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Kommentar: Schlimmer konnte es bei der US-Wahl gar nicht kommen

Kommentar

Schlimmer konnte es bei der US-Wahl gar nicht kommen

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    Bleibt Donald Trump US-Präsident?
    Bleibt Donald Trump US-Präsident? Foto: Alex Brandon/AP/dpa

    Es gibt Menschen, die halten jeden einzelnen Tag der zurückliegenden vier Jahre mit US-Präsident Donald Trump für einen Albtraum, aus dem man einfach nicht aufwacht. Und es gibt (noch mehr) Menschen, die das Corona-Jahr 2020 für einen Albtraum halten, in dem das Erwachen ebenfalls nicht kommt.

    Allen, die so fühlen, hat der 3. November 2020 eins bewiesen: Der Albtraum endet nicht, er wird sogar noch schlimmer - und ein Aufwachen ist nicht in Sicht.

    Die US-Wahl 2020 bekommt den schlimmstmöglichen Ausgang

    Denn das rasiermesserscharfe Wahlergebnis aus den USA und die damit verbundene Unsicherheit ist der schlimmste aller vorstellbaren Ausgänge – zumindest für all jene, die sich wieder etwas mehr Demokratie-Liebe in Amerika gewünscht hätten. Gewiss, der Demokrat Joe Biden könnte diese Wahl noch gewinnen, sogar ohne Anrufung der Gerichte. Dafür muss, natürlich, jede Stimme in jedem Bundesstaat ausgezählt werden. Doch Biden ist in jedem Fall nicht gelungen, was Trump-Gegner, manche davon sogar in dessen eigener Partei, erhofft hatten: eine moralisch fundierte Zurückweisung des „Trumpismus“.

    Damit dürfte sich das amerikanische Gemetzel der vergangenen Jahre noch verschärfen. Bei den Demokraten wird von der (starken) Parteilinken jetzt ziemlich schnell die Frage laut werden, ob es eine gute Idee war, einen alten Mann der Mitte aufzustellen.

    Umgekehrt ist nun auf republikanischer Seite besiegelt, dass Trump keine historische Episode bleibt. Im Gegenteil: Selbst wenn er noch verlieren sollte, wird Trumpismus auf absehbare Zeit der entscheidende Einfluss in der Partei sein, vielleicht kann daraus gar eine Familiendynastie entstehen.

    Donald Trump würde eine Niederlage bei der US-Wahl wohl nicht akzeptieren

    Könnte der Oberste Gerichtshof nicht einfach entscheiden, wenn es wie jetzt knapp ist, mag man einwenden? Genau das wäre das nächste Problem. Im Jahr 2000 griffen Amerikas oberste Richter im Kampf zwischen George W. Bush und Al Gore ein, sie stoppten damals die Nachzählung im umkämpften Florida. Das war eine Einmischung, die bis heute die Legitimität des Gerichtshofes belastet.

    Aber verglichen mit der heutigen Situation ging es damals zu wie in der Waldorfschule. Vor zwanzig Jahren war der Oberste Gerichtshof noch nicht so parteiisch gespalten wie heute, da Donald Trump mit gleich drei Richterernennungen diesen weit nach rechts gerückt hat. Und: Damals akzeptierte Gore seine juristische Niederlage, weil er das Land nicht weiter spalten wollte. Trump hingegen hat schon erklärt, genau das auf keinen Fall zu tun. Er hat sich lieber vorsorglich zum Sieger erklärt.

    Donald Trump wollte nie Präsident aller Amerikaner sein

    Es herrscht nun Sprachlosigkeit, buchstäblich. Die Demokraten konnten ganz offenbar nicht mit jenen kommunizieren, die auch ganz ohne die Person Trump wütend gewesen wären - die Verlierer der Globalisierung, jene weißen Abgehängten, denen eine „Identitätspolitik“ oder eine geschlechtergerechte Sprache herzlich egal ist, ihr Arbeitsplatz aber nicht.

    Und Trump will mit einem Teil des Landes (oder weiten Teilen der Welt) ja gar nicht reden, er wollte niemals der Präsident aller Amerikaner sein - sondern lieber alle, die ihn unterstützen, noch ein bisschen wütender machen.

    Und wir, im Rest der Welt? Wir stehen sprachlos vor diesen (Un)-Vereinigten Staaten von Amerika, die auf geraume Zeit hin um sich selbst kreisen und als Führungsmacht weiter ausfallen werden. Wir ahnen zudem: ein wenig mehr „wie Trump sein“ wird sich weltweit (noch stärker) ins politische Handeln schleichen, denn Wahl-Erfolg gilt Politikern nun einmal als bester Ratgeber. Auch wenn der auf dem Wecken der schlechtesten Instinkte beruht.

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