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Spanien: Kataloniens kurze Unabhängigkeit

Spanien

Kataloniens kurze Unabhängigkeit

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    Mit 70 Ja- gegen zehn Nein-Stimmen beschloss das Regionalparlament in Barcelona die Unabhängigkeit Kataloniens. Viele Oppositionspolitiker hatten zuvor den Saal verlassen.
    Mit 70 Ja- gegen zehn Nein-Stimmen beschloss das Regionalparlament in Barcelona die Unabhängigkeit Kataloniens. Viele Oppositionspolitiker hatten zuvor den Saal verlassen. Foto: Josep Lago, afp

    Es ist ein schwarzer Tag für Spanien. Ein Freitag, an dem in Madrid und Barcelona Entscheidungen getroffen werden, die den Unabhängigkeitskonflikt in der Region Katalonien eskalieren lassen. „Katalonien driftet ab“, titelt pessimistisch La Vanguardia, die größte Zeitung vor Ort, und warnt davor, dass der katalanischen Gesellschaft stürmische Zeiten bevorstehen.

    Der erste Akt in diesem Drama findet am Nachmittag im Regionalparlament in Barcelona statt. Dort beschließt die Separatistenmehrheit per Resolution die einseitige Abspaltung Kataloniens von Spanien. Eine Resolution, in deren Vorwort es heißt: „Wir konstituieren die katalanische Republik als unabhängigen, souveränen, demokratischen und sozialen Staat.“ Mit der Erklärung wird zudem der „verfassungsgebende Prozess“ für diese Republikgründung gestartet und ein Gesetz aktiviert, das die Übernahme aller spanischen Kompetenzen in Katalonien regelt. Die Resolution wird mit 70 Ja-Stimmen verabschiedet, zwei Abgeordnete enthalten sich und zehn geben einen leeren Stimmzettel ab. Die Abgeordneten der drei prospanischen Parteien – Konservative, Sozialisten und Liberale – haben vor der Abstimmung aus Protest den Saal verlassen.

    Draußen vor den Türen jubeln tausende Anhänger mit gelb-rot gestreiften Fahnen. Sprechchöre mit dem Ruf „Keinen Schritt zurück“ sind zu hören. Die Massen stimmen die katalanische Hymne an.

    Spaniens Regierungschef Mariano Rajoy ruft die Bevölkerung in Katalonien wie in ganz Spanien zur Ruhe auf. Die Regierung werde die rechtmäßige Ordnung in Katalonien „umgehend wiederherstellen“. Dies sei ein „schwarzer Tag“ für die Demokratie, sagt wenig später ein Sprecher Rajoys. Spaniens Verfassung erlaubt keine Abspaltung einer Region vom Königreich. Sowohl die spanische Regierung als auch die Europäische Union haben in den letzten Tagen bekräftigt, dass eine Unabhängigkeitserklärung nicht anerkannt werde und allen rechtlichen wie demokratischen Grundsätzen widerspreche.

    Dann folgt der zweite Akt. Spaniens Senat, das parlamentarische Oberhaus, billigt Zwangsmaßnahmen gegen die Rebellenführung unter Regierungschef Carles Puigdemont. Die Senatoren der in Spanien regierenden konservativen Partei, der oppositionellen Sozialisten und der liberalen Partei Ciudadanos stimmen dafür. Diese drei Parteien halten 80 Prozent der Sitze im Senat.

    Schließlich Akt Nummer drei am Abend. Dessen Drama liegt darin, dass die Antwort der spanischen Regierung auf die Provokation Kataloniens noch konsequenter ausfällt als angekündigt. Der Eingreifplan, mit dem die Region zur Normalität zurückgeführt werden soll, sieht im Kern vier Schritte vor: Erstens die sofortige Absetzung der Regionalregierung – wohl schon am Samstag. Dann die Überwachung der katalanischen Verwaltung und der autonomen Polizei durch Spaniens Regierung. Drittens die sofortige Auflösung des katalanischen Parlaments. Und viertens die Ansetzung von Neuwahlen, die schon am 21. Dezember stattfinden sollen.

    Die Zwangsmaßnahmen sind durch die Verfassung gedeckt. Spaniens Verbündete in Europa und die Partner in der Nato stellen sich gestern demonstrativ hinter die Haltung Madrids. „Die EU braucht keine weiteren Risse“, sagt beispielsweise EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker.

    In Katalonien rüstet man sich nun für den Widerstand. Aktivisten haben „Verteidigungskomitees“ gegründet, welche die Speerspitze geplanter Aktionen des zivilen Ungehorsams sein sollen. Dazu gehören nicht nur Demonstrationen und Streiks, sondern offenbar auch die Blockade von Autobahnen und anderen wichtigen Verkehrsknotenpunkten. Und wie reagieren die Separatisten im Parlament? Von mehreren ist zu hören: „Wir steuern auf einen Krieg zu!“ (mit dpa)

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