
Erst mal nur eine Zwischenlösung: Die Qual der Wahlrechtsreform

Es gab Vorwürfe und hitzige Debatten, am Ende steht eine Zwischenlösung zur Wahlrechtsreform. Die eigentlichen Entscheidungen wurden veragt. Ob die große Reform am Ende jemals in Kraft tritt?
Die Spitzen von Union und SPD wollten zwar einen anderen Eindruck vermitteln, aber beim Thema Wahlrechtsreform krachte es dem Vernehmen nach im Koalitionsausschuss ganz gewaltig. Beide Seiten hatten sich noch direkt vor ihrer stundenlangen Zusammenkunft im Kanzleramt gegenseitig Machtspielchen vorgeworfen und damit die Grundlage für eine erhitze Debatte geliefert. Die Temperaturen stiegen mit zunehmender Sitzungsdauer an, gegen Mitternacht erreichten sie den Siedepunkt. Es war offenbar einem Machtwort von Kanzlerin Angela Merkel zu verdanken, dass es zumindest einen Kompromiss gab. Die Regierungskoalition wendete damit eine Blamage ab. Mit Ruhm bekleckert hat sie sich aber nicht.
Für die Bundestagswahl 2021 gibt es nur eine Zwischenlösung
Denn für die im September 2021 geplante Bundestagswahl gibt es nur eine Zwischenlösung. Die Zahl der Wahlkreise bleibt gleich, eine weitere Aufblähung des Parlaments soll durch einen komplizierten Mechanismus bei den Überhang- und Listenmandaten verhindert werden. Union und SPD müssen dazu in den nächsten Wochen das Wahlrecht ändern – ob das wirklich gelingt, muss abgewartet werden. Vor allem die Oppositionsparteien werden sich diese Zwischenlösung genau anschauen und möglicherweise dagegen vorgehen. Es könnte sich noch rächen, dass sie bei dieser Wahlrechtsreform nicht einbezogen wurden.
FDP, Grüne und Linke werden sich die Reform wohl kaum gefallen lassen
Das gilt dann auch für die eigentliche Reform des Wahlrechts, die zur übernächsten Bundestagswahl 2025 greifen soll. Union und SPD wollen sich bereits jetzt schon darauf festlegen, dass die Zahl der Wahlkreise dann von 299 auf 280 reduziert wird. FDP, Grüne und Linke werden sich das kaum gefallen lassen. Sie haben bereits einen Vorschlag präsentiert, der eine Reduzierung auf 250 Wahlkreise bei einer gleichzeitigen Erhöhung der Sollgröße des Parlaments von 598 auf 630 Sitze vorsieht. Die drei Parteien hatten diese Lösung genau austariert, um bei den nächsten Wahlen nicht ins Hintertreffen zu geraten.
Ob diese große Reform am Ende jemals in Kraft tritt? Getreu dem Motto "Wenn ich nicht mehr weiterweiß, gründe ich einen Arbeitskreis", wollen Union und SPD zunächst einmal eine Reformkommission einsetzen. Die soll erst in der nächsten Legislaturperiode einen Bericht vorlegen. Vieles spricht derzeit jedoch dafür, dass es die schwarz-rote Koalition dann nicht mehr gibt – und sich damit auch die Wahlrechtsreform einmal wieder erledigt hat.
Was schade wäre, denn die Reformkommission soll ein Thema prüfen, das viele Frauen im Bundestag schon lange umtreibt: Die paritätische Besetzung des Parlaments mit Männern und Frauen. Dass es dieser Punkt ins Abschlusspapier des Koalitionsausschusses geschafft hat, ist in puncto Wahlrecht der einzige echte Lichtblick des Treffens im Kanzleramt.
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Die Diskussion ist geschlossen.
Welch absurdes zutiefst undemokratisches Vorhaben. Seit 7 Jahren hatte die Politik Zeit, ein neues Wahlgesetz zu präsentieren.
Unter Ausschaltung von Grünen, Linken, FDP wollen sich CDU/CSU/SPD durchwursteln. Genau das ist aber seit vielen Jahren politisch in dieser Bundesrepublik passiert: es wurde durchgewurstelt.
Und die Grundlage des Wählens, ein stimmiges Wahlgesetz, wird verhackstückelt. Als sei es ein Besitzstand dieser Regierung und seiner Parteien, vor allem der CSU.
Das ist eine Schande.
Verantwortliche benennen
FDP, GRÜNE und Linke haben sich schon vor Monaten auf einen Reformvorschlag geeinigt. Meines Wissens neigt dem auch die SPD zu. Doch seit Jahren blockieren die CSU-Abgeordneten eine Reform, die den Bundestag wieder auf eine Größe von 500 - 600 Abgeordnete straffen würde. In der CSU-Führung hat wohl niemand die Kraft, die hunderte von Egoismen lokaler CSU-Politiker zu überwinden.
Traurig, früher traute sich die CSU im Interesse des Gemeinwohls auch lokale Egoismen zurückzudrängen.
Raimund Kamm