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Interview: Kramp-Karrenbauer: "Die Frage nach der Religion ist nicht entscheidend"

Interview

Kramp-Karrenbauer: "Die Frage nach der Religion ist nicht entscheidend"

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    CDU-Chefin und Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer will Deutschland außenpolitisch stärken. Dazu können auch Bundeswehreinsätze zählen.
    CDU-Chefin und Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer will Deutschland außenpolitisch stärken. Dazu können auch Bundeswehreinsätze zählen. Foto: Szilvia Izsó

    Frau Kramp-Karrenbauer, die CSU hat in den vergangenen Wochen intensiv über einen muslimischen Bürgermeisterkandidaten in Wallerstein diskutiert. Einige seiner Parteifreunde lehnten dessen Kandidatur wegen seines Glaubens offen ab. Wie haben Sie diese Debatte erlebt?

    Annegret Kramp-Karrenbauer: Es ist schwierig, das von außen zu beurteilen. Aber ich habe mir überlegt, was Franz Josef Strauß wohl dazu gesagt hätte. Ich glaube, er hätte kräftig auf den Tisch geklopft und gepoltert: Mei, wenn der Mann unsere Werte vertritt, dann ist es doch egal, welcher Religion er angehört.

    Kann eine Partei mit einem C im Namen wirklich so pragmatisch argumentieren, wenn es um die Religion ihrer Kandidaten geht?

    Kramp-Karrenbauer: Natürlich. Wir haben in der CDU viele muslimische Parteimitglieder und auch Abgeordnete – bis hin zu einer Kollegin im Bundesvorstand. Sie alle vertreten ganz selbstverständlich unsere Werte. Bei uns gibt es Christen, Muslime und auch Mitglieder jüdischen Glaubens. Wichtig ist doch allein, dass alle auf dem Wertefundament dieser Partei stehen.

    Lesen Sie mehr dazu: Fall Sahin: Hat die CSU ein Problem mit Muslimen?

    Der CSU-Ortsvorsitzende von Wallerstein hat argumentiert, auf dem Land sei man eben „noch nicht so weit“.

    Kramp-Karrenbauer: Ich komme aus der Kommunalpolitik und weiß, dass dort die Persönlichkeit der Kandidaten eine große Rolle spielt. Wenn sich jemand um ein Amt bewirbt, achten die Leute darauf, ob er oder sie im Ort integriert und engagiert ist. Und auch, ob das familiäre Umfeld stimmt. Passt das aber alles, ist die Frage der Religion nach meiner Erfahrung letztlich nicht die entscheidende. In Neufahrn bei Freising wurde ein muslimischer Bürgermeisterkandidat der CSU ja kürzlich mit 100 Prozent der Stimmen nominiert. Das ist ein eindeutiges Ergebnis.

    Ihr CDU-Fraktionschef Ralph Brinkhaus hat vor kurzem sogar gesagt, er könne sich einen Muslim als Kanzler vorstellen. Sie auch?

    Kramp-Karrenbauer: Jeder, der sich in unserer Partei engagiert und unsere Werte teilt, kann seinen Weg in der Partei machen. Aber im Moment ist das eine sehr theoretische Diskussion. Ich sehe jedenfalls nicht, dass unsere ohnehin andauernde Kandidaten-Debatte in der CDU gerade noch um diese Facette erweitert wurde.

    AKK: "Die Grundrente ist ein verflixt schwieriges Thema"

    Bayerns Ministerpräsident Markus Söder hat sehr öffentlich einen Umbau des Bundeskabinetts gefordert. Bestimmt jetzt der CSU-Chef, wie dieses Kabinett aussieht?

    Kramp-Karrenbauer: Markus Söder hat doch vor allem eine Analyse vorgenommen. Und die teile ich – die Zustimmungswerte zur Arbeit der Bundesregierung sind nicht besonders gut. Wir stehen mit Blick auf die nächste Bundestagswahl vor einer ganz besonderen Situation. Zum ersten Mal seit sehr langer Zeit wird die Union ohne Angela Merkel, also ohne die Amtsinhaberin, in die Wahl ziehen. Die Frage, wie sich die Union neu aufstellt, ist somit ganz entscheidend.

    Und das geht nur, indem man Köpfe austauscht?

    Kramp-Karrenbauer: Ich habe Markus Söder so verstanden, dass eine Kabinettsumbildung ein Weg sein könnte. Aber es gibt natürlich auch einen anderen Weg: Das Kabinett bleibt, doch wir stellen für die Bundestagswahl Kandidaten auf, die wichtige Zukunfts-Themenfelder vertreten. Das sind unterschiedliche Ansätze, gewiss, aber wir werden uns im Laufe des Jahres auf einen Weg verständigen.

    Wann genau wird das sein? Ministerpräsident Markus Söder drängt auf eine Entscheidung über die Personalfrage im Sommer. Der ist in Bayern zwar besonders lang, dauert aber nicht bis zum Ende des Jahres, wie es Ihr Zeitplan vorsah.

    Kramp-Karrenbauer: In der Politik spürt man, wenn der richtige Zeitpunkt gekommen ist und dann redet man drüber.

    Die CSU denkt über einen Neustart in Berlin nach, weil sie in den Umfragen nicht vom Fleck kommt – und die Umfragewerte für Bundesminister wie Andreas Scheuer katastrophal sind.

    Kramp-Karrenbauer: Ich halte nichts von dieser Art öffentlicher Spekulation und werde mich daran auch nicht beteiligen.

    Herr Söder könnte doch CSU-Minister wie Scheuer oder Horst Seehofer einfach auswechseln.

    Kramp-Karrenbauer: CDU und CSU sind die Aufstellung des Kabinetts und der Vergabe der Ressortzuschnitte immer gemeinsam angegangen. Warum sollte sich das ändern?

    Aber noch mal: Sie teilen mit Herrn Söder die Überzeugung, dass man mit der aktuellen Bundesministerriege nicht in die nächste Wahl ziehen kann.

    Kramp-Karrenbauer: Ich rede über die Zukunft und natürlich werden da auch Personen eine Rolle spielen, die dies heute schon tun.

    Das politische Thema dieser Tage ist der Klimaschutz, mit dem viele Wähler vor allem die Grünen verbinden. Brauchen Sie nicht schon deswegen neue Gesichter?

    Kramp-Karrenbauer: Unsere Aufgabe als Union ist es, dafür zu sorgen, dass wir 2030 in einem Land leben, das wirtschaftlich stark, sicher, digital, aber auch klimafreundlich ist. Das sind keine Alternativen, sondern das muss zusammenpassen. Gerade beim Klimaschutz haben wir im vergangenen Jahr kräftig nachgearbeitet, weil wir das in der Vergangenheit vernachlässigt hatten. Aber wir haben aufgeholt. Beim Wirtschaftsforum in Davos war es für mich ermutigend, wie viele internationale Gesprächspartner mich auf unser deutsches Klimapaket angesprochen und es als bemerkenswert bezeichnet haben.

    Die Bürger haben aber den Eindruck, dass die Große Koalition nicht die Zukunft gestaltet – sondern sich lieber über Detailfragen der Grundrente zofft.

    Kramp-Karrenbauer: Über die diskutieren wir nun aber schon in der dritten Legislaturperiode. Das ist, so was gibt es in der Politik, aber auch ein verflixt schwieriges Thema, weil die Grundrente an der Schnittstelle von Rentensystem und Grundsicherung angesiedelt ist. Die CDU will die Grundrente. Das ist klar. Wir haben uns im Koalitionsausschuss im Herbst 2019 mit der SPD auf klare Kriterien für die Umsetzung geeinigt. Die müssen nun in Gesetzesform gebracht werden.

    Kramp-Karrenbauer: "Wie können wir in Europa enger zusammenarbeiten?"

    Die Finanzierung durch eine Finanztransaktionssteuer ist auch noch nicht gesichert.

    Kramp-Karrenbauer: Bundesfinanzminister Olaf Scholz hat die Finanztransaktionssteuer als Gegenfinanzierung angeboten. Im Koalitionsvertrag steht aber, dass es die nicht im nationalen Alleingang geben soll. Zehn Länder wollen mitmachen, damit wäre es kein nationaler Alleingang.

    Außerdem sollte es durch die Grundrente keine zusätzliche bürokratische Belastung geben. Im Moment sieht es aber so aus, als ob einzelne Formulare gar per Hand ausgefüllt werden müssen, weil elektronische Systeme nicht schnell genug aufgebaut werden können.

    Kramp-Karrenbauer: Bei den Verhandlungen ist uns von der SPD zugesagt worden, dass man einen Weg findet. Wenn dieser Weg nun viel komplizierter wird und erst später umgesetzt werden kann, müssen Bundesarbeitsminister Heil und Bundesfinanzminister Scholz überlegen, wie man einen vernünftigen, notfalls analogen Weg findet.

    Bald beginnt die Münchner Sicherheitskonferenz. Sie haben als neue Bundesverteidigungsministerin in mehreren Reden eine aktivere Rolle Deutschlands in der Welt gefordert, bislang ohne viel Erfolg. Werden Sie in München einen neuen Versuch unternehmen?

    Kramp-Karrenbauer: Deutschland spielt eine Rolle in der Welt, in Europa. Welche und wie sie sich verändert, darüber müssen wir intensiv diskutieren – auch öffentlich unter Einbeziehung der Bürger. Dazu habe ich Vorschläge gemacht, über die nun debattiert wird. Das ist ein Fortschritt. Denn die Frage ist doch: Wie können wir in Europa enger zusammenarbeiten, um mehr internationale Verantwortung zu übernehmen?

    Welche Zusammenarbeit meinen Sie genau?

    Kramp-Karrenbauer: Es geht beispielsweise um die Grundfrage, ob Europa als Säule innerhalb der Nato steht oder eine Alternative zu ihr sein will.

    Und?

    Kramp-Karrenbauer: Die europäische Säule muss innerhalb der Nato stehen. Denn die Allianz ist der Grundstein, auf dem unsere Sicherheit aufbaut. Wir werden uns sicher auch in Zukunft auf die militärischen Fähigkeiten der Amerikaner stützen können, aber eben auch zunehmend auf eigene europäische.

    Militäreinsätze sind selbst innerhalb der Union umstritten. Als Sie einen Vorschlag zur Libyen-Politik machten, sprach sich etwa CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt sehr deutlich gegen Einsätze der Bundeswehr aus.

    Kramp-Karrenbauer: Das respektiere ich, aber um den vielfältigen Herausforderungen unserer Zeit zu begegnen, braucht es auch vielfältige Maßnahmen – diplomatische, wirtschaftliche, aber eben manchmal auch militärische. Im Übrigen muss in Libyen jetzt erst mal politisch umgesetzt werden, was in Berlin beschlossen wurde. Erst dann am Ende stellt sich die Frage nach der Art der Absicherung, möglicherweise auch durch eine internationale Mission unter Beteiligung der Bundeswehr. In Davos beim WEF konnte man spüren, dass die Frage von internationalen Entwicklungen – beispielsweise der Versorgungslage und der Sicherheit von Millionen Menschen in der Sahel-Zone, in Libyen oder Syrien – unmittelbare Auswirkungen auf die Migrationsfrage in Europa und natürlich auch auf uns hat. Innen- und Außenpolitik sind also nicht mehr zu trennen. Das ist etwas, was in den vergangenen Jahren so deutlich in der Öffentlichkeit nicht ausgesprochen und diskutiert wurde. Deswegen müssen wir diese Diskussion jetzt führen.

    "Donald Trump hat in Davos eine Rede gehalten, wie er sie seit drei Jahren hält"

    Aber wie können Sie den Bürgern den Sinn von Militäreinsätzen erklären? Afghanistan etwa, wo sich die Bundeswehr engagierte, gilt als Paradebeispiel für eine gescheiterte Mission.

    Kramp-Karrenbauer: Das sehe ich differenzierter. Trotz aller Schwierigkeiten, am Hindukusch hat sich durchaus Einiges getan. Wir sehen Fortschritte in der Armee, in der Regierung, in der Polizei. Die öffentliche Wahrnehmung von Frauen verändert sich – zumindest in einigen Städten. Das ist schon mal ein Anfang. Deswegen ist es ja so wichtig, diese Fortschritte auch in den Friedensverhandlungen zu sichern. Oder nehmen wir den Irak: Wir kämpfen dort gegen den IS, eine schreckliche Terrororganisation. Nun sagen viele, der Islamische Staat sei schwächer geworden und wir könnten den Druck verringern. Aber tatsächlich ist die Gefahr nicht gebannt. Im vorigen Jahr ist die Zahl der Terroranschläge wieder angestiegen. Lassen wir in diesem Kampf nun nach, müssen wir damit rechnen, dass der IS auch wieder in der Lage ist, in Europa stärker zuzuschlagen. Unser Engagement im Irak ist also in unserem ureigensten Interesse.

    Sie haben Grünen-Chef Robert Habeck in Davos für dessen heftige Kritik an Donald Trump kritisiert. Habeck, so Ihr Vorwurf, habe damit nichts erreicht.

    Kramp-Karrenbauer: Donald Trump hat in Davos eine Rede gehalten, wie er sie seit drei Jahren hält. Trump hielt diese außerdem zu Beginn des Amtsenthebungsverfahrens in Washington und wenige Monate vor der US-Präsidentschaftswahl. Er wollte in erster Linie die Amerikaner erreichen. Insofern war ich verwundert, wie man darüber so erstaunt sein konnte. Außerdem reisen wir alle ja zu einer Konferenz wie Davos nicht als Privatpersonen, auch nicht der Grünen-Vorsitzende. Es geht also gerade nicht darum, wie man sich fühlt. Sondern was man für sein Land erreichen kann.

    Aber müsste Deutschland nicht, wenn man sich auf weitere vier Jahre mit Trump einstellt, klar und deutlich rote Linien markieren, die auch der US-Präsident nicht überschreiten soll?

    Kramp-Karrenbauer: Ich halte grundsätzlich nichts davon, öffentlich rote Linien zu markieren.

    Zum Schluss noch eine Frage abseits der großen Politik: Warum treten Sie dieses Jahr nicht im Karneval auf?

    Kramp-Karrenbauer: Das ist vor allem eine Zeitfrage, weil ich durch das Ministeramt sehr viele zusätzliche Terminanfragen habe. In den Narrenhochburgen richten sich die Jecken nach dem Karnevalskalender, im Rest des Landes leider nicht.

    Vermissen Sie die Auftritte?

    Kramp-Karrenbauer: Ich bin voriges Jahr Sonderbotschafterin des deutschen Karnevals geworden und kann mich dieses Jahr darauf freuen, Karneval einfach im Publikum zu genießen.

    Zur Person: Annegret Kramp-Karrenbauer, 57, ist seit 2018 Vorsitzende der CDU und seit 2019 Bundesverteidigungsministerin. Im kommenden Jahr soll die frühere saarländische Ministerpräsidentin ihre Partei in den Bundestagswahlkampf führen.

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