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Interview: Unions-Vize Nüßlein: „Finanzminister Scholz kneift beim Klimaschutz“

Interview

Unions-Vize Nüßlein: „Finanzminister Scholz kneift beim Klimaschutz“

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    Der Neu Ulmer Vizechef der CDU/CSU-Bundestagsfraktion greift den Koalitionspartner SPD in der Klimadebatte scharf an.
    Der Neu Ulmer Vizechef der CDU/CSU-Bundestagsfraktion greift den Koalitionspartner SPD in der Klimadebatte scharf an. Foto: Ralf Lienert

    Herr Nüßlein, wenn die Koalition beim Klimaschutz vorankommen will, müsste sie an einem Strang ziehen. Im Moment sieht es aber so aus, als treibe die SPD die Union vor sich her. Teilen Sie als stellvertretender Unionsfraktionschef diesen Eindruck?

    Georg Nüßlein: Der Eindruck ist definitiv falsch. Bundesfinanzminister Olaf Scholz bekennt sich in Sonntagsreden, gerade vor sozialdemokratischem Publikum, gerne zum Klimaschutz. Konkret anzubieten hat er aber nichts: Er trägt keinerlei finanzielle Vorsorge für allfällige Klimaschutz-Maßnahmen. Die braucht es aber, um auf dem Weg hin zur Treibhausgasneutralität voranzukommen. Das ist eine generationenübergreifende Herausforderung, die muss zwingend von der Haushaltspolitik flankiert werden.

    Wir hatten eher an Umweltministerin Svenja Schulze gedacht, die mit ihrem Klimaschutzgesetz ohne die Zustimmung des Kanzleramtes in die Ressortabstimmung gegangen ist...

    Nüßlein: Mit diesem Gesetz ist gar nichts gewonnen, es enthält überhaupt keine konkreten Maßnahmen. Ministerin Schulze gibt einfach den Schwarzen Peter weiter an ihre Kollegen, hauptsächlich aus unseren Häusern. Während sie also von den CDU- und CSU-Ministern konkrete Vorschläge für mehr Klimaschutz fordert, lässt der Bundesfinanzminister gerade diese Unionskollegen im Regen stehen, indem er keine Mittel für solche Maßnahmen freimacht. Die SPD muss intern dringend klären, was sie eigentlich will.

    Welche Maßnahmen wären das denn, bei denen Sie eine finanzielle Unterfütterung vermissen?

    Nüßlein: Ich denke an den Steuerbonus für die energetische Sanierung von Bestandsgebäuden. Der ist im Koalitionsvertrag fest vereinbart, aber Olaf Scholz kneift. Auf eine konkrete Initiative warten wir bislang vergeblich. Der Steuerbonus würde aber Investitionen auslösen – und die öffentlichen Haushalte deshalb unter dem Strich nichts kosten. Alles, was der Bundesfinanzminister beisteuern müsste, wäre die Anschubfinanzierung für einen Rabatt bei der Einkommensteuer. Aber bereits hier endet die Klimabegeisterung des Ministers. Auch was die Förderung der Elektromobilität angeht, braucht der Finanzminister Nachhilfe beim Studium des Koalitionsvertrags: Die Sonderabschreibung für gewerblich genutzte Elektrofahrzeuge steht dort schwarz auf weiß. Sie umfasst sogar Pkw und nicht nur Lieferfahrzeuge. Offenbar ist das dem Bundesfinanzministerium aber schon zu viel. Mit solchen haushalterischen Haarspaltereien verhindert Scholz eine deutliche Verringerung von Emissionen im Verkehr.

    Dass im Haushalt überhaupt kein Geld für Klimaschutzmaßnahmen vorgesehen ist, stimmt so allerdings nicht…

    Nüßlein: Die einzige zusätzliche Klimavorsorge, die in der Finanzplanung des Bundes zwischen 2020 und 2022 getroffen wird, sind jährlich hundert Millionen Euro für mögliche Strafzahlungen, die die EU Deutschland für eine Verfehlung der Klimaziele hauptsächlich im Gebäude- und Verkehrsbereich aufbrummen könnte. Wäre es nicht viel besser finanziell Vorsorge zu treffen, dass dieser Fall erst gar nicht eintritt?

    Wofür sollte Scholz denn Geld in die Hand nehmen?

    Nüßlein: Wenn wir im Klimaschutz weiterkommen wollen, brauchen wir technologische Innovationen. Dafür wiederum brauchen wir marktwirtschaftliche Ansätze. Das heißt, wir müssen eine Anreiz-Offensive für den Klimaschutz starten. Dafür muss zuallererst die Finanzpolitik die richtige Kulisse schaffen. Das ist Aufgabe der SPD und des Ministers ganz persönlich. Wenn es die SPD und ihr Bundesfinanzminister ernst meinen mit dem Klimaschutz, dann müssen sie umdenken –weg vom dirigistischen Klein-Klein, vor allem weg von unsäglichen Steuererhöhungsfantasien - Stichwort: CO2-Steuer.

    Eine CO2-Bepreisung kommt für Sie also überhaupt nicht in Frage? Damit verzichten Sie doch auf ein wichtiges Steuerungselement!

    Nüßlein: Nein, auch wir wollen Innovationen gezielt voranbringen, aber mit Anreizen und Entlastungen - und eben nicht mit Mehrbelastungen. Unsere Vorschläge berechnen sich alle nach der Formel: CO2 runter gleich Steuern runter! Ein paar Beispiele, wie es nach unserer Vorstellung gehen könnte: Man könnte etwa die Strom- und Energiesteuer senken zur Förderung alternativer Antriebe und synthetischer Kraftstoffe. Man könnte Gas-Lkw länger von der Maut befreien, damit sich Investitionen auch rechnen. Man könnte die Mehrwertsteuer auf Bahnfahrten senken. Man könnte neben dem Bonus bei der Einkommensteuer auch Vergünstigungen bei der Erbschaftsteuer schaffen. Davon profitieren Erben, wenn sie die Gebäudesanierung beim Generationenübergang nachholen.

    Die Debatte geht aber mit dem Ruf nach einer CO2-Steuer in genau die andere Richtung.

    Nüßlein: Wir stehen hier erst am Anfang einer spannenden Diskussion. Wenn Deutschland eines nicht hat, dann sind das zu niedrige Steuern und Abgaben. Der Ruf nach neuen und höheren Steuern für den Klimaschutz ist ein sozialdemokratischer Reflex, auf den man sich verlassen kann: großes Problem - staatliche Lösung - Steuern rauf. Ich setze dem entgegen: großes Problem - den Menschen die Lösung zutrauen – Anreize dafür schaffen.

    Zur Person Der 50-jährige CSU-Bundestagsabgeordnete Georg Nüßlein aus dem schwäbischen Münsterhausen ist seit 2014 stellvertretender Vorsitzender der CDU/CSU-Fraktion.

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