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Interview: Joachim Herrmann: "Wir müssen gegen fanatische Intoleranz vorgehen"

Interview

Joachim Herrmann: "Wir müssen gegen fanatische Intoleranz vorgehen"

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    Bayerns Innenminister Joachim Herrmann kritisiert den Bund.
    Bayerns Innenminister Joachim Herrmann kritisiert den Bund. Foto: Timm Schamberger, dpa (Archivbild)

    Die Innenminister der Bundesländer wollen antisemitische Straftaten präziser erfassen, nachdem offenbar viele Fälle von Antisemitismus arabischer Herkunft pauschal als rechtsextrem erfasst wurden. Reicht das aus, um das Problem anzugehen?

    Joachim Herrmann: Es ist wichtig, dass wir den islamistischen Antisemitismus klar als solchen wahrnehmen und auch beim Namen nennen. Wir haben beim jüngsten Konflikt zwischen der Hamas im Gazastreifen und Israel feststellen müssen, dass es nicht wenige islamistische Antisemiten in Deutschland gibt. Antisemitismus ist in jeder Form unerträglich. Wir müssen deshalb die Prävention in diesem Bereich verstärken. Ich weise aber ausdrücklich darauf hin, dass keineswegs alle Muslime in unserem Land des Antisemitismus verdächtig sind. Viele in den islamischen Gemeinden legen sehr bewusst Wert auf die Toleranz gegenüber anderen Religionsgemeinschaften, gerade auch gegenüber der jüdischen Gemeinde.

    Reichen die bestehenden Gesetze aus oder sehen Sie Nachbesserungsbedarf?

    Herrmann: Wir müssen dort, wo wir es mit fanatischer Intoleranz zu tun haben, konsequent dagegen vorgehen. Wir haben auf den jüngsten Demonstrationen erleben müssen, dass hier sehr viel Hass auf Juden und Hetze gegen Israel geäußert wurde. Wir müssen solche Leute vor Gericht stellen. In diesen Kontext gehört auch, dass wir die Möglichkeit schaffen, die Verwendung der Hamas-Fahne, die letztendlich ein antisemitisches Symbol ist, zu unterbinden. Ich setze mich dafür ein, die Verwendung von Symbolen einer von der EU als terroristisch eingestuften Organisation künftig unter Strafe zu stellen.

    Auch mit Blick auf Straftäter und Gefährder wurde nicht zuletzt auf Druck Bayerns der Abschiebestopp nach Syrien aufgehoben. Warum ist ein halbes Jahr danach noch niemand nach Syrien zurückgeschickt worden?

    Herrmann: Ich bin ganz klar der Auffassung, dass Personen, die sich schwer strafbar gemacht haben und die eine Gefährdung für unsere Bevölkerung sind, schnell wieder außer Landes gebracht werden. Leider weigert sich der Bundesaußenminister, sich darum in irgendeiner Weise zu kümmern, und erklärt, Abschiebungen nach Syrien seien nicht möglich, zumutbar oder vertretbar. Man tut im Auswärtigen Amt so, als wäre Syrien ein unerreichbares Land. Auch wenn es keinen Direktflug nach Syrien gibt, fliegen jeden Tag Menschen über Umsteigeverbindungen auch aus Europa hin und her. Ich kann kein ethisches Problem erkennen, einen bekennenden Assad-Anhänger, der in Deutschland eine Gewalttat begangen hat, wieder in seine syrische Heimat zurückzuschicken. Aber uns droht Gefahr, wenn wir solche Leute in unserem Land lassen. Wir werden deshalb nicht müde, vom Bundesaußenminister zu verlangen, dass Mittel und Wege gesucht werden, um gefährliche Personen in unterschiedliche Regionen Syriens zurückzubringen.

    Ein großes Thema bei der Innenministerkonferenz werden diese Woche die Lehren aus der Pandemie sein. Auch hier gibt es einen Konflikt mit dem Bund, wenn es darum geht, ob das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe mehr Kompetenzen bekommen soll. Warum warnen Sie dabei vor voreiligen Schlüssen?

    Herrmann: Ich meine, dass Deutschland insgesamt die Krise bislang ganz gut gemeistert hat, auch wenn im Einzelfall da und dort Fehler gemacht worden sind. Es gab auch Themen, die beim Bund beheimatet waren, wie zum Beispiel die Beschaffung von Impfstoff in der Anfangsphase, die auch kein Ruhmesblatt waren. Es hat aber keinen Sinn, den Schwarzen Peter hin und her zu schieben. Wir brauchen deshalb auch keine grundsätzliche Veränderung der Zuständigkeiten. Unabhängig von Corona brauchen wir aber auf jeden Fall eine bessere Koordinierung in Katastrophen-Großlagen zwischen Bund und Ländern. Wir müssen hier die Chancen der Digitalisierung nutzen, um die Informationen und das Meldewesen zu verbessern. Egal ob Erdbeben, Hochwasser, Flugzeugabsturz oder ein großes Eisenbahnunglück: Wir brauchen schnelle optimale Informationen und eine gute Koordinierung. Hier können wir besser werden und können beim Bundesamt eine Koordinierungsmöglichkeit für den Bund und die von einer Katastrophe betroffenen Länder schaffen.

    Aber auch der Ex-Innenminister Thomas de Maizière hat kürzlich nicht weniger als eine „Revolution“ gefordert, um die Krisenfestigkeit zu stärken und den Katastrophenschutz auf Bundesebene zu konzentrieren. Sehen Sie das anders?

    Herrmann: Ich bin sehr dafür, dass wir überall sehr genau analysieren, wo wir noch besser werden können. Aber wenn ich mich zum Beispiel an die extreme Flüchtlingssituation von 2015 erinnere: Damals hat der Bund sozusagen die Einreise erlaubt und die Arbeit haben dann die Länder gemacht. Bei aller Wertschätzung: Ich halte den Eindruck für nicht belegbar, mit mehr Kompetenzen des Bundes hätte man all die Situationen der vergangenen Jahre besser bewältigen können. Der Föderalismus ist insgesamt leistungsfähig. Und in den vergangenen eineinhalb Jahren gab es gerade in zentralistisch geführten Ländern wie zum Beispiel Frankreich oder Großbritannien massive Kritik am jeweiligen Krisenmanagement.

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