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Interview: Lambsdorff: "Für FDP ist Ampel oder Jamaika-Koalition offen"

Interview

Lambsdorff: "Für FDP ist Ampel oder Jamaika-Koalition offen"

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    FDP-Außenexperte Alexander Graf Lambsdorff erwartet spannende Gespräche mit den Grünen.
    FDP-Außenexperte Alexander Graf Lambsdorff erwartet spannende Gespräche mit den Grünen. Foto: Tom Weller, dpa

    FDP und Grüne wollen eine Linie für die Sondierungen über eine künftige Regierungskoalition ausloten. Die FDP ist politisch eher der Union zugeneigt und die Grünen eher der SPD. Wird das die größte Herausforderung?

    Alexander Graf Lambsdorff: Ich würde das nicht so sehr von der Neigung, sondern von den Inhalten her beantworten. Wir haben immer gesagt, dass wir die Gespräche in erster Linie unter inhaltlichen Gesichtspunkten führen wollen. Als FDP haben wir in diesem Wahlkampf keine Koalitionsaussage gemacht, denn wir wollen auf unser eigenes Programm schauen und was wir davon umsetzen können. Ich erwarte, dass das bei den Grünen genauso ist, das werden spannende Gespräche.

    Die Frage des Kanzlers spielt aber eine sehr starke Rolle in der Bundesregierung. Geht es also nicht nur um Inhalte, sondern auch um die Person?

    Lambsdorff: Der menschliche Faktor spielt eine Rolle. Das sind Fragen wie: Kann man sich auf einen Verhandlungspartner verlassen? Steht man gemeinsam auch mal eine Krise durch? Gilt das Wort des anderen auch dann noch, wenn er Koalitionsvereinbarungen in seiner eigenen Partei durchsetzen muss, die nicht der eigenen Programmatik entsprechen? Wir arbeiten mit Armin Laschet in Nordrhein-Westfalen sehr gut zusammen. Das bedeutet aber nicht, dass sich so etwas nicht auch mit Olaf Scholz entwickeln kann. Und jetzt, ganz am Anfang, geht es erst einmal darum, mit den Grünen das Vertrauen aufzubauen, das man braucht, um eine gemeinsame Regierung zu bilden.

    Sie gehen ähnlich vor wie bei der Bildung der Jamaika-Koalition in Schleswig-Holstein. Ist das ein Vorbild für den Bund?

    Lambsdorff: FDP und Grüne sprechen jetzt miteinander, um zwischen beiden Parteien Brücken zu bauen. Unsere Vorstellungen liegen ja teilweise recht weit auseinander, insbesondere in der Wirtschafts- und Umweltpolitik. Danach werden sich die Gespräche mit der SPD und der Union anschließen. Ob am Ende eine Jamaika-Koalition herauskommt wie in Schleswig-Holstein oder beispielsweise eine Ampel wie in Rheinland-Pfalz ist offen.

    Bevorzugt die FDP Jamaika?

    Lambsdorff: Natürlich gibt es programmatisch eine größere Nähe der FDP zur Union, aber wir gehen offen in die Gespräche mit allen anderen Parteien. Was mir wichtig ist: Wir führen diese Gespräche nicht um ihrer selbst willen, sondern weil die Bürgerinnen und Bürger dieses Landes durch ihre Wahlentscheidung ein ganz neues Kräfteverhältnis zwischen den Parteien geschaffen haben. Es gibt nicht mehr zwei große Dampfer mit kleineren Beibooten, sondern vier etwa mittelgroße Parteien im demokratischen Bogen. Das ist eine neue politische Landschaft, die auch neue Formen der Koalitionsbildung erfordert. Deswegen reden wir jetzt zuerst mit den Grünen.

    Die FDP hat auch mit der Union nicht unbedingt immer die besten Erfahrungen gemacht. Nach Schwarz-Gelb flog die Partei aus dem Parlament, dann platzen die Jamaika-Gespräche. Sind Sie auch deshalb offen für eine Ampel?

    Lambsdorff: Wenn man in die Geschichte im Bund und die verschiedenen Bundesländer schaut, gibt es ganz unterschiedliche Erfahrungen. Wir haben mit Helmut Kohl sehr lange eine erfolgreiche Koalition geführt, bei Angela Merkel war das leider anders. Wir hatten aber auch mit der SPD – jedenfalls die längste Zeit – eine vertrauensvolle und erfolgreiche Zusammenarbeit in den 60er und 70 Jahren. Willy Brandt und Hans-Dietrich Genscher haben die neue Ostpolitik gemeinsam organisiert, SPD und FDP die Modernisierung der bundesrepublikanischen Gesellschaft nach den 68er Jahren. Die Geschichte legt also weder das eine oder das andere nahe. Entscheidend ist, dass es fair in einer Koalition zugehen muss. Wenn alle Beteiligten guten Willens sind, kann das im Interesse des Landes auch gelingen.

    Wie lange erwarten Sie, dass die Verhandlungen dauern?

    Lambsdorff: Das kann man heute noch nicht sagen. An diesem Mittwoch gibt es die ersten Gespräche zwischen Freien Demokraten und den Grünen. Dann werden die Parteivorsitzenden vermutlich im Laufe der nächsten Tage den ersten Teil eines Fahrplans vorstellen.

    Sie sind ein prominenter Außenpolitiker im Parlament. Was sind die außenpolitisch wichtigsten Herausforderungen für die nächst Koalition?

    Lambsdorff: Global gesehen müssen die demokratischen Länder des Westens mit dem Aufstieg Chinas umgehen. Das ist eine langfristige Aufgabe. Russland, Irak, Mali und die transatlantischen Beziehungen stehen auch auf dem Hausaufgabenzettel. Und ganz aktuell sehen wir leider wieder erhebliche Spannungen zwischen Serbien und dem Kosovo, wo die Bundeswehr im Einsatz ist. Es gibt also auch Herausforderungen, die uns noch einmal in Erinnerung rufen, dass wir auch eine sicherheitspolitische Komponente mit einer gut finanzierten und ausgerüsteten Bundeswehr benötigen, die im Fall der Fälle dann auch eingesetzt werden kann, um Frieden und Stabilität zu sichern. Deshalb wird es ganz entscheidend sein, dass wir in welcher Koalition auch immer an die Sicherheit unseres Landes denken.

    Muss die nächste Bundesregierung ein stärkerer Motor in der Europapolitik werden, als in den vergangenen Jahren?

    Lambsdorff: Definitiv. Die Regierungspolitik in der Europafrage der vergangenen Jahre war eine Enttäuschung. Kanzlerin Angela Merkel wurde in der Europäischen Union immer dann aktiv, wenn es eine Krise gab. Aber sie hat anders als Frankreichs Präsident Emmanuel Macron nie wirklich erklärt, wo es mit der Europäischen Union hingehen soll und welche Reformschritte als nächste gegangen werden müssen. Hier hat sich die bisherige Bundesregierung viel zu wenig engagiert. Das Engagement für Europa muss sich in einer neuen Bundesregierung deutlich steigern.

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