenten sinken seit längerem. Und deshalb, so heißt es, wolle er nun rasch die Abstimmung durchziehen, bevor sich die Wirtschaftskrise vertiefe.

    Kreml lässt Widerstand gegen Wladimir Putin kalt

    Viel beachtet wird ein Bekenntnis des im Grunde systemtreuen Designers Artemi Lebedew. Der warb gerade noch in einem Clip der Staatsmedien für die Verfassung. Als er aber entdeckte, dass darin Putins bisherige vier Amtszeiten – bei zwei erlaubten – auf null gesetzt werden, sei er entsetzt gewesen. „Ich habe nichts dagegen, dass Putin so lange Zar bleibt, bis er zur Mumie wird. Aber ich bin dagegen, dies in der Verfassung festzuschreiben.“

    An den Kremlmauern prallt jeglicher Widerstand jedoch ab. Putin hat die neue Verfassung schon unterschrieben. Die Mehrheit in der Volksabstimmung sieht er eher als Formalität. Offiziell werden aus der Verfassung nur die Versprechen sozialer Wohltaten hervorgehoben – und nie die „Operation Machtsicherung“ in Artikel 81 des Grundgesetzes.

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