Startseite
Icon Pfeil nach unten
Politik
Icon Pfeil nach unten

Prozess: Kinderporno-Prozess: Zeigt sich Edathy heute geständig?

Prozess

Kinderporno-Prozess: Zeigt sich Edathy heute geständig?

    • |
    Schon heute könnte der Kinderporno-Prozess gegen Sebastian Edathy beendet werden. Seine Verteidigung hatte beantragt, das Verfahren gegen Geldauflage einzustellen.
    Schon heute könnte der Kinderporno-Prozess gegen Sebastian Edathy beendet werden. Seine Verteidigung hatte beantragt, das Verfahren gegen Geldauflage einzustellen. Foto: Bernd von Jutrczenka/Archiv (dpa)

    So eindringlich wie im Kinderporno-Prozess gegen Sebastian Edathy pocht ein Staatsanwalt selten auf ein Geständnis: Nur wenn sich der frühere SPD-Bundestagsabgeordnete "glaubhaft geständig" zeige, sei eine Einstellung des Verfahrens gegen eine Geldauflage denkbar, hatte Oberstaatsanwalt Thomas Klinge am ersten Prozesstag gesagt.

    Darum ist Ausgang des Edathy-Prozesses so wichtig

    Dabei könnte das Verfahren auch ohne Geständnis vorzeitig beendet werden. Doch die Vehemenz des Anklägers aus Hannover hat einen Grund: Die Behörde steht seit Beginn der langwierigen Ermittlungen gegen Ex-Bundespräsident Christian Wulff permanent in der Kritik - und jetzt wird auch noch gegen den zuständigen Chefankläger, den Celler Generalstaatsanwalt Frank Lüttig, wegen Geheimnisverrats ermittelt.

    Warum der Ausgang des Edathy-Prozesses am Landgericht Verden für die Staatsanwaltschaft so wichtig ist, will auf Anklägerseite niemand offen sagen. In Vier-Augen-Gesprächen mit Juristen heißt es: Es sei die letzte Chance, das ramponierte Image ein wenig aufzupolieren. Die Justiz brauche endlich wieder ein Erfolgserlebnis. Denn die Ermittler in Hannover, die auch in dem Verfahren gegen Wulffs Ex-Sprecher Olaf Glaeseker keine glückliche Figur gemacht hatten, sind vom Jäger zum Gejagten geworden.

    Chronologie: Die Affäre Edathy

    2012: Die kanadische Polizei informiert das Bundeskriminalamt über deutsche Kunden eines kanadischen Online-Shops, der auch Kinderpornografie vertreibt. Im Oktober 2012 gibt das BKA die Daten zur Auswertung an die Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt.

    Oktober 2013: BKA-Chef Jörg Ziercke informiert den Staatssekretär des damaligen Innenministers Hans-Peter Friedrich (CSU). Der sagt SPD-Chef Gabriel, dass im Rahmen von Ermittlungen im Ausland der Name Edathy aufgetaucht sei. Gabriel erzählt Fraktionschef Steinmeier davon.

    5. November 2013: Der Leiter der Staatsanwaltschaft Hannover, Jörg Fröhlich, erfährt in einem Schreiben der Generalstaatsanwaltschaft Celle erstmals von dem Verdacht.

    Anfang Januar 2014: Edathy meldet seiner Fraktion seine Krankschreibung. Ende November 2013 hatte der innenpolitische SPD-Fraktionssprecher Michael Hartmann Oppermann bereits darüber informiert, dass Edathy gesundheitliche Probleme habe.

    22. Januar 2014: Edathys Anwalt sucht das Gespräch mit Oberstaatsanwalt Thomas Klinge. Dabei wiederholt er, was sein Mandant gerüchteweise gehört habe. "Die Filme seien allerdings nicht pornografisch gewesen, Herr Edathy besitze sie auch nicht mehr", sagt der Anwalt nach Darstellung Jörg Fröhlichs.

    28. Januar 2014: Die Staatsanwaltschaft entscheidet, Ermittlungen einzuleiten, die zunächst verdeckt laufen.

    7. Februar 2014: Edathy legt nach 15 Jahren sein Bundestagsmandat nieder. Als Motiv nennt er gesundheitliche Gründe.

    10. Februar 2014: Die Staatsanwaltschaft Hannover lässt Edathys Wohnungen im niedersächsischen Rehburg und in Berlin sowie Büros durchsuchen. Offenbar stoßen sie dabei nur auf wenig Material.

    11. Februar 2014: Edathy weist in einer Erklärung den Verdacht auf Besitz von Kinderpornografie zurück. Einen Tag später erhebt er Vorwürfe gegen die Staatsanwaltschaft: Die Razzien in seinen Wohnungen und Büros seien unverhältnismäßig und widersprächen rechtsstaatlichen Grundsätzen.

    13. Februar 2014: SPD-Fraktionschef Oppermann gibt bekannt, dass Sigmar Gabriel bereits im Oktober vom damaligen Innenminister Friedrich über mögliche Ermittlungen gegen Edathy informiert worden sei.

    14. Februar 2014: Der Leiter der Staatsanwaltschaft Hannover, Fröhlich, gibt Einzelheiten zu den Ermittlungen bekannt. Danach geht es um den Kauf von Bildern mit nackten Jungen zwischen neun und 13 Jahren. Das liege im Grenzbereich zur Kinderpornografie, so Fröhlich. Zu dem Tipp von Friedrich an Gabriel sagt er: "Wir sind fassungslos."

    14. Februar 2014: Friedrich erklärt, er wolle im Amt bleiben, bis über ein Ermittlungsverfahren entschieden ist. Nur wenige Stunden später tritt er als Agrarminister zurück.

    18. Februar 2014: Die Staatsanwaltschaft Hannover leitet ein Verfahren gegen unbekannt wegen des Verdachts auf Geheimnisverrats ein. Ein Behörden-Brief kam unverschlossen sechs Tage nach Versand an. Er sollte den Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) über den Fall Edathy informieren. Es ist bekannt, dass sich ein Anwalt Edathys schon im November nach möglichen Ermittlungen erkundigt hat.

    24. Februar 2014: Gegen Edathy wird ein SPD-Parteiordnungsverfahren eingeleitet.

    2. Mai 2014: Es wird vom Landeskriminalamt Niedersachsen berichtet, dass sich Edathy strafbares kinderpornografisches Material über seinen Bundestag-Laptop beschafft habe. Die Staatsanwaltschaft schweigt.

    17. Juli 2014: Die Staatsanwaltschaft Hannover klagt den früheren SPD-Bundestagsabgeordneten Sebastian Edathy wegen des Besitzes von kinderpornografischen Fotos und Videos an.

    29. August 2014: Edathy scheitert mit seiner Beschwerde wegen der Durchsuchung seiner Wohnung und seines Abgeordnetenbüros beim Bundesverfassungsgericht.

    18. November 2014: Das Gericht lässt die Anklage gegen Edathy zur Hauptverhandlung zu.

    23. Februar 2015: Am Landgericht Verden startet der Prozess gegen Edathy. Er endet nach nur rund 90 Minuten. Staatsanwaltschaft und Verteidigung wollen bis zur nächsten Sitzung erneut über eine Einstellung sprechen.

    2. März 2015: Das Gericht stellt das Verfahren ein. Zuvor hat Edathy eine Erklärung verlesen lassen, in der er die Anklagevorwürfe einräumt. Zwar muss er 5000 Euro zahlen, aber er ist nicht vorbestraft.

    1. Juni 2015: Edathy muss seine SPD-Mitgliedschaft drei Jahre ruhen lassen. Das entscheidet das Schiedsgericht des SPD-Bezirks Hannover. Für einen von der Parteispitze beantragten Parteiausschluss sieht das Gremium keine ausreichende Grundlage.

    Für den Frankfurter Strafrechtler Eberhard Kempf ist die Forderung des Staatsanwalts ohnehin unzulässig. Eine solche Bedingung sei nicht ausdrücklich in der Strafprozessordnung vorgesehen und "beschädigt das Ansehen und die Arbeit der Staatsanwaltschaft". 

    Edathy-Prozess: Zeigt sich der Angeklagte geständig?

    Schon seit Beginn der Ermittlungen gegen Lüttig ist von einem irreparablen Schaden für die Justiz die Rede. Ausgerechnet Lüttig soll interne Informationen aus den Verfahren gegen Wulff und Edathy an Journalisten weitergegeben haben. "Wenn der Vorwurf zutrifft, schadet er der Staatsanwaltschaft insgesamt; er beschädigt den Ruf einer Institution, die von der Integrität lebt", meint der Innenpolitikchef der "Süddeutschen Zeitung", Heribert Prantl.

    Bereits Wulff hatte nach dem Freispruch in seinem Korruptionsprozess schwere Vorwürfe erhoben. Justiz und Medien hätten sich die Bälle zugespielt und gegen das Prinzip der Gewaltenteilung verstoßen, beklagte er bei der Vorstellung seines Buchs "Ganz oben Ganz unten". Er fürchte eine "ernste Gefahr für die Demokratie".

    Dabei sind es nicht nur die Durchstechereien an Journalisten, die die Justiz belasten. Am Donnerstag verurteilte das Landgericht Lüneburg einen ehemaligen Richter wegen Korruption zu fünf Jahren Haft, weil er Prüfungslösungen für das Zweite Staatsexamen angeboten hatte - gegen Sex und Bares. "Wenn man einem Richter nicht vertrauen kann, wem dann", sagte Oberstaatsanwalt Marcus Röske in seinem Plädoyer.

    Was macht nun Edathy, wenn der Prozess an diesem Montag fortgesetzt wird? Bisher gibt er sich unbeugsam. Würde er sich geständig zeigen und zugeben, sich verbotene Filme und Bilder im Internet verschafft zu haben, wäre nach Einschätzung Prantls ein neuer Höhepunkt der "öffentlichen Verdammnis" zu erwarten. Edathy käme zwar ohne Verurteilung davon, gesellschaftlich wäre er aber endgültig als Pädophiler gebrandmarkt.

    Edathy-Anwalt: Justiz betreibt Verfahren über die Öffentlichkeit

    Es sei grundsätzlich etwas aus dem Lot geraten, meint Edathys Anwalt Christian Noll. "Die Ermittler haben ihre Rolle verkannt." Es lasse sich "immer häufiger beobachten, dass Beschuldigte medial vorgeführt werden". Noll fordert ein Ende des Prozesses ohne Wenn und Aber und erinnert an Uli Hoeneß, Klaus Zumwinkel und Alice Schwarzer. "Es drängt sich der Eindruck auf, dass Staatsanwaltschaften zunehmend dazu übergehen, Verfahren über die Öffentlichkeit zu betreiben statt dort, wo sie hingehören: vor Gericht."

    Auch Niedersachsens Justizministerin Antje Niewisch-Lennartz hat die Gefahr für die Justiz erkannt. Als sie vor einer Woche im Landtag in Hannover mitteilte, dass gegen Lüttig ermittelt wird, sagte sie: "Ich bin mir der Bedeutung meiner Erklärung vor diesem Hohen Haus sehr bewusst." Sie will öffentlich zeigen, dass die Justiz in der Lage sei, ihre eigenen Fehler aufzuarbeiten.

    Nun steht auch die Ministerin selbst enorm unter Druck. Sie habe ihr  politisches Schicksal an die Ermittlungen gegen Lüttig geknüpft, heißt es in Reihen der Landtagsopposition. Sollte dem Chefankläger am Ende nichts nachzuweisen sein, sei die Grünen-Politikerin nicht mehr in ihrem Amt zu halten.  dpa/AZ

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden