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Kommentar: Emmanuel Macron muss in Frankreich rasch liefern

Kommentar

Emmanuel Macron muss in Frankreich rasch liefern

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    Das Mitte-Lager von Staatschef Emmanuel Macron ist im neugewählten französischen Parlament mit Abstand stärkste Kraft. Frankreich wird ihm dennoch Kopfzerbrechen bereiten.
    Das Mitte-Lager von Staatschef Emmanuel Macron ist im neugewählten französischen Parlament mit Abstand stärkste Kraft. Frankreich wird ihm dennoch Kopfzerbrechen bereiten. Foto: Francois Mori (dpa)

    Frankreich erlebt eine historische Zäsur. Das alte Parteiensystem ist zerstört, die traditionellen Regierungsparteien sind abgewählt. Es ist, als ob in Deutschland CDU/CSU und SPD auf einen Schlag marginalisiert und in die Opposition geschickt würden. Der neue starke Mann der Fünften Republik, Präsident Emmanuel Macron, hat mit seiner erst 2016 gegründeten Bewegung „En Marche“ auch die absolute Mehrheit in der Nationalversammlung erobert und hält nun alle Macht in Händen.

    Trotz des Wahlsiegs stehen Emmanuel Macron noch Hindernisse gegenüber

    Macron wird in die Geschichte eingehen als jener charismatische junge Mann, der aus dem Nichts aufgetaucht ist, die alten politischen Eliten davongejagt und das Gespenst einer extremistischen Machtübernahme verscheucht hat. Ob er seine Versprechen einhalten und die tief gespaltene, von wirtschaftlichem Niedergang geplagte Nation tatsächlich von Grund auf erneuern kann, müssen die nächsten Jahre zeigen. Der Sozialliberale hat ein Programm, das an Gerd Schröders Agenda erinnert – und freie Hand, um es per Dekret umzusetzen. Macron kann es schaffen, wenn er beherzt loslegt und mit der Lockerung des starren Arbeitsrechts die erste Feuertaufe besteht. Doch bergen die Mühen der Ebene, die der Überflieger nun betritt, auch die Gefahr des Scheiterns.

    Die Zustimmung der Bevölkerung zum Kurs Macrons ist bei weitem nicht so stark, wie es die dank des Mehrheitswahlrechts errungene satte Mehrheit vermuten lässt. Die niedrige Wahlbeteiligung von zuletzt 43 Prozent zeugt auch von einiger Skepsis über die Künste des Wunderheilers. Millionen Franzosen halten es weiter mit den radikalen Parteien von rechts und links, die für den Augenblick besiegt sind, doch über ein Potenzial von weit über 40 Prozent verfügen. Im Parlament wird Macrons Wort – fürs Erste jedenfalls – Gesetz sein; im Land wird er auf erbitterten, auch auf der Straße geleisteten Widerstand stoßen.

    Macron will, vereinfacht gesagt, Frankreich aus den Fesseln eines übermächtigen, überregulierten, überschuldeten Staats befreien und so die Wirtschaft in Schwung bringen – mit frischem, ihm ergebenen Führungspersonal aus der Mitte der Gesellschaft. Die Mehrheit der Franzosen hingegen verabschiedet sich nicht über Nacht vom klassischen französischen Etatismus, der im starken und ausgabefreudigen Staat das Heil erblickt. In diesem Richtungsstreit steckt gewaltiger Konfliktstoff.

    Ein starkes Frankreich hilft Deutschland und der EU

    Macron wird rasch liefern müssen, neue Jobs vor allem. Nicht nur, um sein Volk von den Vorteilen des Aufbruchs zu überzeugen. Rasche Erfolge zeugten auch von der Bereitschaft Frankreichs, sich am eigenen Schopf aus dem Schlamassel zu ziehen. Ganz Europa muss an der Genesung Frankreichs gelegen sein – erst recht den Deutschen, die die krisengeschüttelte EU nur im Bunde mit dem überzeugten Europäer Macron stabilisieren können. Doch ehe Deutschland Macron zur Seite springt, muss Paris seinen Reformwillen dokumentieren.

    Macrons Pläne für ein Euro-Budget und einen europäischen Finanzminister gehen zu weit, als dass sich Angela Merkel darauf einlassen könnte – sie laufen ja auf eine Schulden- und Transferunion, noch mehr Macht für Brüssel und eine weitere Aushöhlung nationaler Kompetenzen hinaus. Aber es gibt Mittel und Wege, um Macron den Job zu erleichtern – zum Beispiel mit einem Investitionsfonds. Der dringend benötigte Neustart der in sich zerstrittenen EU kann nur gelingen, wenn Deutschland und Frankreich an einem Strang ziehen. Eine enge Kooperation ist in Zeiten von Brexit, Flüchtlings- und Eurokrise sowie wachsender sicherheitspolitischer Herausforderungen und eines irrlichternden US-Präsidenten dringender denn je.

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