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Österreich: Ist Van der Bellens Zittersieg in Gefahr?

Österreich

Ist Van der Bellens Zittersieg in Gefahr?

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    Die Wahl Alexander Van der Bellen zum Staatspräsidenten Österreichs wurde von der FPÖ angefochten. Deren Kandidat Norbert Hofer hatte in der Stichwahl knapp 31.000 Stimmen weniger.
    Die Wahl Alexander Van der Bellen zum Staatspräsidenten Österreichs wurde von der FPÖ angefochten. Deren Kandidat Norbert Hofer hatte in der Stichwahl knapp 31.000 Stimmen weniger. Foto: Christian Bruna/dpa

    Im Drama um die Wiener Bundespräsidentenwahl liegt der Ball jetzt beim österreichischen Verfassungsgerichtshof. Er muss innerhalb von vier Wochen prüfen, ob es die Wahlanfechtung der rechtspopulistischen Freiheitlichen Partei (FPÖ) nötig macht, die Stichwahl teilweise oder im Extremfall sogar ganz zu wiederholen. Der ehemalige Grünenchef Alexander van der Bellen, der am 22. Mai den Freiheitlichen Norbert Hofer knapp besiegt hatte, gibt sich jedenfalls gelassen.

    Strittig ist, ob das Gericht die Prüfung in der kurzen Zeit bis zum 6. Juli vornehmen kann. Das wäre der letzte Termin, um den Zeitplan einzuhalten. Am 8. Juli ist die Amtseinführung des neuen Präsidenten geplant.

    Unbestritten ist dagegen, dass es bei der Wahl Unregelmäßigkeiten und Verstöße gegen die Wahlordnung gegeben hat. Einmal sollen Briefwahlunterlagen vorschriftswidrig zu früh geöffnet worden sein. Zum Zweiten sollen Jugendliche gewählt haben, die jünger als 16 und daher nicht wahlberechtigt waren. Allerdings soll es sich dabei nur um sechs Personen handeln.

    Briefwahl war laut FPÖ unrechtmäßig

    Gravierender sind die Vorgänge bei der Briefwahl: Laut FPÖ-Rechtsbeistand Dieter Böhmdorfer wurde der äußere der beiden Umschläge der Briefwahlstimmen gesetzwidrig in 120.000 Fällen bereits am Wahltag geöffnet. In diesem Fall hätten die Stimmen nicht mehr gezählt werden dürfen. Nach FPÖ-Angaben flossen sie aber dennoch ins Ergebnis ein. Sein gutes Abschneiden bei den Briefwählern hatte dem Grünen Alexander van der Bellen zum Sieg verholfen.

    Die FPÖ unterstellt, es handele sich dabei um Manipulationen und Wahlbetrug. Das ist jedoch nicht erwiesen. Österreichs Wahlleiter Robert Stein wies darauf hin, dass man vorab prüfen dürfe, ob die Unterschrift auf der Wahlkarte (eidesstattliche Erklärung) fehlt. Dafür gebe es eine eigene Lasche, die man öffnen könne, ohne die Wahlkarte als solche aufzureißen. Die Auszählung der Stimmen war erst am Montag nach dem Wahlsonntag ab 9 Uhr zulässig. Die von Vorwürfen betroffenen Bezirkswahlbehörden bestreiten nicht, dass die Briefwahlkarten vor diesem Termin bearbeitet wurden. Man habe immer schon in der Nacht mit dem „Vorsortieren“ begonnen. Ob es sich dabei um eine Auszählung handelte, ist unklar.

    Es ist schwierig, die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes vorauszusagen. Auch deshalb, weil die 153 Seiten lange Anfechtungsschrift der FPÖ nicht öffentlich ist, sondern nur eine 13-seitige Presseerklärung. Auch die ins Feld geführten eidesstattlichen Erklärungen der FPÖ-Klientel sind nicht öffentlich einsehbar. Insofern ist deren Gehalt und Glaubwürdigkeit schwer zu beurteilen.

    Nur geringe Chancen auf Anfechtung

    Die Unterstützer Van der Bellens bemühen sich um Haltung. Für sie geht es auch darum, das Ansehen des Verfassungsgerichtshofes und die Rechtsstaatlichkeit Österreichs nicht zu beschädigen. Die Vorsitzende der Grünen, Eva Glawischnig, sagte, sie vertraue voll auf den Verfassungsgerichtshof.

    Der SPÖ-nahe Verfassungrechtler Heinz Mayer, der sich im Wahlkampf klar für Van der Bellen ausgesprochen hatte, erklärte, die Untersuchung sei notwendig, denn die Bezirkswahlleiter hätten „die erforderlichen Gesetze anscheinend nicht einmal durchgelesen, geschweige denn sie beachtet“. Der Verfassungsrechtler Bernd-Christian Funk schätzt dagegen die Chancen auf eine erfolgreiche Anfechtung als eher gering ein. Auch sein Fachkollege Theo Öhlinger glaubt nicht an eine erfolgreiche Anfechtung, nur weil zu früh ausgezählt wurde. Schwerwiegender sei der Verdacht, dass in sieben Bezirken keine Kommission das Auszählen überwacht haben soll.

    Die FPÖ-Anhänger sind offenkundig sehr zufrieden mit der Anfechtung, wie Einträge auf Facebook zeigen. Den Rechtspopulisten wird ohnehin ein Hang zu Verschwörungstheorien nachgesagt. Falls die Vereidigung des neuen Präsidenten verschoben wird, muss übrigens vorübergehend das Kollegium der Nationalratspräsidenten (Parlamentspräsidenten) die Rolle des Staatsoberhaupts übernehmen.

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