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Interview: Bayerischer Parteichef: "Wir als FDP sind das Gegenteil zur AfD"

Interview

Bayerischer Parteichef: "Wir als FDP sind das Gegenteil zur AfD"

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    Daniel Föst, bayerischer FDP-Chef, kritisiert Christian Lindner für dessen Krisenmanagement.
    Daniel Föst, bayerischer FDP-Chef, kritisiert Christian Lindner für dessen Krisenmanagement. Foto: Tobias Hase, dpa

    Wie haben Sie als bayerischer FDP-Chef das Debakel um die Thüringer Ministerpräsidentenwahl erlebt?

    Daniel Föst: Das war für mich am Mittwoch ein äußerst schwieriger Tag. Wir als FDP sind das Gegenteil zur AfD: Wir glauben an Europa. Wir haben Respekt vor allen Menschen. Wir sind für eine offene Gesellschaft und wollen Zukunft gestalten. Und da ist es für mich unerträglich, dass die AfD einen FDP-Ministerpräsidenten ins Amt hebt.

    Hätte Herr Kemmerich nicht schon die Wahl ablehnen müssen, nachdem er jetzt unter Druck doch zurücktritt?

    Föst: Ich habe Respekt vor Thomas Kemmerichs Versuch, die Probleme Thüringens aus der Mitte heraus zu lösen. Dass die AfD in Thüringen so stark ist, liegt auch am Versagen von Rot-Rot-Grün. Kemmerich hat immer klargemacht, weder will er einen Altkommunisten an der Spitze Thüringens noch kann er das Land den Rechtsnationalisten überlassen. Aber er hätte die Wahl mit den Stimmen der AfD nicht annehmen dürfen. Eine Regierung hätte sich niemals von dem Makel befreien können, dass sie durch Nazis wie Björn Höcke an die Macht gekommen ist.

    Aber was war denn die Strategie? Glauben Sie wirklich, dass Ihr Parteifreund nicht vorher einkalkuliert hat, dass die AfD für ihn stimmt?

    Föst: Nachdem Ministerpräsident Bodo Ramelow in jedem Wahlgang gescheitert war, hat Kemmerich in der dritten Runde offensichtlich auf Stimmen aus der demokratischen Mitte gehofft, von CDU, SPD oder den Grünen. Dass die AfD ihrem eigenen Kandidaten null Stimmen gegeben hat, zeigt, dass diese Partei die Axt an unsere Demokratie legen will. Aber nach dem Ergebnis hätte Kemmerich gleich sagen müssen, ich lasse mich mit keiner AfD-Stimme, etwa der von Höcke, zum Ministerpräsident wählen. Er hätte gleich sagen müssen: Ich nehme die Wahl nicht an.

    Ist die FDP der AfD blauäugig in die Falle gegangen?

    Föst: Die Taktik war von vornherein eine Katastrophe. Ich halte den gesamten Ablauf für einen schweren Fehler.

    Wie ist die Stimmung an Ihrer Basis? Man hört von ersten Austritten?

    Föst: Die gibt es. Die Mitglieder in Bayern sind schockiert, dass sich ein Liberaler mit den Stimmen der AfD hat wählen lassen. Das ist für uns in Bayern unerträglich. Jeder bayerische Freie Demokrat weiß, eine Zusammenarbeit mit der AfD kann es nicht geben.

    Haben Sie Verständnis für die Demonstranten vor Ihrer Parteizentrale?

    Föst: Wir leben in einer Erregungszeit. In München haben vor allem auch Anhänger der Parteien gegen uns demonstriert, die in Thüringen abgewählt wurden. Diese Demos werden aber das Problem nicht lösen, dass wir erstarkende Kräfte am rechten Rand haben. Die Art, wie auf Bundesebene Politik gemacht wird, ist nicht geeignet, die Menschen von den Verführern am rechten Rand zurückzuholen. Die Große Koalition löst derzeit keine Probleme.

    Aber was hilft es, wenn man wie Herr Kemmerich Linke und Rechtsextreme immer nur in einem Atemzug nennt?

    Föst: Nochmals: Definitiv hat Thomas Kemmerich einen Fehler gemacht. Ich hätte mich nicht zur Wahl gestellt. Aber wer die Probleme klein macht, von denen die Rechtsextremen leben, macht die Rechtsextremen mit klein. Es gibt ungeklärte Fragen der Zuwanderung, in der Klimapolitik oder der großen Strukturunterschiede in Ost- und Westdeutschland. Erst wenn wir die großen Probleme lösen, die den Menschen auf der Seele brennen, geht der Spuk der AfD zu Ende.

    Welche Folgen sehen Sie für Ihren bayerischen Kommunalwahlkampf?

    Föst: Was die Thüringer Parteikollegen da gemacht haben, ist sicher keine Hilfe für uns in Bayern. Wir haben aber landauf, landab hervorragende Kandidaten und so viele Listen aufgestellt wie noch nie, seit ich in der Partei bin.

    Wie sehen Sie das Krisenmanagement von Christian Lindner?

    Föst: Christian Lindner hat ein Ultimatum gestellt und zum Ausdruck gebracht, dass Thomas Kemmerich den Weg für Neuwahlen frei machen soll. Das hätte man vielleicht am Donnerstag noch klarer und schneller ausdrücken müssen. Wir müssen das Ganze jetzt kritisch aufarbeiten. Dazu brauchen wir die Sondersitzung des Bundesvorstandes.

    Herr Lindner will jetzt die Vertrauensfrage stellen. Kommt es nun zur Führungsdebatte in der FDP?

    Föst: Christian Lindner ist extra nach Thüringen gefahren und hat sich persönlich für eine schnelle Lösung eingesetzt. Das verdient Respekt und es hat funktioniert. Er hat mein Vertrauen.

    Zur Person: Der 43-jährige Bundestagsabgeordnete aus München ist seit zwei Jahren FDP-Chef in Bayern.

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