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Kommentar: Knobloch-Debatte: "Echt, Du bist Jude?"

Kommentar

Knobloch-Debatte: "Echt, Du bist Jude?"

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    Charlotte Knobloch, ehemalige Präsidentin des Zentralrats der Juden in Deutschland.
    Charlotte Knobloch, ehemalige Präsidentin des Zentralrats der Juden in Deutschland. Foto: Peter Kneffel, dpa

    Die Mitglieder des Jüdischen Weltkongresses verfassten auf ihrer ersten Tagung nach den Gräueln des Zweiten Weltkrieges eine Resolution. Sie enthielt die Aufforderung an Juden, sich „nie wieder auf dem blutgetränkten deutschen Boden anzusiedeln“.

    Diejenigen, die es später doch taten, beschrieben ihren Schritt oft mit einem Satz: „Das Undenkbare tun.“ Denn schien es nicht undenkbar, sich als Opfer des Holocaust ausgerechnet wieder im Land der Täter anzusiedeln?

    Man muss sich diese Geschichte, die zu Recht nicht vergehen will, in Erinnerung rufen. Gerade wenn es in diesen Tagen – und kurz vor dem Holocaust-Gedenktag, der an die historische Einmaligkeit der Judenvernichtung erinnert – wieder einmal um Gedächtniskultur geht. Und auch die Frage ernsthaft diskutiert wird, ob sich die Vorsitzende der Israelitischen Kulturgemeinde München, Charlotte Knobloch, den Rausgeh-Affront durch AfD-Abgeordnete und anschließende massive Drohungen gegen ihre Person selber eingebrockt hat – weil sie doch zuvor in ihrer Rede im Bayerischen Landtag zu hart mit der AfD ins Gericht gegangen sei.

    Darum in aller Klarheit: Es ist nicht normal, als Jude in Deutschland zu leben. Auch wenn rund 100.000 dies tun, junge Israelis Berlin cool finden und Koscher-Kochkurse hip geworden sind.

    Unsere Staatsräson bleibt: Nie wieder!

    Sollte Knobloch daher eine Partei unter Generalverdacht gestellt haben, mag das vielen nicht gefallen. Zuhören müssen wir ihr trotzdem. Ist der AfD bei Straftaten der Opferschutz nicht sehr wichtig? Juden in Deutschland sind nun einmal Nachkommen von Opfern oder waren Opfer deutscher Untaten.

    Natürlich reagieren diese besonders emotional, wenn Mitglieder der AfD vielleicht keine direkte Holocaust-Leugnung betreiben, aber doch manchmal Holocaust-Relativierung. Wenn eine AfD-Größe die Nazizeit als „Vogelschiss“ der deutschen Geschichte bezeichnet, ein anderer von der tausendjährigen Zukunft Deutschlands schwärmt, noch einer mit Vokabeln der Vergangenheit flirtet, wie: im Staat gelte es „auszumisten“.

    Knobloch sprach einfach an – wohlgemerkt: während einer Gedenkstunde für die Opfer der Nazi-Herrschaft –, dass es diese Art von braunem Flirt bei uns in Deutschland nicht geben darf.

    Wir haben als deutscher Staat eine zweite Chance erhalten, basierend auf einer Staatsräson: nie wieder. Die gilt selbst mehr als sieben Jahrzehnte nach Kriegsende und ganz egal, wie viele fröhliche Sommermärchen wir mittlerweile mit der Welt gefeiert haben.

    Zu dieser Verantwortung gehört natürlich auch, in Deutschland lebende Juden nicht nur als Exoten zu sehen – sondern sich mit ihnen und ihrem Glauben zu beschäftigen.

    Wie verhindern wir, dass Juden in Deutschland immer Opfer bleiben?

    Leider bleibt das die Ausnahme: Der junge Jude Yascha Mounk, im schwäbischen Laupheim als einer von zwei Juden (neben seiner Mutter) aufgewachsen, schrieb dazu vor einiger Zeit ein Buch. Darüber, wie er als Jude in Deutschland eine Partyattraktion war, eine Art „Verwandter“ von Woody Allen. „Echt, du bist Jude?“, hieß das Buch. Mounk lebt nun in den USA.

    Es stimmt ja: Welcher Deutsche kann Purim oder Pessach erläutern? Wer versteht jüdischen Humor? Wer begreift wirklich ihre Ängste vor Antisemitismus unter muslimischen Einwanderern?

    Und: Wie verhindern wir, dass Juden in Deutschland immer Opfer bleiben – und Debatten über sie ohne sie geführt werden? Kein Jude sitzt im Deutschen Bundestag.

    An diesen Fragen zu arbeiten, sollte Gedenk-Auftrag sein. Dann würden wir vielleicht verstehen, warum etwa Knoblochs Ängste und Sorgen – die Ängste und Sorgen einer Jüdin in Deutschland – immer normal sein werden. 

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