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Kommentar: Die "Monstertrassen" sind weg, aber die Probleme bleiben

Kommentar

Die "Monstertrassen" sind weg, aber die Probleme bleiben

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    Das Konzept bleibt, nur die Ausführung ändert sich.
    Das Konzept bleibt, nur die Ausführung ändert sich. Foto: Ulrich Wagner

    Horst Seehofer hat im Streit um die Stromtrassen und die damit verbundenen Fragen der heiß debattierten Energiewende hoch gepokert. Mit dem Ergebnis kann er aus seiner Sicht zufrieden sein. Er hat allerdings keinen Anlass, sich als der große Sieger zu gebärden. Seine triumphale Äußerung, die deutsche Energiewende sei ein großer Erfolg, der weltweit Beachtung fände, ist weit überzogen. Es zeichnet sich nämlich schon jetzt ab, dass es auch Verlierer geben wird: die Verbraucher, die Unternehmen, die Steuerzahler und den Klimaschutz.

    Weitgehend durchgesetzt hat Seehofer sich mit seinem Kampf gegen neue Gleichstromleitungen, die er als „Monstertrassen“ geschmäht hatte. Das wird vor allem die betroffenen Bürger in Schwaben und in Unterfranken freuen.

    Die komplett neue Gleichstromtrasse Süd-Ost, die Bayern von Nord nach Süd durchschnitten hätte und im schwäbischen Meitingen enden sollte, wird nicht gebaut. Auch eine Trasse nach Gundremmingen soll es nicht geben – weder von Norden noch von Westen her.

    Von Anfang an eine Augenwischerei

    In Unterfranken konnte Seehofer das befürchtete „Spinnennetz“ aus neuen Leitungen rund um das eben erst vom Netz gegangene Kernkraftwerk Grafenrheinfeld ausdünnen. Auch für die heftig umstrittene Trasse durch die Rhön soll angeblich ein Weg gefunden werden, der das Biosphärenreservat nicht durchschneidet.

    Dass es von Anfang an Augenwischerei der CSU war, im Trassenstreit mit der Formel „Zwei minus X“ zu operieren, hat die Koalitionsrunde in Berlin bestätigt. Es wird zwei neue Gleichstromleitungen nach Bayern geben müssen – nur eben nicht ausschließlich auf gänzlich neuen Trassen. Der Netzknoten Grafenrheinfeld muss angebunden werden. Die „Gleichstrompassage Süd-Ost“ soll nun nicht in Schwaben, sondern in Niederbayern bei den alten Kernkraftwerken in der Nähe von Landshut enden. Sie soll weitgehend auf bestehenden Stromtrassen und zum Teil über Erdkabel geführt werden.

    Erledigt hat sich mit den Berliner Koalitionsbeschlüssen auch die Behauptung Seehofers, neue Gaskraftwerke in Bayern könnten den Bau neuer Gleichstromleitungen zwischen Nord- und Süddeutschland überflüssig machen. Jetzt lautet die Vereinbarung: Zwei Leitungen und zwei Gaskraftwerke für die Reserve. Außerdem wird das moderne Gaskraftwerk in Irsching am Netz bleiben. Es abzuklemmen und weitaus umweltschädlichere Braunkohlekraftwerke am Netz zu lassen, wäre ein Treppenwitz der Geschichte gewesen.

    Nur die Ausführung soll sich ändern

    Das ganze Manöver hat also unterm Strich nicht zu einer Änderung des ursprünglichen Konzepts geführt. Nur die Ausführung soll sich ändern. Das wird auch einige unangenehme Folgen haben.

    Mit der längst eingetretenen Verzögerung des Netzausbaus verzögert sich auch die Energiewende insgesamt. Der angestrebte bessere Austausch günstiger und klimafreundlicher Energie zwischen Norden (Wind) und Süden (Sonne) wird nun länger auf sich warten lassen. Außerdem wird die Energiewende vor allem wegen der geplanten Erdverkabelungen teurer werden. Das wird sich – auch wenn noch nicht klar ist, wie stark – auf den Strompreis auswirken. Bezahlen müssen dafür die Verbraucher und die Unternehmen mit hohem Strombedarf. Hinzu kommen noch Mehrbelastungen für die Steuerzahler durch verschiedene Förderprogramme und durch den Verzicht auf die Kohleabgabe.

    Der unverhohlene Jubel in den Braunkohlerevieren zeigt klar, dass der Klimaschutz der größte Verlierer ist. Was immer Angela Merkel beim G-7-Gipfel verkündet hat – es ist offenbar Makulatur.

    Das Konzept bleibt, nur die Ausführung ändert sich.

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