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Kommentar: Grundrente: Eine im Grunde gute Sache schlecht umgesetzt

Kommentar

Grundrente: Eine im Grunde gute Sache schlecht umgesetzt

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    Finanzminister Olaf Scholz (SPD) bei der Debatte um die Verabschiedung des zweiten Nachtragshaushalts und der Grundrente im Bundestag.
    Finanzminister Olaf Scholz (SPD) bei der Debatte um die Verabschiedung des zweiten Nachtragshaushalts und der Grundrente im Bundestag. Foto: Kay Nietfeld, dpa

    Im Kern ist die Grundrente, die die SPD der Union nach langem, zähen Streit abgerungen hat, eine gute Sache. Doch in ihrer jetzt vom Bundestag beschlossenen Form hat sie so viele Schönheitsfehler, dass dieser gute Kern kaum mehr zu sehen ist. Das Prinzip ist richtig: Wer in seinem Leben lange gearbeitet, aber wenig verdient hat, soll im Alter mehr bekommen, als den Sozialhilfesatz. Davon profitieren vor allem Frauen, die zeitweise Kinder erzogen oder Angehörige gepflegt haben, und Ostdeutsche. Dass die Berechtigten die Grundrente automatisch erhalten und dafür nicht als Bittsteller beim Sozialamt vorstellig werden müssen – das hat viel mit Würde zu tun.

    Über all die Mängel kann das nicht hinwegtäuschen. So ist das Vorhaben alles andere, als solide finanziert. Gezahlt wird die Grundrente erst einmal aus dem Bundeshaushalt und damit auch von den jungen, bereits stark durch Steuern und Abgaben belasteten Erwerbstätigen. Dabei war im Koalitionsvertrag vorgesehen, dass Börsenspekulanten die Kosten übernehmen sollen, was dem Gerechtigkeitsempfinden vieler Menschen sehr entsprochen hätte. Doch eine Finanztransaktionssteuer ist nicht in Sicht.

    Grundrente: Es gibt nur eine Einkommensprüfung

    Bekommen werden die Grundrente auch Bürger, die sie gar nicht bräuchten. Statt einer echten Bedürftigkeitsprüfung, ebenfalls ursprünglich vereinbart, gibt es nur eine Einkommensprüfung. Deshalb bleibt unberücksichtigt, ob jemand im Eigenheim oder zur Miete wohnt. Auch Vermögen wird nicht angerechnet. Die Einkommensprüfung bevorzugt zudem Paare, die ohne Trauschein zusammenleben. Denn nur das Einkommen von Ehepartnern wirkt sich mindernd aus.

    Massive Unwuchten können sich auch daraus ergeben, dass für die Zahlung unerheblich ist, ob jemand Teilzeit oder Vollzeit gearbeitet hat. Die Grundrente ist alles andere als ein Allheilmittel gegen die grassierende Altersarmut. Denn die betrifft vor allem Menschen mit unterbrochenen Erwerbsbiografien, die eben nicht auf mindestens 33 Beitragsjahre kommen.

    Ein Bürokratiemonster ist die Grundrente noch dazu. Der Verwaltungsaufwand für die Rentenkasse ist gewaltig. Und für ältere Rentner könnte die Auszahlung erst Ende 2022 erfolgen – manche werden das nicht mehr erleben. Mit all ihren Unzulänglichkeiten macht die Grundrente nur noch deutlicher, wie löchrig das Rentensystem insgesamt ist. Der Wirtschaftsboom der vergangenen Jahre hat es ermöglicht, die Löcher mit immer neuen Milliarden zu stopfen. Weil durch die Corona-Krise eine beispiellose Rezession droht, wird das nun immer schwerer werden.

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