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Türkei: Inflation führt zu wachsendem Gegenwind für Erdogan

Türkei

Inflation führt zu wachsendem Gegenwind für Erdogan

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    Einen Monat vor der Wahl wirbt Erdogan im bosnischen Sarajevo um die Stimmen der Auslandstürken.
    Einen Monat vor der Wahl wirbt Erdogan im bosnischen Sarajevo um die Stimmen der Auslandstürken. Foto: Pool Presdential Press Service/AP, dpa

    Gut einen Monat vor den vorgezogenen Neuwahlen in der Türkei beschleunigt sich die wirtschaftliche Talfahrt des Landes. Der Kursverfall der Lira gegenüber dem Dollar und dem Euro wird immer drastischer, die Insolvenzgefahr für türkische Unternehmen steigt. „Gott stehe der Türkei bei“, hieß es in einem Schreiben der Istanbuler Anlageberatung Alnus Yatirim. Unter dem Druck von Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan zögert die türkische Zentralbank mit überfälligen Zinserhöhungen zur Bekämpfung der steigenden Inflation. Die Lage könnte sich nun vor der Wahl am 24. Juni weiter verschärfen.

    Recep Tayyip Erdogan und seine Frau Emine winken während einer Großkundgebung in Sarajevo.
    Recep Tayyip Erdogan und seine Frau Emine winken während einer Großkundgebung in Sarajevo. Foto: Pool Presidential Press Service, AP, dpa

    Die Lira hat seit Jahresbeginn mehr als 18 Prozent ihres Wertes gegenüber dem Dollar eingebüßt, Tendenz weiter fallend. Das sind äußerst schlechte Nachrichten für die Türkei. Das Land ist zur Energieversorgung auf Öl- und Gaseinfuhren angewiesen, die in Dollar berechnet werden, und muss auch seine Kredite an den internationalen Kapitalmärkten immer teurer bezahlen. Besonders die Verschuldung der türkischen Unternehmen sei ein ernstes Problem, sagte ein internationaler Experte unserer Redaktion.

    Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan: „Gott stehe der Türkei bei“
    Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan: „Gott stehe der Türkei bei“ Foto: Pool Presdential Press Service/AP Pool, dpa

    Laut Medienberichten belaufen sich die Verbindlichkeiten auf mehr als 220 Milliarden Dollar. Für viele Unternehmen werde die Kreditaufnahme immer teurer, hinzu komme ein „Abfluss von Kapital und Talenten“, sagte der Fachmann, der namentlich nicht genannt werden wollte. Potenzielle Investoren meiden die Türkei. Andere Anleger ziehen sich wegen steigender Zinserträge in den USA aus Schwellenländern zurück. Auch die immer schlechteren Noten der internationalen Rating-Agenturen für die Türkei zeigen Wirkung.

    Dabei steht das Land auf den ersten Blick sehr gut da: Ein Wirtschaftswachstum von 7,4 Prozent im vergangenen Jahr wird von der Regierung als Beweis für den Erfolg ihrer Politik präsentiert. Doch das Wachstum wurde mit staatlichen Anreizen erkauft und konnte die Arbeitslosigkeit nicht senken. Stattdessen steigen Inflation und Leistungsbilanzdefizit, Waren werden für die Türken immer teurer.

    Inzwischen mehren sich Berichte, nach denen die schlechte wirtschaftliche Entwicklung auf die Stimmung in Erdogans Partei AKP drückt. In den vergangenen Jahren konnte die AKP stets auf steigenden Wohlstand verweisen – diesmal muss die Partei erläutern, warum es nicht so gut läuft. Auch Erdogan selbst lässt Nervosität erkennen. So schimpfte er öffentlich über den für die Wirtschaftspolitik zuständigen Vizepremier Mehmet Simsek, der bei vielen Anlegern als Garant der Stabilität gilt. Simsek soll nach der Schelte durch den Präsidenten seinen Rücktritt angeboten haben, was von Erdogan aber abgelehnt wurde. Der Präsident verspricht, nach der Wahl werde alles besser – aber er riskiert, dass die Wirtschaft schon vor dem Wahltag abstürzt.

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