Der Streit um die sogenannte Ausländer-Maut, der CDU und CSU seit Monaten umtreibt, ist zum absurden Sommertheater geraten. Minister und Spitzenpolitiker der CDU machen Front gegen die Pläne des CSU-Verkehrsministers Dobrindt, obwohl noch gar kein Gesetzentwurf vorliegt. Die CSU keilt zurück und droht der großen Schwester mit dem „Ende der Schonzeit“ (Seehofer). Es ist genau die Art von Politik, die den Leuten auf die Nerven geht.
Gezeter um die Maut statt Behandlung wichtiger Themen
So heftig sind die Unionsparteien schon lange nicht mehr aneinandergeraten, und der Bürger fragt sich angesichts dieses Schauspiels zu Recht, ob es in Zeiten außen- und währungspolitischer Krisen tatsächlich kein wichtigeres Thema gibt als die Maut-Frage. Im Grunde gäbe es ja viel zu bereden in der Union: über den Kurs gegenüber Russland, die künftige außenpolitische Rolle Deutschlands, die Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit des Landes oder auch über die Frage, mit welchen inhaltlichen Positionen die Union den an ihrem rechten Rand stattfindenden Aufstieg der „Alternative für Deutschland“ bremsen will. Stattdessen: Gezeter um die Maut.
Schafft Dobrindt ein praxistaugliches Modell?
Die Pkw-Maut für Ausländer wurde in den Vertrag der Großen Koalition hineingeschrieben, weil die CSU darauf bestand. CDU und SPD waren schon immer dagegen, und die Kanzlerin hatte ja noch im Wahlkampf Nein gesagt. Vermutlich glaubten Merkel und Gabriel, die Sache werde sich aufgrund der ins Protokoll diktierten Bedingungen irgendwie von selbst erledigen. Die auf ausländische Autofahrer begrenzte Abgabe soll mit dem Europarecht vereinbar sein, Deutsche nicht zusätzlich belasten und so viel Geld für die Sanierung von Brücken und Straßen bringen, dass sich der ganze Aufwand auch wirklich lohnt. Dobrindt versucht tapfer, diese harte Nuss zu knacken.
Und natürlich stimmt, was die CSU seit Jahren predigt: Es ist nicht gerecht, dass Deutsche in vielen Ländern Maut zahlen, Ausländer hingegen auf deutschen Straßen kein Wapperl brauchen. Die Frage ist nur, ob Dobrindt ein praxistaugliches, möglichst unbürokratisches, ausländische Verkehrsteilnehmer nicht diskriminierendes, juristisch wasserdichtes Modell hinkriegt. Die Zweifel daran sind, wie die Expertisen aus CDU-Ministerien belegen, eher noch gewachsen. Und der Mautminister, der auf Geheiß Seehofers liefern muss, ist noch ein gutes Stück von jener „kameradschaftlichen Lösung“ entfernt, die Merkel – in welcher Form auch immer – vorschwebt.
Eine Maut-Pleite wäre eine drastische Niederlage
Ginge es nur um die Sache, ließe sich der Streitfall ohne viel Tamtam regeln oder sogar in der Mappe „Wiedervorlage“ (dann aber mit einer streckenabhängigen, in ein Gesamtkonzept eingebetteten Maut) ablegen. Doch für die CSU steht viel mehr auf dem Spiel als die Maut für Ausländer. Sie hat die Landtagswahl mit diesem populären Thema gewonnen und große Töne gespuckt. Sie muss nun nicht nur Wort halten können, sondern auch ihre Durchsetzungsfähigkeit in Berlin unter Beweis stellen. Die Affäre Haderthauer hat der CSU „nur“ geschadet; eine Maut-Pleite würde die Partei der Lächerlichkeit preisgeben und ihre Glaubwürdigkeit unterminieren. Und Seehofer stünde als ein Mann da, der im Ernstfall nichts zu melden hat und vorgeführt wird. Es wäre eine jener Niederlagen, von der sich eine Partei nicht erholt.
Merkel liebt es, der CSU ihren begrenzten, zuletzt ja immer kleiner gewordenen Aktionsradius vor Augen zu führen. Aber sie hat kein Interesse an einer nachhaltig geschwächten CSU, auf deren guten Wahlergebnissen ihre Kanzlerschaft beruht. Also wird sie nach einem Ausweg suchen, der Seehofer die Gesichtswahrung erlaubt. Das hieße dann: Die Maut kommt.